Gemeinsame Sache
Bei Nachfolgen innerhalb der Familie wollen die Interessen aller berücksichtigt sein: die des Seniors, des Ehepartners, der Geschwister und nicht zuletzt der Firma. Das erfordert häufig auch spezielle Finanzierungskonzepte.
Der Vater drängte sie nie. Im Gegenteil: Die Kinder sollten ihren eigenen Weg finden. Während der Schulzeit war für Melanie Baum noch nicht klar, was sie später werden wollte. Also studierte sie erst einmal Betriebswirtschaftslehre, Soziologie und Kommunikation. „Damit war ich breit aufgestellt, um nicht festgelegt zu sein“, erinnert sich die 34-Jährige.
Inzwischen aber hat sie die Firma Baum Zerspanungstechnik in Marl übernommen, nachdem sie dort bereits als Angestellte im Marketing und in der Geschäftsführung tätig gewesen war. „Für die Staffelübergabe haben wir uns bewusst Zeit gelassen. Das war sehr wichtig, um die Vor- und die Nachteile der möglichen Nachfolgemodelle detailliert und ohne Druck gegeneinander abzuwägen“, sagt Baum.
In den Prozess waren auch ihre Mutter sowie ihre Schwester involviert, „um die Interessen aller zu wahren“, so die Jungunternehmerin. Bei keinem sollte das Gefühl entstehen, übergangen oder übervorteilt worden zu sein. Die für alle Beteiligten beste Lösung sah dann so aus: „Wir entschieden uns für einen Asset Deal, weil es bei uns um Millionenbeträge ging. Mein Vater hat mir Teile des Unternehmens geschenkt. Darüber hinaus habe ich aber auch neu gegründet“, erläutert die Firmenchefin.
Baum musste in innovative Technik investieren, um die Zukunftsfähigkeit und das Wachstum des Betriebes zu sichern. „Gründer werden gut gefördert. Deshalb konnte ich mit Unterstützung der NRW.Bank von einem günstigen ERP-Kredit profitieren“, erklärt Baum das Finanzierungsmodell.
Sie kontaktierte die Förderbank selbst. „Das war gut, weil die Experten mir so während der gesamten Planung und Vorbereitung beratend zur Seite standen“, erinnert sie sich. In den Prozess war am Ende auch die Bürgschaftsbank des Landes mit einer Haftungsfreistellung involviert.
Die Ökonomen der KfW prognostizieren, dass bis Ende 2020 etwa 227.000 Unternehmen in die Hände eines Nachfolgers übergeben werden. 45 Prozent der Unternehmen, die im Jahr 2018 eine Übergabe planten, liebäugelten laut KfW-Mittelstandspanel mit einer familieninternen Regelung.
„Unternehmer zu sein, ist oft mehr Berufung als Beruf. Die meisten, die ihr Unternehmen verkaufen oder übergeben, sind dabei hoch emotional“, sagt Christian Saxenhammer, Geschäftsführer von Saxenhammer & Co. Die Corporate-Finance-Beratung hat bereits mehr als 200 Mittelständler bei Verkäufen und Nachfolgeregelungen unterstützt.
Ein Problem, viele Lösungen
Die Lösung der Baums ist nur eines von mehreren möglichen Modellen, wie Firmenübergaben innerhalb der Familie ablaufen können. Neugründung, Verkauf, Schenkung via vorweggenommener Erbfolge oder monatliche Rentenleistungen: Welche Variante sich im Einzelfall anbietet, hängt von diversen Faktoren ab – etwa vom Alter des Seniors, von seiner gewählten Altersvorsorge, von der familiären Konstellation und nicht zuletzt von der Gewinnsituation oder der Entwicklung des jeweiligen Unternehmens. „Jede Variante und jedes Modell hat sicherlich Vor- und Nachteile“, sagt Holger Habermann, Unternehmensberater der Gesellschaft K.E.R.N – Die Nachfolgespezialisten in München.
Zum Beispiel die Schenkung: Der Senior legt selbstlos und vertrauensvoll sein Lebenswerk in die Hände seines Kindes. In der Regel wählt er diese Variante, um in der Familie Steuervorteile auszunutzen sowie um den Nachfolger und die Firma nicht zu belasten. „Das funktioniert allerdings nur, wenn die fiskalischen Vorgaben erfüllt sind“, erklärt Habermann.
Zum Beispiel darf das sogenannte Verwaltungsvermögen – also etwa nicht betriebsnotwendige Finanzmittel oder Grundstücke – nur zehn Prozent des Betriebsvermögens ausmachen. Der Junior muss bereit sein, die Firma mindestens fünf Jahre lang bei gleichbleibender Lohnsumme weiterzuführen. Er darf in dieser Zeit nicht einmal Teilbereiche verkaufen – es sei denn, der Erlös wird reinvestiert. Der Fiskus kontrolliert das. „Deshalb ist eine rechtzeitige und sorgfältige Planung gemeinsam mit dem Steuerberater zwingend notwendig“, empfiehlt Habermann.
Die Schenkung müssen sich die Beteiligten also leisten können – vor allem der Senior. „Im Prinzip setzt sie immer voraus, dass der Altunternehmer und seine Partnerin privat für ihr Alter vorgesorgt haben. Das Ruhestandsgeld darf nicht mit dem Schicksal des Unternehmens verquickt sein“, gibt Alexander Koeberle-Schmid, promovierter Nachfolgeexperte der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in Düsseldorf und Autor des im Verlag C.H. Beck erschienenen Buches „Nachfolge in Familienunternehmen“, zu bedenken.
Anteile übertragen
Bei der internen Nachfolge des Heizungs- und Sanitärunternehmens L. Marquardt GmbH in Dillingen an der Donau war dies der Fall. Die drei Kinder des Handwerkschefs haben Anfang dieses Jahres die Firma übernommen. Der Vater übertrug den beiden Töchtern Birgit Marquardt und Ronja Herreiner jeweils ein Fünftel der Anteile. Sohn Matthias Marquardt erhielt als neuer Geschäftsführer die Mehrheit.
„Wir haben die Verhältnisse entsprechend unserer Tätigkeiten aufgeteilt“, sagt Ronja Herreiner. Für ihren Bruder war schon in der Schulzeit mehr oder weniger klar, dass er das Handwerksunternehmen mit 25 Mitarbeitern übernehmen wollte. „Meine Schwester und ich haben uns erst viel später als er entschieden. Deshalb waren diese Aufteilung sowie die Schenkung seitens unseres Vaters von vornherein so gewollt. Das mussten wir nicht diskutieren“, sagt Birgit Marquardt.
Geschwister ins Boot holen
In der Planungsphase ging es also fast nur noch um die vertraglichen Details. Holger Habermann als erfahrener Unternehmensberater sowie ein Rechtsanwalt und die Steuerberaterin der Eltern unterstützten die Familie. „Das war schon deshalb gut, weil sie alle darauf geachtet haben, dass wir innerhalb eines vorgegebenen Zeitrahmens vorankamen“, sagt Herreiner. Ihr Vater und auch die Mutter arbeiten mit flexiblen Arbeitszeiten weiter als Angestellte. Für ihr Alterssalär sorgt unter anderem eine betriebliche Altersversorgung, die extern abgesichert ist.
Damit wird klar, dass bei der Schenkung eines Betriebes alle Beteiligten frühzeitig informiert, in den Prozess eingebunden und ins Boot geholt werden sollten – auch Geschwister, die nicht am Unternehmen beteiligt sind. Möglicherweise schließen die Parteien einen Erbvertrag. Gegen Zahlung einer Abfindung oder einer monatlichen Leistung können die Geschwister oder zum Beispiel der Ehepartner befriedigt werden.
Voraussetzung ist natürlich wieder: Das Vermögen des Seniors reicht dafür aus. Sonst kommen eher andere Nachfolgelösungen als die Schenkung zum Zuge.
Zum Beispiel ein Verkauf: Denn ein Unternehmer kann sein Lebenswerk auch an Sohn oder Tochter als Übernehmer verkaufen. Die Firma geht genauso wie bei einem externen Übernehmer zu einem bestimmten Stichtag mit Zahlung des Kaufpreises auf den Nachfolger über. Der Altunternehmer kann bei Bedarf beratend tätig bleiben. Für den Junior allerdings bedeutet ein Kauf: Er muss zur Bank, um eine Kreditfinanzierung zu beantragen.
„In der Regel sollten Nachfolgefinanzierungen fünf bis sieben Jahre laufen, selten deutlich länger. Die Geschäftsmodelle ändern sich heutzutage sehr schnell“, kommentiert Habermann. Zins und Tilgung belasten währenddessen natürlich die Liquidität der Firma. Falls das so nicht gewollt ist, kann der Altunternehmer nur einen Teil des Unternehmens übertragen beziehungsweise verkaufen und Miteigentümer bleiben. Der Kapitalbedarf des Übernehmers sinkt. Erhält der Senior jedes Jahr einen garantierten Mindestbetrag vom Gewinn, muss der Junior aber bei Verlusten auf Rücklagen zurückgreifen.
„Das schwächt die Stabilität des Unternehmens und schmälert die Finanzkraft“, kommentiert Koeberle-Schmid. Zumal Geschäftsmodelle sich immer schneller wandeln können. „Ob etwas, das heute noch trägt, auch in zehn Jahren erfolgreich ist, lässt sich inzwischen kaum beantworten. Das Wirtschaftsleben wird immer schnelllebiger“, warnt Corporate-Finance-Berater Saxenhammer.
Option auf Rentenleistungen
Noch kritischer wird es bei der Nachfolge gegen Leibrente. „Diese Zusage kennt man eigentlich nur im engsten Familienkreis. Denn hier stellt der Nachfolger persönlich den Lebensunterhalt der Eltern sicher – und zwar nach Steuern“, schreibt Koeberle-Schmid in seinem Buch „Nachfolge in Familienunternehmen“.
Der Junior muss die Leibrente selbst dann weiter leisten, wenn er unternehmerisch scheitert. Ausnahme ist nur die Privatinsolvenz. „Das dürfte in vielen Fällen nicht gewollt sein. Leibrenten gelten aus solchen Gründen als schlechte Lösung. Sie werden nicht so häufig gewählt“, erklärt Koeberle-Schmid.
Besser stellt sich die Situation dar, wenn eine mindestens für zehn Jahre geschlossene Zeitrente vereinbart wird: Zwar trägt auch hier der Senior ein Risiko mit, falls der Junior keinen Erfolg hat. Doch sind Varianten möglich, nach denen der Altunternehmer nur dann Geld bekommt, wenn der Unternehmensgewinn hoch genug ausfällt.
Die Variante Nießbrauch
Beim Nießbrauch funktioniert das nicht so einfach. Der Nachfolger wird Eigentümer, der Senior profitiert weiter von den Erträgen.
Er kann einen sogenannten Vorbehaltsnießbrauch wählen. Er trennt sich von seinem Vermögen, sichert sich aber sein Ruhestandsgeld aus der Firma. Wird nur ein Teil des Ertrags als Alterssalär benötigt, kann ein Quotennießbrauch vereinbart werden. Dieser beschränkt sich auf einen Teil der Erträge.
Aber bei dieser Variante ist Vorsicht geboten: Die steuerlichen Regeln zum Nießbrauch sind sehr komplex. Diverse Erlasse regeln die Details. Und: „Auch diese Form der finanziellen Absicherung hängt vom wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmung ab“, warnt Koeberle-Schmid.
Vorsicht bei Verpachtung
Bleibt die Verpachtung: Hier erhält der Senior jeden Monat oder jährlich seine Pacht. Der Junior als Pächter hat die Wirtschaftsgüter zu erhalten – er erneuert, was kaputtgeht. Er setzt wieder instand oder bessert aus.
„Hier stellt sich allerdings weiterhin das Thema, dass der Betrieb später vererbt werden muss. So ist ein Unternehmensverkauf an den Junior vielleicht zielführender, um den Altunternehmer abzusichern“, so Koeberle-Schmid.
Die Verpachtung wählen Unternehmer eher, wenn die Firma von einem Dritten weitergeführt werden soll. „Allerdings drohen hier Probleme. Der Pächter muss den Betrieb gut führen. Nur dann sind auch die Altersbezüge des Altunternehmers gesichert und nur dann erhalten seine Kinder nach Pachtablauf einen substanziellen Unternehmenswert zurück“, argumentiert Koeberle-Schmid.
Für Melanie Baum schied diese Variante direkt aus. „Ich wollte von vornherein die volle Verantwortung übernehmen. Mein Vater konnte loslassen. Über einen Zeitraum von gut zwei Jahren hatte er schon gesehen, mit wie viel Herzblut ich mich für die Firma engagierte und was ich leisten konnte“, sagt Baum.
Schenkung: Mit warmer Hand
Falls der Senior privat fürs Alter vorgesorgt hat, wählen viele Übergeber innerhalb der Familie die Schenkung. Steuerlich sieht das in groben Zügen so aus:
- Wenn Betriebsvermögen übertragen wird – dazu zählen Fahrzeuge, Firmengebäude oder Maschinen –, können diese oft steuerfrei bleiben. Anders sieht dies beim sogenannten Verwaltungsvermögen aus. Solche Werte dürfen nur noch höchstens zehn Prozent des Betriebsvermögens ausmachen. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass vor der Firmenübergabe in die betriebliche Sphäre übertragenes privates Vermögen steuerlich begünstigt werden kann.
- Der Übernehmer muss das Unternehmen fünf Jahre lang weiterführen – und darf nichts verkaufen. Ausnahme: Er reinvestiert direkt den Erlös. Außerdem darf er nicht zu viel entnehmen. Die Höchstgrenze liegt bei den erwirtschafteten Gewinnen plus 150.000 Euro während dieser Zeit.
- Kompliziert wird es bei der sogenannten Lohnsummenregel. Diese trifft alle Unternehmen, die mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigen. Die Summe der Löhne zum Ende der Fünfjahresfrist muss zwischen 250 und 400 Prozent der Höhe der Lohnsumme bei Übernahme ausmachen. Wer zwischen sechs und zehn Mitarbeiter beschäftigt, muss insgesamt 250 Prozent der Lohnsumme zum Zeitpunkt der Übernahme erreichen. Bei elf bis 15 Mitarbeitern sind es dann 300 Prozent und darüber hinaus eben die vollen 400 Prozent.
Die nächste Generation: So motivieren Unternehmer ihre Kinder zur Nachfolge
Unternehmensberater Alexander Koeberle-Schmid weiß, wie Firmenchefs den Nachwuchs für die interne Nachfolge gewinnen können:
- Die Senior-Generation sollte einerseits die Nachfolger positiv für den späteren Einstieg motivieren und sie andererseits dabei unterstützen, wenn sie sich für einen anderen, eigenen Weg entscheiden.
- Der Nachwuchs sollte schon frühzeitig mit der Firma in Berührung kommen – beispielsweise als Kind an Betriebsfesten teilnehmen, als Schüler hier aushilfsweise tätig sein, als Student ein Praktikum absolvieren.
- Der Nachfolger verbringt am besten seine ersten Berufsjahre in einem anderen Unternehmen und sollte in den ersten Jahren im Betrieb Führungs- und Ergebnisverantwortung zeigen. Bei der Planung hilft ein Leadership-Entwicklungsplan.
Text: Eva Neuthinger
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