Die Kleinen leiden besonders

Fachkräftemangel, hohe Energiekosten, schlechte Infrastruktur, zu viel Bürokratie – die schwierigen Bedingungen am Standort Deutschland belasten den Mittelstand weit stärker als die Gesamtwirtschaft. Betroffen sind nahezu alle Branchen. Besserung ist nicht in Sicht.

Mittlerweile ist auch der letzte Hauch von Optimismus verflogen. Nach Schätzung der fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute wird die deutsche Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 0,1 Prozent schrumpfen. Wirtschaftsminister Robert Habeck rechnet in seiner Herbstprojektion gar mit einem Rückgang von 0,2 Prozent. Im Frühjahr hatten die Institute zumindest noch ein Mini-Wachstum prognostiziert. Doch die Gemengelage hat sich zuletzt immer weiter verfinstert. Die Investitionsbereitschaft ist schwach, vom Außenhandel gehen keine Impulse aus und die Verbraucher zeigen sich trotz sinkender Inflation wenig ausgabefreudig.

Auffällig ist, dass die meisten großen Volkswirtschaften nach der Corona-Pandemie und der durch den Überfall auf die Ukraine ausgelösten Teuerungswelle bereits 2023 wieder Tritt gefasst haben, nur die deutsche Wirtschaft nicht. Das macht deutlich, dass die Talfahrt nicht nur konjunkturelle Gründe, sondern grundsätzliche Ursachen hat. Die großen Themen – Digitalisierung, hohe Energiepreise und Fachkräftemangel – belasten die heimischen Unternehmen offensichtlich stärker als andere Staaten.

Wie steuert der Mittelstand durch die Krise? Umfragen legen die Vermutung nahe, dass die schwierigen Bedingungen am Standort Deutschland kleine und mittelgroße Unternehmen besonders hart treffen. Der Creditreform Geschäftsklimaindex, etablierter Indikator für die Wirtschaftslage im Mittelstand, ist zuletzt auf minus 4,8 Punkte abgerutscht – nach minus 1,2 Punkten im vergangenen Jahr und plus 3,1 Punkten in 2022. „Es ist 20 Jahre her, dass der Geschäftsklimaindex zwei Jahre in Folge negativ war“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung.

Ist die Situation wirklich so ernst? Oder hat Olaf Scholz recht, wenn er gelegentlich feststellt, die Klage sei der Gruß des Kaufmanns? Erkenntnis liefert ein Blick in die Creditreform Datenbank.

Auftragseingänge brechen ein

Die Auftragsbücher im Mittelstand leeren sich – bundesweit und quer durch alle Branchen. Fast jedes dritte von Creditreform im Spätsommer befragte Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitenden und einem Umsatz bis 50 ­Millionen Euro berichtete von Auftragsrückgängen. Lediglich 18,1 Prozent meldeten einen Anstieg. Besonders verdüstert hat sich die Situation im Handel sowie im Verarbeitenden Gewerbe. Dort registrierten jeweils mehr als 40 Prozent der befragten Unternehmen rückläufige Auftragsbestände. Nur 13,1 Prozent der Betriebe aus dem Verarbeitenden Gewerbe verbuchten ein Auftragsplus; im Handel waren es sogar lediglich 11,4 Prozent.

Hoffnung auf Besserung gibt es wenig. Nur 18,7 Prozent der Befragten rechnen in den kommenden Monaten mit steigenden Auftragseingängen. Fast jeder Fünfte befürchtet eine weiter rückläufige Entwicklung. Vor allem im Verarbeitenden Gewerbe und im Handel herrscht wenig Zuversicht. In beiden Branchen erwarten gut 25 Prozent der Befragten, dass die Auftragsbücher dünner werden. 

Mehr überfällige Rechnungen

Die schlechte Geschäftslage hat Folgen für das Zahlungsverhalten und die Höhe der offenen Forderungen. Eine Auswertung von gut 3,8 Millionen Rechnungsbelegen aus dem Creditreform Debitorenregister Deutschland (DRD) belegt einen Anstieg der überfälligen Rechnungen. Gleichzeitig räumen viele Unternehmen ihren Kunden längere Zahlungsfristen ein. Im ersten Halbjahr 2024 erhöhte sich das durchschnittliche Zahlungsziel auf 31,37 Tage (29,93 Tage im ersten Halbjahr 2023). Trotzdem stieg der Forderungsbestand bei den Gläubigern auf 23.600 (Vorjahr: 21.900) Euro je Schuldner, da mehr Rechnungen verspätet beglichen wurden.

Insolvenzen schießen in die Höhe

Die schwache Wirtschaftsentwicklung und die hohen Belastungen beschleunigen das Insolvenzgeschehen. Rund 11.000 Insolvenzen im ersten Halbjahr bedeuteten ein Plus von knapp 30 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 2023. In den Monaten Juli, August und September fielen die Zuwächse nach Angaben des Statistischen Bundesamtes geringer aus, bewegten sich aber weiter im zweistelligen Prozentbereich. Betroffen waren alle vier Hauptwirtschaftsbereiche. Dabei reicht die Spanne (im ersten Halbjahr) von 20,4 Prozent im Handel bis zu 34,9 Prozent im Dienstleistungssektor. Im Verarbeitenden Gewerbe war ein Anstieg um 21,5 Prozent zu verzeichnen, im Baugewerbe erhöhte sich das Insolvenzaufkommen um 27,5 Prozent. Die Insolvenzquote (Insolvenzen je 10.000 Unternehmen) stieg in den ersten sechs Monaten von 56 auf 71. Im Dienstleistungsgewerbe wurden sogar 74 Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen gezählt.

Erträge stürzen ab

Wenn es an Aufträgen fehlt und Kunden schleppend zahlen, sieht es auch bei den Erträgen düster aus. 18,6 Prozent der von Creditreform im Spätsommer befragten Unternehmen berichteten von gestiegenen Gewinnen, aber 34,7 Prozent hatten sinkende Erträge hinzunehmen. Insbesondere beim Verarbeitenden Gewerbe hat sich die Ertragssituation verschlechtert. Dort berichteten 44,7 Prozent von Rückgängen. Kaum besser ist die Situation im Handel, wo 42,8 Prozent schrumpfende Erträge meldeten. An der angespannten Ertragslage dürfte sich in den kommenden Monaten wenig ändern. Nur knapp jeder fünfte Befragte (19,8 Prozent) rechnet mit einem Ertragsanstieg, während 26,4 Prozent der Unternehmen sinkende Erträge erwarten.


Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber
Bildnachweis: Stockbyte / Getty Images



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