Mehr Vielfalt bei Nachfolgen
Rund 190.000 Unternehmen in Deutschland suchen einen neuen Besitzer. Viele Unternehmerkinder können sich zwar vorstellen, in die Fußstapfen der Eltern zu treten, aber nicht immer in der Rolle des Geschäftsführers. Ein steigender Anteil denkt sogar über den Verkauf nach.
Am 1. Januar war es so weit: Wolfgang Grupp trat von der Spitze des Textilherstellers Trigema mit Sitz im schwäbischen Burladingen ab. Er übergab die Firma an seinen Sohn Wolfgang und seine Tochter Bonita. Der 32-jährige Sohn übernimmt als persönlich haftender Gesellschafter und Geschäftsführer die Gesamtverantwortung, seine 34-jährige Schwester wird Teil der Geschäftsführung. „Ich vertraue ihren Fähigkeiten, den Fortbestand des Unternehmens zu gewährleisten und Trigema in eine sichere Zukunft zu führen“, sagte Wolfgang Grupp.
Kaum eine Nachfolge steht so im Fokus der Öffentlichkeit wie die von Trigema.
Wolfgang Grupp, ein Meister in Sachen Marketing, hat sie in der Öffentlichkeit regelrecht inszeniert. In den meisten Fällen entstehen Nachfolgeregelungen eher im Verborgenen – und oft auch mit größeren Schwierigkeiten. Bis zum Jahresende 2023 suchten etwa 190.000 Unternehmensinhaber einen Nachfolger. Ähnlich wie auf dem Arbeitsmarkt schlägt auch hier der demografische Wandel durch. Immer mehr Firmeneigentümer, die einen Nachfolger suchen, sind älter als 60 Jahre. Gegenwärtig ist ihr Anteil laut einer Untersuchung der Förderbank KfW auf 31 Prozent gestiegen. Nur jeder zehnte Inhaber ist jünger als 40 Jahre.
Offen für kreative Lösungen
Mit dem demografischen Wandel verändert sich die Einstellung der Nachfolgegeneration. Wie die Vielfalt der Lebensentwürfe in der Gesellschaft zunimmt, gilt das auch für Nachfolger. Sie können sich nicht nur die klassische Rolle als geschäftsführender Gesellschafter vorstellen, sondern auch die Übernahme anderer Positionen, zum Beispiel als Beirat. 68 Prozent der Nachfolgegeneration können sich eine Geschäftsführung vorstellen, die sich aus Familienangehörigen und externen Mitgliedern zusammensetzt, wie die Studie „Deutschlands nächste Unternehmergeneration“ der Stiftung Familienunternehmen zeigt. „Die steigende Vielfalt von Nachfolgelösungen macht es notwendig, Nachfolgeprozesse zu professionalisieren und vor allem frühzeitig einzuleiten“, sagt Reinhard Prügl, Professor am Friedrichshafener Institut für Familienunternehmen der Zeppelin Universität und Autor der Studie.
Grundsätzlich sind Kinder von Unternehmern bereit, in die Fußstapfen der Eltern zu treten. 70 Prozent können sich vorstellen, eine operative Führungsrolle im Familienunternehmen zu übernehmen, wie die Studie zeigt. Immerhin schließen aber 23 Prozent nicht aus, das Unternehmen zu verkaufen. Vor drei Jahren bei der letzten Befragung waren es 9 Prozentpunkte weniger. „Dies könnte mit den unterschiedlichen Krisenerfahrungen einerseits, aber auch den zunehmenden Berichten über Verkäufe auch sehr großer und traditionsreicher deutscher Familienunternehmen zu tun haben, wie zuletzt beispielsweise bei Viessmann oder anderen zu beobachten war“, erklärt Prügl.
Die Übernahme der Klimatechniksparte des Heizungsbauers Viessmann für zwölf Milliarden Euro durch den US-Konzern Carrier Global hat bei vielen Unternehmern zu einem Umdenken geführt. Ein Grund dafür: Sie glauben, mit einem finanzstarken Partner die grüne und digitale Transformation besser bewältigen zu können. Zudem sorgen die multiplen Krisen für Verunsicherung. Viele stellen sich die Frage, ob sie diese selbst bei einer hohen Eigenkapitalquote bewältigen können. Unternehmen würden in diesem Umfeld eher über einen Teilverkauf nachdenken, ist die Erfahrung von Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC.
Die kommende Unternehmergeneration habe großes Zutrauen in die Leistungs- und Innovationsfähigkeit ihrer Familienunternehmen sowie in die eigene Person und die Familie, sagt Prof. Dr. Rainer Kirchdörfer, Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Im Hinblick auf die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen beobachtet er beim Unternehmernachwuchs allerdings große Sorgen: „Dies zeigt sich gerade in den Befürchtungen einer stärkeren gesellschaftlichen Polarisierung und im Misstrauen gegenüber der Veränderungskraft unserer politischen Parteien.“ Auch hier spiegelt die Haltung der jungen Unternehmen die gesellschaftliche Entwicklung wider. Politische Parteien genießen mit 24 Prozent das geringste Vertrauen.
Die potenziellen Nachfolger glauben, dass die Politik die Anliegen von Familienunternehmen zu wenig wahrnimmt. „Insgesamt 75 Prozent sehen die hohe Belastung durch die Erbschaftsteuer als zentrale Herausforderung für die Weiterführung des Familienunternehmens“, sagt Prügl. Sie fordern daher Entlastungen bei der Erbschaftsteuer. Die Dringlichkeit der Entlastung wird insbesondere in Zeiten der Transformation und dem daraus resultierenden zusätzlichen Investitionsbedarf besonders deutlich, fügt er hinzu. Zudem sei das Image von Nachfolgen in der Gesellschaft weniger positiv im Vergleich zur Gründung eines neuen Unternehmens.
Die Nachfolge zeitig angehen
Unternehmensnachfolgen finden heute in einem sehr komplexen Umfeld statt. Wer eine Übergabe plant, sollte sich Zeit dafür nehmen und den Nachfolgeprozess so früh wie möglich in die Wege leiten. Worauf Unternehmer grundsätzlich achten sollten, lesen Sie in der „Checkliste für die Nachfolge“.
Bei der Nachfolgelösung von Trigema stand von Anfang an fest, dass Wolfgang Grupp das Familienunternehmen in die Hände seiner Kinder überträgt. Ursprünglich wollte er, dass nur ein Kind in der Firma das Sagen hat. Nun arbeiten beide an der Spitze des Unternehmens. Für Wolfgang Grupp stand immer im Vordergrund, dass sich seine Kinder, bei welcher Nachfolgeregelung auch immer, auch in Zukunft eng verbunden fühlen und es kein Zerwürfnis zwischen den Geschwistern gibt. Die Zukunft wird zeigen, ob das gelingt.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Dirk Wohleb
Bildnachweis: Westend 61 / Getty Images
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