Basel IV macht Ratings wichtiger
Zum Jahresbeginn wurden die Eigenkapitalanforderungen für kreditgebende Banken erhöht. Das wird insbesondere für Unternehmen ohne Rating Folgen haben. Sie werden künftig höhere Kreditkosten schultern müssen.

Für eine Stadt mit nur knapp 175.000 Einwohnern hat Basel eine Menge zu bieten: Kulturhauptstadt und Sitz der ältesten Universität der Schweiz, weltweit führendes Zentrum der Chemie- und Pharmaindustrie und, vor allem, viel beachteter Bankenplatz. In einem Büroturm am Centralbahnplatz 2 hat beispielsweise die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich ihren Sitz. Eben dort trifft sich seit 1978 regelmäßig der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, ein hochrangig besetztes Gremium verschiedener nationaler Zentralbanken und Aufsichtsbehörden. Sein Bestreben ist es, die Stabilität international tätiger Banken zu stärken. Dazu setzt der Ausschuss strenge Standards für die Eigenkapitalgestaltung der Kreditinstitute. Und jede Neufassung dieser Richtlinien markiert einen tiefgreifenden Wandel in der Bankenlandschaft.
Seit seiner Gründung hat das Gremium vier Mal eine neue Regulatorik formuliert, im Fachjargon kurz Basel I bis IV genannt. Die jüngste Fassung ist zum 1. Januar 2025 in Kraft getreten und auch diesmal werden die erneut angehobenen Anforderungen an die Eigenkapitalausstattung der Kreditinstitute Folgen haben. Sowohl für die Banken als auch für kreditsuchende Unternehmen.
Bisher haben jedoch erst wenige Firmen das Thema auf dem Radar. „Das eine oder andere Unternehmen hat davon gehört. Aber in der Breite ist der Kenntnisstand noch nicht sonderlich hoch. Kaum jemand ahnt, was Basel IV für die Finanzierung des eigenen Unternehmens bedeuten könnte“, sagt Benjamin Mohr, Mitglied der Geschäftsleitung bei der Creditreform Rating AG.
Was ändert sich mit Basel IV?
Im Mittelpunkt stehen neue Kreditrisikostandards, nach denen Banken ihre Kapitalanforderungen beziehungsweise risikogewichtete Aktiva (RWA) berechnen müssen. Eine zentrale Neuerung ist die schrittweise Etablierung eines sogenannten Output Floors, der eine Untergrenze für die nach internen Modellen berechneten Eigenkapitalanforderungen festlegt. Die von vielen Banken genutzten internen Modelle ergeben im Vergleich zum Standardansatz geringere RWA. Sie führen somit auch zu niedrigeren Eigenkapitalanforderungen. Dieses Einsparpotenzial wird nun begrenzt. Denn die nach internen Modellen errechneten Eigenmittel dürfen künftig höchstens 50 Prozent (ab 2030 sogar höchstens 27,5 Prozent) unter den nach dem Standardansatz errechneten Eigenkapitalanforderungen liegen. „Im Ergebnis bedeuten die Änderungen für die Kreditinstitute, dass sie mehr Eigenkapital vorhalten und mit höheren operativen Kosten für das Risikomanagement rechnen müssen“, sagt Mohr. Betroffen sind nach seiner Einschätzung insbesondere Banken, die stark auf interne Modelle der Risikomessung setzen. Denn diese weisen tendenziell geringere Risiken aus als der Standardansatz, was bisher zu geringeren Eigenkapitalanforderungen geführt habe.
Gute Bonität wird noch wichtiger
Die Folgen der neuen Vorschriften für kreditsuchende Unternehmen lassen sich leicht erahnen: Sie werden künftig mehr für geliehenes Geld zahlen müssen. Auch ist zu erwarten, dass viele Banken bei der Kreditvergabe selektiver vorgehen werden. Wer eine weniger gute Bonität besitzt, wird es künftig möglicherweise schwerer haben, einen Kredit zu bekommen. Basel IV kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Gemengelage für viele Kreditinstitute ohnehin voller Herausforderungen ist. Die politische und wirtschaftliche Großwetterlage ist unübersichtlich, die Risiken nehmen zu und die Insolvenzzahlen steigen rasant. „In dieser Situation kommt die neue Regulatorik noch on top – das könnte für manches Unternehmen zu Finanzierungsengpässen führen, weil einige Banken vor dem Hintergrund von Basel IV zurückhaltender agieren“, befürchtet Mohr.
Die erhöhten Eigenkapitalanforderungen betreffen insbesondere diejenigen kreditsuchenden Unternehmen, die über kein externes Rating verfügen. Das sind sehr viele. Mitte 2024 hatten lediglich 9,2 Prozent der 1.125 deutschen Großunternehmen ihre Kreditwürdigkeit von einer Ratingagentur unter die Lupe nehmen lassen. Allerdings zeigten sich dabei erhebliche Branchenunterschiede. So wiesen die Automobilindustrie (27,6 %), die Logistikbranche (26,3 %) sowie die chemische Industrie (17,9 %) vergleichsweise hohe Anteile an Großunternehmen mit externem Rating auf. „Hier spiegelt sich möglicherweise die Notwendigkeit wider, für größere Investitionen eine gute Bonität und Transparenz nachzuweisen“, vermutet Mohr. Auffällig war, dass im Baugewerbe, im Kfz-Handel und bei konsumnahen Dienstleistern kein größeres Unternehmen über ein externes Rating verfügte. Mohr sieht darin ein Indiz für möglicherweise spezifische Branchenrisiken oder eine geringe Abhängigkeit von externer Finanzierung in diesen Wirtschaftsbereichen. „Andererseits kann es auch darauf zurückzuführen sein, dass es sich um eher kapitalmarktferne Branchen handelt, die vergleichsweise wenig Anleihen emittieren.“
Basel IV wird somit insbesondere Unternehmen mit einer starken Abhängigkeit von Banken dazu zwingen, ihre Finanzierungsstrategie sowie ihre Finanzkommunikation zu überprüfen. „Wir erwarten, dass die Bereitschaft, ein externes Rating in Auftrag zu geben, langfristig zunehmen wird, denn die neuen Eigenkapitalanforderungen schaffen Anreize für eine Bonitätsbewertung durch eine Ratingagentur“, prognostiziert Mohr. Und wenn manche Unternehmen den Aufwand scheuen und sich stattdessen mit einer einfachen quantitativen Einschätzung der Bilanz begnügen? Das helfe nicht weiter, so der Creditreform-Rating-Experte. Denn ein Bonitätsrating erfülle nicht die regulatorischen Anforderungen von Basel IV. Dafür wird ein Rating einer externen Ratingagentur, einer sogenannten External Credit Assessment Institution (ECAI), benötigt. Um den ECAI-Status zu erhalten, ist eine Zulassung durch die European Securities and Markets Authority (ESMA) erforderlich.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber
Bildnachweis: Getty Image
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