Nachhaltigkeitsdaten Mangelware
In Kreditgesprächen spielen Angaben zu Klimaschutz und -risiken eine wachsende Rolle. Je größer die Unternehmen sind, desto besser sind sie darauf vorbereitet. Doch die Banken beteuern: Allein von ESG-Daten hänge die Kreditvergabe aber noch nicht ab.
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Sprechen Unternehmen mit Banken über Kredite, ist der Austausch über Klima- und Umweltaspekte schon weit verbreitet. Wie sehr Unternehmensverantwortliche und Bankberater dabei ins Detail gehen, hing in der Vergangenheit jedoch stark von der Unternehmensgröße ab. Das verdeutlicht eine Studie der KfW, die Klaus Borger, Konjunkturexperte bei der Förderbank, zitiert: „2023 kam lediglich bei 15 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen, die Kreditverhandlungen führten, das Thema Nachhaltigkeit zur Sprache“, sagt er. Für größere Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern deutete sich die Relevanz allerdings schon an. Von ihnen wurde schon mehr als jedes Dritte (34 Prozent) auf Nachhaltigkeit angesprochen. „Das liegt auch daran, dass größere Unternehmen zum Teil bereits einer direkten Pflicht zur Berichterstattung zu Nachhaltigkeitsinformationen unterliegen“, begründet Borger. Die Europäische Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD etwa umfasst von Jahr zu Jahr mehr Firmen. Für das Berichtsjahr 2025 müssen bereits alle über ihre Sozial-, Umwelt- und Governance-Aktivitäten berichten, die mehr als 250 Mitarbeiter beschäftigten, deren Bilanzsumme 20 Millionen Euro übersteigt beziehungsweise die mehr als 40 Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen.
„Dieser regulatorische Druck wird auch auf Banken übertragen“, sagt Reinhold Rickes, Chefvolkswirt des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV). Die Bankenaufseher bei der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) formulieren regelmäßig in Rundschreiben und anderen Dokumenten ihre Erwartungen an die Klimabilanz der Institute und ihrer Portfolios. Die KfW hat ausgerechnet, dass für eine vollständige Transformation Deutschlands zur Klimaneutralität bis 2045 allein in der Industrie Investitionen von 620 Milliarden Euro nötig wären. Diese Summe in sinnvolle Bahnen zu leiten, ist eben auch Aufgabe der Banken.
Abfrage mit Augenmaß
Gleichzeitig ist den Instituten bewusst, dass die Beschaffung von ESG-Daten für Unternehmen eine zusätzliche Belastung bedeutet und besonders kleinere Firmen schnell an ihre Grenzen kommen. Deshalb bemühen sie sich darum, den Aufwand für ihre Firmenkunden gering zu halten. Die Sparkassen etwa bieten ihren Kunden Tools wie den eigens entwickelten S-ESG-Score und die Nachhaltigkeitsmanagement-Software Nawisio an, um Unternehmen bei der Erhebung und Strukturierung von ESG-Daten zu unterstützen, sagt Rickes und fügt hinzu: „ESG-Daten allein sind nicht entscheidend für die Finanzierung“, vielmehr sei es das Zusammenspiel aus Bonität und Nachhaltigkeitsrisiken. „Maßgeblich für den Kreditzins sind im Zuge jeder Kreditvergabe die Sicherheiten und die Kapitaldienstfähigkeit“, sagt auch Philipp Schultheiß, Abteilungsleiter Grundsatzfragen beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR).
Kreditentscheidungen würden nach wie vor dadurch bestimmt, wie solide Banken ein Geschäftsmodell bewerten. Wobei es durchaus Konstellationen gibt, in denen eine gute Bonität allein nicht mehr ausreicht. Zum Beispiel bei Unternehmen aus Branchen, in denen der Klimawandel das Geschäftsmodell gefährden kann.
Längst ökonomische Realität
Tatsächlich sind Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in vielen Unternehmen längst nicht mehr voneinander zu trennen. „Marktpräferenzen, Energiekosten, CO2-Preise verändern sich gerade auf globaler Ebene und haben einen Einfluss auf die Tragfähigkeit von Geschäftsmodellen“, sagt Joshua Jung, Expertise Lead Sustainable Steering & Transition bei der ING Deutschland. „Auch wenn das Thema in der öffentlichen Debatte gefühlt in den Hintergrund gerät, sind diese Veränderungen zur ökonomischen Realität geworden oder sie sind auf einem guten Weg dahin.“ Die ING prüfe deshalb stets die Resilienz von Unternehmen und achte darauf, ob die Transformation in Richtung Nachhaltigkeit bereits finanzielle Folgen habe oder aber ob sich durch sie neue Chancen ergäben.
Ein Beispiel dafür ist der EU-Emissionshandel, der für Industriebetriebe und Energieerzeuger den jährlich erlaubten Treibhausgasausstoß deckelt. In der Vergangenheit hat die EU viele Zertifikate kostenlos vergeben, um den Druck abzufedern. Doch in den kommenden Jahren müssen mehr und mehr Emissionsrechte selbst erworben werden.Wer bei Energieeffizienz und Klimaschutz zu langsam ist, dem drohen somit jährlich steigende Kosten. Zunehmend wird auch Biodiversität mit in die Analyse einbezogen. Dabei geht es vor allem um sogenannte Ökosystemdienstleistungen, etwa fruchtbare Böden, sauberes Wasser, Insektenbestäubung oder andere Rohstoffe aus der Natur. Laut einem Bericht des Davoser Weltwirtschaftsforums können rund 50 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, gut 44 Billionen US-Dollar, nur erbracht werden, weil Tiere, Pflanzen und Ökosysteme ihren Teil dazu beitragen. „Die Abhängigkeiten von industrieller Fertigung von kostenlosen Ökosystemdienstleistungen sind in manchen Bereichen enorm“, sagt Jung. „Wenn zum Beispiel ein Unternehmen für einen Prozess sauberes Wasser braucht, muss es den Zugang zu diesen Ressourcen langfristig und unter Berücksichtigung von klimatischen Veränderungen sichern.“ Einer Studie der Beratung Oliver Wyman zufolge beziehen erst zwölf Prozent der befragten Banken Biodiversität in Kreditentscheidungen ein. Doch die Autoren erwarten, dass die Quote in den kommenden Jahren enorm steigen wird.
Transformation finanzieren
Ebenfalls wichtig für Banken ist die Strategie, die Unternehmen langfristig verfolgen. Die Hypovereinsbank (HVB) etwa frage nicht nur die Transitionsrisiken ab, „also Risiken, die direkt oder indirekt aus dem Prozess der Veränderung hin zu einer emissionsarmen, umweltfreundlichen und nachhaltigen Wirtschaft resultieren“, sagt Andreas Rees, Chefvolkswirt der HVB. Das Institut bewerte auch den gegebenenfalls bestehenden Transitionsplan. Die Institute wollen verstehen, wo ihre Kunden gerade bei der grünen Transformation stehen und wo sie hinwollen. Denn sowohl im eigenen als auch im volkswirtschaftlichen Interesse können sie nicht nur die Vorreiter finanzieren. Sie müssen auch jene mit Darlehen unterstützen, die in Sachen Nachhaltigkeit und Klimaschutz erst am Anfang stehen.
Reinhold Rickes vom DSGV sagt, dass die Sparkassen „Unternehmen aktiv bei ihrer nachhaltigen Transformation begleiten“. Das Gleiche bekräftigt Philipp Schultheiß vom BVR. Einen Einfluss auf die Finanzierungskonditionen wird Nachhaltigkeit seiner Einschätzung nach dennoch haben. „Ein guter ESG-Score wird perspektivisch wichtiger. Er beeinflusst nicht die grundsätzliche Bereitschaft zur Finanzierung, kann aber künftig schon Auswirkungen auf den Zins haben.“
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
Bildnachweis: Getty Images
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