Nachhaltigkeit als Change-Prozess
Unternehmen müssen ihre Standards in den Bereichen Umwelt, Soziales und Geschäftsführung verbessern, um gesetzliche Vorgaben und Kundenerwartungen zu erfüllen. Das gelingt nur, wenn die komplette Belegschaft Nachhaltigkeit verinnerlicht und in allen Abläufen selbstverständlich mitdenkt.
Für Maren Grondey ist Nachhaltigkeit keine Strategie. Es ist eine Lebenseinstellung: „Das bin ich. Ich achte darauf, wo meine Kleidung produziert wird und woher mein Essen kommt. Ich sitze im Winter nicht bei 22 Grad zu Hause. Ich fahre Fahrrad und verzichte auf Langstreckenflüge. Für mich ist das selbstverständlich, weil wir keine zweite Erde haben“, sagt die 47-jährige Unternehmerin, die gemeinsam mit ihrer Schwester Laura Grondey das Familienunternehmen Siemer Verpackung aus dem niedersächsischen Ronnenberg leitet. Da sie in ihrem Privatleben in jeder Entscheidung auf Nachhaltigkeit achtet, bringt sie das Thema als Chefin selbstverständlich auch in ihr Unternehmen.
Die 1906 gegründete Firma arbeitet klimaneutral. Emissionen, die sie nicht vermeiden kann, gleicht sie durch CO2-Zertifikate aus. „Unsere Kundschaft kann entscheiden, in welche Klimaschutzprojekte wir investieren, und den Fortschritt verfolgen“, sagt Grondey. Zudem ist das Thema Leitmotiv in allen Geschäftsbereichen: „Egal ob Gebäude, Fuhrpark oder Reisen – jede Entscheidung unterliegt dem Ziel, Emissionen komplett zu vermeiden, soweit es geht zu verringern oder zu kompensieren.“
Management muss Veränderungen gut begründen
Das wirkt sich natürlich auf den Arbeitsalltag der 33 Mitarbeiter aus und gelingt nur, wenn diese das Vorgehen ebenso verinnerlicht haben wie ihre Chefinnen. Dabei umfasst das Thema Nachhaltigkeit nicht nur Umweltaspekte, sondern auch Soziales und die Art der Unternehmensführung, zusammengefasst unter dem Label ESG (Environment, Social und Governance). Größere Veränderungen funktionieren nur, wenn sie den Mitarbeitern nicht einfach vorgesetzt, sondern gut begründet werden und die Führungsetage ihnen die Sicherheit vermittelt, dass ihre Arbeit damit nicht gefährdet, sondern vielmehr langfristig gesichert wird.
Carmen Hofmann ist Redakteurin und ESG-Officerin bei Lawpilots, einem E-Learning-Anbieter für rechtlich-regulatorische Onlineschulungen. Gemeinsam geht die 33-Jährige mit ihren Kunden die drei Teilbereiche von ESG durch und untersucht, ob alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
„Beim Thema Umwelt gibt es diverse Faktoren:
- Können wir Material mehrfach benutzen?
- Woher beziehen wir unsere Lebensmittel?
- Welche Putzmittel verwenden wir?
- Ermöglichen wir unseren Mitarbeitern, mit dem Rad oder der Bahn zu kommen?
- Können wir Dienstreisen durch Videocalls ersetzen?
- Stellen wir sicher, dass wir Strom sparen, indem wir abends alles ausschalten, also keine Geräte im Standby-Modus lassen?
Schon bei vermeintlich alltäglichen Entscheidungen können Unternehmen sehr viel für einen geringeren CO2-Fußabdruck tun, indem sie alle Geschäftsbereiche einem Check unterziehen“, sagt Hofmann.
Im Fall von Maren Grondeys Unternehmen Siemer Verpackung bedeutet das etwa, dass es stromsparende LEDs und Steckdosen mit Schalter zur Stromausstellung verwendet, recyceltes Kopier- und Toilettenpapier verwendet, eine 3.000 Quadratmeter große Photovoltaikanlage auf dem Dach hat und der Belegschaft Leasingfahrräder sowie Fairtrade-Arbeitskleidung und -Kaffee und zur Verfügung stellt.
Wertschätzung fördert Veränderungsbereitschaft
Auch was soziale Faktoren angeht, können die ESG-Schulungen von Lawpilots Unternehmen Möglichkeiten aufzeigen, nachhaltig zu sein, also auf Kontinuität und Langfristigkeit zu setzen. Mitarbeiter, die sich wertgeschätzt fühlen, wollen bleiben und sind offen für Veränderungen. „Darum ist es wichtig, für ausreichend Schutz und Sicherheit bei der Arbeit zu sorgen. Zudem gilt das Prinzip der Gleichbehandlung. Wer das Gefühl hat, im Vergleich zu Kolleginnen oder Kollegen aus derselben Abteilung benachteiligt zu sein, wird eher innerlich kündigen und wenig motiviert sein, Neuerungen umzusetzen“, sagt die Expertin. Ein wichtiger Indikator für Mitarbeiterzufriedenheit ist auch die Chance, gegen Missstände vorzugehen, und sei es anonym. „Ein wirksamer Whistleblower-Schutz ist ebenfalls ein Indikator für Nachhaltigkeit.“
Ziele und Auswirkungen transparent machen
Bleibt der Faktor Unternehmensführung. Zentral für den Erfolg zusätzlicher Maßnahmen im Arbeitsalltag ist, dass die Führungskräfte das Umdenken vorleben. Wenn die Chefin mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt, fällt es Angestellten leichter, selbst auf das Auto zu verzichten. Wenn sich das Unternehmen einen Code of Conduct verordnet hat, muss er nicht nur konsequent befolgt, sondern in seinen Zielen und Auswirkungen transparent gemacht werden. „Der Schlüssel einer guten Bindung zwischen Führungsebene und Belegschaft ist, dass sich die Mitarbeiter ernstgenommen fühlen. Das beginnt damit, sie in möglichst alle wichtigen Entscheidungen miteinzubeziehen“, sagt Carmen Hofmann. Entsprechend verfolgt Maren Grondey gemeinsam mit ihrer Schwester den Ansatz „Mitarbeiter first“. „Die Rechnung ist ganz einfach: Sind die Mitarbeiter zufrieden, sind es auch die Kunden“, so Grondey.
Allerdings betont Hofmann, dass Veränderungen hin zu mehr Nachhaltigkeit dann am effizientesten sind, wenn sie behutsam eingeführt werden und nicht als Zäsur daherkommen, bei der kein Stein auf dem anderen bleibt. „Es sind vor allem die kleinen Dinge im Alltag, die am Ende den Unterschied machen. Sie lassen sich Schritt für Schritt in die Arbeitsabläufe integrieren, ohne jemanden zu überfordern oder abzuschrecken.“
Wie viel CO2 kostet es, dreimal die Woche Schnitzel zu essen?
Das sieht auch Christopher Jahns so. Der promovierte Betriebswirt ist Gründer und CEO der Online-Education-Plattform XU, die sich an Beschäftigte richtet und sie in den Bereichen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und E-Mobilität weiterbildet. Zusammen mit Partnern hat er die XU School of Sustainability gegründet, ein Online-Qualifizierungsprogramm, das sich umfassend mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst.
Der 53-Jährige hält nichts vom erhobenen Zeigefinger oder davon, Druck auf die Belegschaft auszuüben. „Natürlich ist es gut, wenn der Chef in puncto Nachhaltigkeit vorbildlich handelt. Aber er muss kein Heiliger sein. Zielführender ist es, wenn er mit dem Team gemeinsam überlegt, wo es Verbesserungspotenzial gibt, und das an konkreten Beispielen festmacht. Wie viel CO2 kostet es, dreimal die Woche Schnitzel zu essen oder das Licht in Office und Produktion anzulassen? Das macht es anschaulich und nachvollziehbar.“ Hilfreich seien auch Multiplikatoren im Unternehmen, die Veränderungen vorleben und ihre Einführung begleiten.
Neben ökologischen und sozialen Gründen für mehr Nachhaltigkeit gibt es zwei, die zukunftsorientierten Unternehmen ohnehin keine Wahl lassen: gesetzliche Vorschriften und die Regeln des Marktes. Vor allem Letztere werden dafür sorgen, dass Nachhaltigkeit zu einem selbstverständlichen Faktor unternehmerischen Handelns wird, glaubt Jahns. „Der Turnaround kommt nicht durch Verbote oder Gutmenschentum, sondern weil Unternehmen damit mehr Geld verdienen. Wer nicht nachhaltig ist, schadet seinem Image und vergrault Kunden und Nachwuchstalente.“
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Gesa van der Meyden
Bildnachweis: Siemer
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