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Eigenkapital: Spreu trennt sich vom Weizen

Ein Ergebnis der aktuellen Befragung des Mittelstandes durch die Creditreform Konjunkturforschung brachte ein zunächst überraschendes Ergebnis. Trotz multipler Krisen – von Corona über den Krieg in der Ukraine bis zur Inflation und Ihrer Bekämpfung durch steigende Zinsen – hat sich die Eigenkapitalsituation im Mittelstand gebessert.

Eine für kleine und mittlere Unternehmen solide Eigenkapitalquote von über 30 Prozent bezogen auf die gesamte Bilanzsumme weisen 35,5 Prozent der Unternehmen auf. Vor einem Jahr waren es noch 34,2 Prozent. Auch auf der anderen Seite der Skala, bei den Unternehmen mit einem eher schwachen (oder sogar negativen) Eigenkapital von unter 10 Prozent EK-Quote, hat sich der Anteil entsprechend verringert. Waren es 2023 im Frühjahr noch 30,7 Prozent, so sind es aktuell 29,5 Prozent, die nur dürftig mit Eigenkapital ausgestattet sind.

Eigenkapital, vereinfacht die Differenz aus dem Vermögen des Eigentümers im Unternehmen und den Schulden, ist für ein Unternehmen und seine Bewertung von entscheidender Bedeutung. Gerade in Krisenzeiten ist es in der Lage, Verluste auszugleichen. Es hilft, Investitionen aus eigener Kraft zu stemmen und ist so auch in konjunkturell oder betrieblich guten Zeiten so wichtig. Schließlich ist das Eigenkapital aber eben auch bei der Fremdfinanzierung, beim Mittelstand in erster Linie der Bankfinanzierung, eine entscheidende Stellschraube. Die Eigenkapitalquote entscheidet, ob ein Kredit infrage kommt und zu welchen Konditionen. Aktuell steht das Eigenkapital im Fokus, weil seine Höhe eine wichtige Größe für das Überleben ist. Ohne Eigenkapital steht ein Unternehmen vor der Überschuldung sowie der Zahlungsunfähigkeit und ist damit auch im Rechtssinne insolvent.

Kontinuierlich gesteigert

Ein näherer Blick auf die Wirtschaftsbereiche zeigt dann aber, dass die Gesamtverbesserung vom Verarbeitenden Gewerbe getrieben wird. Im Cluster mit über 30 Prozent EK-Quote weisen Industrie und Handwerk binnen Jahresfrist eine Verbesserung von 37,8 auf 45,6 Prozent auf. Ganz anders ist die Situation im Baugewerbe: Hier ist die einzige Branche zu finden, die nicht nur eine Abnahme beim hohen Eigenkapital von 29,2 auf 27,7 Prozent aufweist, sondern auch einen deutlichen Anstieg bei der schwachen Finanzierung (unter 10 Prozent EK-Quote) von 34,0 auf 42,4 Prozent. Auch der Handel zeigt eine leichte Zunahme bei den dürftigen Eigenkapitalquoten, während es den Dienstleistern gelungen ist, diesen Anteil deutlich zu verringern (von 33,7 auf 29,3 Prozent). Im Hinblick auf die Situation des Eigenkapitals in der Krise über die letzten vier Jahre hinweg spiegeln die Eigenkapitalquoten die Einschläge. Mit dem ersten Schock durch den Lockdown waren die guten Eigenkapitalquoten (über 30 Prozent) von 34,2 auf 32,1 Prozent abgefallen. Dann kam die schrittweise Erholung ab 2021 bis zum aktuellen Rand 2024 um 3,4 Prozentpunkte.

Stimmt nun die These, dass Krisenzeiten zu einem verstärkten Aufbau von Eigenkapital führen? Oder ist es näherliegend, die Situation im Baugewerbe zu sehen, das mangels Aufträgen und angesichts hoher Einkaufspreise an Boden verliert und entsprechend höhere Anteile von Unternehmen mit einer schwachen Eigenkapitalquote aufweist? In der aktuellen Ausgabe der „Zeitschrift für Bilanzierung, Rechnungswesen und Controlling“ publizieren Zwirner und Busch eine Analyse der Eigenkapitalquoten größerer Unternehmen, die im DAX, MDAX, SDAX und TecDAX vertreten sind. Sie kommen zu der Erkenntnis, dass sich in der von Krisen geprägten jüngeren Vergangenheit die Eigenkapitalquoten erhöht haben. Dies gilt nur in geringem Maße für die Schwergewichte im DAX, die ihre durchschnittliche Eigenkapitalquote von 19,01 im Jahr 2021 auf 19,04 Prozent im Jahr 2022 erhöht haben (aufgrund der zeitlich nachlaufenden Veröffentlichungspflicht der Bilanzen sind repräsentative Bilanzen zu 2023 zu diesem jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu bekommen). Ausgeprägter stellt sich die Verbesserung noch bei den von etwas kleineren Unternehmen geprägten anderen genannten Aktienmärkten dar. So konnte im SDAX eine Steigerung von 24,40 (2021) auf 27,38 Prozent (2022) erreicht werden. Im MDAX waren es sogar Zugänge von 18,61 auf 29,78 Prozent. Die Autoren schreiben: „Durch diese Entwicklung über die gesamte Breite der untersuchten Unternehmen hinweg kann bestätigt werden, dass die Unternehmen in Krisenzeiten höhere Eigenkapitalquoten anstreben.“ Eine Aussage, die sich so auch auf die von Creditreform befragten Mittelständler übertragen lässt. Anzufügen bleibt, dass Krisenzeiten auch immer Zeiten der Selektion darstellen. Nicht jedes Unternehmen wird Eigenkapital bilden können. Der Bau mit einer Vielzahl kleiner Betriebe zeigt, wie die Krise gerade zum Verlust von Eigenkapital führen kann.

Es trennt sich die Spreu vom Weizen

Die Polarisierung in der Krise, die Starken werden stärker und die Schwachen schwächer mit Eigenkapital ausgestattet, bedeutet aber nicht, dass es damit auch zu einer Steigerung bei der Ertragslage kommt. Im Mittelstand sprechen zwar 17,3 Prozent von gestiegenen Erträgen 2024 (Vorjahr: 15,5 Prozent), doch stehen dem 38,1 Prozent gegenüber, die geringere Erträge hinnehmen mussten (Vorjahr: 35,5 Prozent). Dies gilt auch für die großen Unternehmen in der genannten Analyse: „Cluster mit höheren Eigenkapitalquoten konnten auch eine höhere Umsatzrentabilität sowie höhere Steigerungen des Jahresergebnisses erzielen“. Nun aber zeige sich, „dass Unternehmen mit hoher Eigenkapitalquote nicht zwingend eine höhere Umsatzrentabilität oder größere Steigerungen des Jahresergebnisses vorweisen können als Unternehmen mit mittleren oder niedrigen Eigenkapitalquoten“. Eigenkapital dient in Krisenzeiten wohl in erster Linie defensiv als Schutzschild, weniger offensiv als Steigerung des Gewinns.

Quellen: Creditreform und „Entwicklung der Eigenkapitalquoten und Umsatzrenditen in Krisenzeiten“ (Prof. Christian Zwirner und Dr. Julia Busch)



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