Jana Samsonova (Moderatorin) [00:00:01] Es ist gerade einmal ein Jahr her, da wurde in der deutschen Startup-Szene noch das Jahr der Einhörner gefeiert, also das Jahr der Unternehmen, die in ihrer Bewertung die Marke von einer Milliarde Dollar geknackt haben. Doch im Jahr 2022 sieht die Startup-Welt schon wieder anders aus. Einst vielversprechende Startups wie der Lebensmittel Lieferdienst Gorillaz haben Massenentlassungen angekündigt und auch Investoren halten sich vermehrt zurück. In dieser ausnahmsweise zweiteiligen Podcastfolge widmen wir uns daher ganz dem Thema Startups. Wie sehen die Rahmenbedingungen für Startups aktuell aus? Was braucht es für innovative Neugründungen? Und wie kann Creditreform Startups helfen? Darüber spreche ich mit Technology Investor Frank Thelen und Robco-Co-Gründer Roman Hölzel, so wie im zweiten Teil der Folge mit Roland Wedding, Geschäftsführer bei Creditreform. Mein Name ist Jana Samsonova und damit herzlich willkommen bei Gute Geschäfte!
Jingle [00:01:06] Gute Geschäfte. Business-Wissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.
Jana Samsonova [00:01:21] Hallo zusammen.
Frank Thelen [00:01:22] Hallo zusammen. Vielen Dank, dass wir bei dir sein dürfen.
Jana Samsonova [00:01:24] Hier eine kurze Info für die Zuhörerinnen und Zuhörer: Frank, Roman und ich haben uns im Vorfeld auf das Du geeinigt und jetzt legen wir los. Frank, fangen wir mit dir an! Im Jahr 2021 sah noch alles rosig aus für die deutsche Startup-Szene. Vom Jahr des Einhorns war die Rede. Inzwischen macht sich aber vor allem unter vielen Investoren vermehrt Zurückhaltung breit. Woran liegt das?
Frank Thelen [00:01:48] Oh, ich glaube an Macrothemen. Das Ganze ist ja ein großer Kapitalmarkt und in den sogenannten Public-Märkten, also an den Börsen, haben wir einen starken Tech-Sell-off gesehen. Das hat Inflationsgründe. Es ist Krieg, humanitär eine riesen Katastrophe, aber auch für die Weltwirtschaft. Wir haben Herausforderungen in China, damit haben wir zurzeit kein Problem. Und so weiter. Und das hat jetzt dazu geführt, dass sich die Industrie, sozusagen die Branche, darauf geeinigt hat und sagt: Jetzt erstmal ein "Risk-off Modus". Daraufhin sind zuerst die Unternehmen an den Börsen gefallen. Und jetzt ist die Frage: "Wie weit schlägt das über auf den sogenannten privaten Markt, also das Venture Capital?" Das können wir jetzt schon sehen. Wir haben auch vereinzelt von deutschen Investoren ganz klar die Ansage "Wir investieren aktuell nicht mehr" und in so einer Phase befinden wir uns. Aber so eine Phase bietet natürlich auch eine Menge Chancen. Wir sind in einem ganz normalen Modus. Wir sind sogar im Public Market ganz normal 100 Prozent investiert und unser Venture Capital Fonds "Freigeist" investiert aktuell auch ganz normal.
Jana Samsonova [00:02:57] An guten Ideen scheint es jedenfalls nicht zu mangeln. Freigeist Capital, dein Venture Capital Unternehmen, hat ja mehr als zwanzig Startups im Portfolio, darunter eben das Robotik-Startup Robco, das Roman im Jahr 2020 mitgegründet hat. Frage an euch beide: In welcher Phase der Gründungs- beziehungsweise Nach-Gründungsphase befindet ihr euch denn gerade?
Roman Hölzl [00:03:17] Wir sind in der Phase zwischen Seed- und Series A, wie es in der Branche heißt. Das bedeutet, der initiale Grundstein ist gelegt, das Team besteht. Wir sind knapp 30 Leute am Standort in München, aber gleichzeitig sozusagen noch vor der echten Skalierung. Sprich: Es geht gerade erst richtig los. Und das ist die Stage, in der wir uns befinden.
Jana Samsonova [00:03:37] Frank, was sagst du dazu?
Frank Thelen [00:03:40] Ich würde sagen, das ist absolut richtig wiedergegeben. Das heißt, wir haben jetzt erst mal das Produkt Market Fit gefunden, dass der Frage nachging: Hat das Team überhaupt ein Produkt entwickelt, was am Markt Akzeptanz und Nachfrage generiert? Also stimmt, der Preispunkt, die Qualität und so weiter. Das sehen wir jetzt. Das Team konnte wirklich tolle Kunden gewinnen. Die Nachfrage ist größer, als wir sie aktuell decken können. Das heißt, jetzt muss man hingehen und fragen: Wie sichern wir denn, dass wir schnell produzieren können, dass wir in Qualität ausliefern können? Wie stellen wir sicher, dass das Produkt bei den Kunden funktioniert? Dafür braucht man jetzt wieder noch mehr Kapital, als wir derzeit bereitstellen. Wir investieren so zwischen ein bis zwei Millionen Euro. Jetzt braucht Robco die Series A, um dann sozusagen den Proofpoint, der jetzt geschafft ist, zu skalieren.
Jana Samsonova [00:04:28] Roman, dein Startup spezialisiert sich ja auf modulare Industrieroboter. Welche Schwierigkeiten hattest du denn gerade zu Beginn beim Vertrieb deiner Produkte?
Roman Hölzl [00:04:40] Was wir schaffen mussten, war im Endeffekt der Dreisprung von einem sehr technologischen Produkt aus der Forschung in die Entwicklung und dann in die Kommerzialisierung. Das heißt, wir mussten gerade zu Beginn und auch jetzt noch relativ viel Aufklärungsarbeit leisten, welche technischen, aber auch ökonomischen Vorteile das System bietet. Und das ist im Endeffekt die Challenge im Markt. Also wirklich einen Zugang zu schaffen zu einer komplexen Technologie initial, die aber gleichzeitig eigentlich für den Nutzer im Endeffekt simpel und einfach zu nutzen ist, auch heute schon. Und diese Transferleistung beim Endkunden sicherzustellen, das ist eigentlich die größte Herausforderung, die wir sehen.
Jana Samsonova [00:05:18] Als Neugründung hatte Robco ja anfangs weder eine Geschäftshistorie noch mehrere Jahresabschlüsse vorzuweisen. Um dennoch eine aussagekräftige Bewertung zu erhalten, hat sich Robco gemeinsam mit Freigeist an Creditreform München gewandt. Wie kam der Kontakt denn zustande und wie hat man euch da genau weitergeholfen?
Roman Hölzl [00:05:40] Auch wir müssen eine Bonität aufweisen, am liebsten seit 150 Jahren. Cashflow positiv, Familiengeführt und in einer Hand. Was aber einfach nicht die Realität ist. Wir haben Kapital von amerikanischen Investoren, asiatischen Investoren, Freigeist auch mit dabei, Angel Investoren und natürlich noch keine Cashflow Positivität, weil wir ins Wachstum investieren und zwar ganz enorm. Und da gehen die Bewertungs-Maßnahmen im Endeffekt an dem vorbei, was wir wirklich in der Praxis benötigen würden. Und daher kam der erste Kontakt zustande und dann ging es im Endeffekt darum, sowohl Robco-seitig - das habe ich dann begleitet mit unserem Finanzchef - als auch Freigeist-seitig zu erklären, was eigentlich hinter dieser Eigenkapital-Struktur steckt. Was haben wir uns für die nächste Zeit vorgenommen? Was ist die Rationale, die Frank, Marc, Alex, Marcel unddas Team dazu bewegt, hier so ein Investment auch zu tätigen.
Frank Thelen [00:06:37] Aber das echt auch ein Problem. Also diese ganze Finanzierung von Startups. Ich verstehe doch, dass das riskant ist, teilweise. Aber es wird irgendwie auch pauschal abgelehnt, weil sich halt keiner die Mühe macht und die Energie reinsteckt, um wirklich zu verstehen, wie hoch das Risiko ist.
Jana Samsonova [00:06:51] Gut, die Bonitätsbewertung ist ja das eine. Darüber hinaus hat Creditreform aber ja noch viel mehr Daten im Angebot, die zum Beispiel beim Vertrieb helfen können. Diese Daten nutzt ihr ja auch.
Roman Hölzl [00:07:07] Ja also im Endeffekt ist es ja ein Mid-of-the-funnel-Thema, im Marketing-Speech. Also Top-of-the-Funnel machen wir natürlich verschiedene Initiativen und dann hintenraus auch ins Closing. Mid-of-the-Funnel ist halt immer so die Frage, wie komme ich an die Leads, die dann schnell konvertieren? Und da hat die Crefo [Anm.: Abkürzung für Creditreform] schon eine gute Möglichkeit, im Endeffekt reinzugehen und zu sagen, aus der Bonitätsbrille, haben wir die Daten der Unternehmen, die für euch spannend sind, also Größe, Gründungsjahr, Location, Branche. Und so weiter und so fort. Und da können wir einfach reingehen und ähnlich wie viele der anderen Anbieter einmal die Filter entsprechend setzen, sodass wir im Endergebnis eine Liste bekommen von Leads. Wie gesagt, eher in der Mitte des Funnels, die schon mal eine gewisse Vorqualifizierung erfahren durch die Filter-Möglichkeit und die wir dann gezielt ansprechen können.
Jana Samsonova [00:07:56] Frank, Robco scheint ja auf einem sehr guten Weg zu sein. Warum hältst du denn Gründer wie Roman Hölzel und deren Startups für so wichtig für die deutsche Volkswirtschaft?
Frank Thelen [00:08:08] Roman hat wirklich ein zentrales Thema. Das haben wir damals gar nicht gewusst, als wir investiert haben. Und das war uns nicht so klar, dass es so dringend wird, nämlich die Produktion zurückzuholen nach Europa und hier wieder unsere Produktivität voranzubringen. Denn Roboter sind der Weg, dass wir hier kostengünstig auf einem sehr hohen Niveau mit einer guten Qualität wieder produzieren können, weil wir einfach höhere Lohnkosten haben als an anderer Stelle. Und deswegen ist das Unternehmen, was hoffentlich sehr erfolgreich wird von Roman, wirklich ein wichtiger Baustein Robotics für den Mittelstand, damit wir wieder mehr Produktion hier hin holen können und damit wieder unabhängiger und robuster in Europa werden.
Jana Samsonova [00:08:54] Meine letzte Frage an euch beide lautet: Was wünscht ihr euch denn für die Zukunft der Startup Landschaft Deutschland? Wie kann man dir, Roman, denn zum Beispiel helfen?
Roman Hölzl [00:09:04] Also ein zentrales Thema ist, super Talente zu gewinnen, als Unternehmen. Das muss man erst mal schaffen mit einem spannenden Produkt, spannenden Themen, einer spannenden Mission, aber dann auch bürokratisch. Und da hatten wir jetzt in der Vergangenheit tatsächlich einige Themen, gerade mit zum Beispiel sehr, sehr guten Softwareentwicklern, Entwicklerinnen aus Ägypten, wo wir einfach feststellen, in unserer Größe ist es unwahrscheinlich schwierig, vom bürokratischen Prozess bis hin zur Relocation ein Paket zu schnüren, das sozusagen der Realität entspricht. Und da wünschen wir uns politisch einen Ticken mehr Unterstützung. Ansonsten sehen wir gerade in unserem Umfeld doch eher konservativen Mittelstand, Entwicklung von Produkten, Fertigung von Produkten eigentlich eine sehr, sehr hohe Bereitschaft, gerade mit den Makro-Trends, aktuell dem Fachkräftemangel, dem Druck auf Qualität und Produktivität. Eine sehr große Offenheit gegenüber unseren Produkten, unserem Offering, wo wir eigentlich selbst eher überrascht waren, wenn wir das vergleichen mit dem Blick, den wir vor zwei Jahren auf den Markt und auf die Endkunden gerichtet haben.
Frank Thelen [00:10:05] Für mich ist das Thema, jetzt wirklich mal in die Umsetzung zu kommen. Was Startups brauchen, also die Forderungen, die sind sehr klar. Zum Beispiel der Deutsche Startup Verband und jetzt auch Robert Habeck gerade hat ja ein gutes Papier rausgebracht und das ist ja auch ehrlich gesagt gar nichts Neues. Es ist gut, dass er das noch mal in seinen eigenen Worte gefasst hat. Auch ein Christian Lindner kennt die Themen sehr gut. Was mich zur Verzweiflung bringt und auch frustriert, ist, dass wir irgendwie nicht in die Umsetzung kommen, sondern dass dann in diesen politischen Mühlen, in diesen Rangeleien und dann leider ja manchmal auch noch dann landesspezifisch, da tickt Bayern anders als NRW, und was kann man überhaupt noch deutschlandweit wie umsetzen? Da passiert irgendwie nichts. Nichts. Und das wünsche ich mir anders. Die Aufgaben sind klar. Beispiel Deutscher Startup Verband, klar definiert. Aber wann kommen wir jetzt endlich mal in eine progressive und mutige Umsetzung, wo einfach alle Parteien mitziehen, oder jetzt mal böse gesprochen "die Klappe halten". Aber dass man demokratisch sagt: "Das wollen wir machen, aber das ziehen wir jetzt auch mal durch!"
Jana Samsonova [00:11:20] Ja, ich bin gespannt, ob wir bald eine Antwort auf diese Fragen finden. Erstmal möchte ich mich aber bei euch für das Gespräch bedanken und bei Ihnen, liebe Zuhörer, fürs Einschalten.
Frank Thelen [00:11:29] Danke für deine Zeit.
Roman Hölzl [00:11:30] Ich danke euch.
Jingle [00:11:35] Gute Geschäfte. Business Wissen in zehn Minuten der Creditreform Podcast.