Sicherheit hat ihren Preis
Die neue Zahlungsdienstrichtlinie soll Verbraucher schützen – und könnte ein Zahlungsmittel beflügeln, das sie ohnehin sehr schätzen: den Kauf auf Rechnung.
Es ist die Sorge jedes Onlinehändlers: Der Kunde hat seinen Warenkorb gefüllt, bricht aber den Kauf vor dem Bezahlvorgang ab. Vielleicht, weil er plötzlich unsicher ist. Vielleicht aber auch, weil ihm die Abwicklung zu kompliziert erscheint. Laut Befragungen haben selbst drei von vier Angehörigen der onlineaffinen Generation Z, also der heute 15- bis 25-Jährigen, im ersten Halbjahr 2019 einen Onlinekauf abgebrochen, weil sie den Prozess als „unbefriedigend“ empfanden. Gut möglich, dass bald noch sehr viel mehr E-Commerce-Kunden ihren Einkaufswagen vor der Kasse stehen lassen. Denn seit dem 14. September ist die Bezahlung von Onlinekäufen in vielen Fällen aufwendiger geworden.
Mitte September ist die Payment Service Directive 2, kurz PSD2, in Kraft getreten, eine vom europäischen Gesetzgeber überarbeitete Zahlungsdienstrichtlinie. Sie soll das Bezahlen im Netz sicherer machen. Doch zunächst stellt sie vor allem Onlinehändler vor enorme Herausforderungen. Denn um Betrugsfälle zu reduzieren, verlangt die Richtlinie bei elektronisch ausgelösten Zahlungen eine sogenannte Zwei-Faktor-Authentifizierung. „Der Zahlende muss seine Identität durch zwei voneinander unabhängige Merkmale aus den Kategorien Wissen, Besitz und Inhärenz bestätigen“, sagt Daniel Blasberg, Produktmanager CrefoPay beim Verband der Vereine Creditreform. Konkret kann eine Prüfung zum Beispiel erfolgen, indem ein Verbraucher ein Passwort („Wissen“) und einen Fingerabdruck („Inhärenz“) nutzt oder indem er eine PIN („Wissen“) und ein Handy („Besitz“) zur Legitimation verwendet. Die Verfahren können je nach Bank oder Sparkasse variieren – das macht die Sache für Händler und Verbraucher unübersichtlich. Hinzu kommt eine Reihe von Ausnahmen, in denen die starke Kundenauthentifizierung entfallen kann, etwa wenn es um Beträge von weniger als 30 Euro geht oder um wiederkehrende Zahlungen.
Die beliebtesten Zahlungsarten im deutschen Online-Handel
- 27,9% Rechnung
- 20,5% Paypal
- 20,1% Lastschrift
- 10,7% Kreditkarte
- 5,4% Ratenkauf
- 4,5% Ratenkauf
- 11,3% Sonstige
Quelle: EHI Retail Institute; gemessen am Umsatz 2018
Bafin gewährt Schonfrist
Die Kreditkartenindustrie setzt als Lösung auf das speziell entwickelte Verfahren 3D Secure 2 (3DS2): Kartenzahlungen werden über 3DS2 mit einer Anfrage an die Bank des Kunden versehen, ob eine starke Authentifizierung erforderlich ist oder nicht. Je nach Rückmeldung wird der Kunde gebeten, die Zwei-Faktor-Authentifizierung auszuführen – oder die Transaktion ohne weitere Eingaben abzuschließen. Bis dieses Verfahren zum Einsatz kommt, wird jedoch noch Zeit vergehen. Denn Ende August, drei Wochen vor Inkrafttreten der Zahlungsrichtlinie, teilte die Finanzaufsicht Bafin mit: Kreditkartenzahlungen dürfen bis auf weiteres nach den bisher geltenden einfacheren Sicherheitsbestimmungen abgewickelt werden. Damit will die Behörde „Störungen bei Internetzahlungen verhindern und einen reibungslosen Übergang auf die neuen Anforderungen ermöglichen“. Gerade im Handel gebe es „nach wie vor erheblichen Anpassungsbedarf“, beobachtet die Bafin. Wann die Schonfrist endet, ist offen. „Das Ergebnis ist ein Flickenteppich unterschiedlicher Bestimmungen, sowohl in Deutschland als auch in anderen EU-Ländern“, sagt Daniel Blasberg.
Zurück zur Rechnung
Er ist davon überzeugt, dass viele Privatkunden von den zusätzlichen Autorisierungsmechanismen und den vielen nicht transparenten Ausnahmeregelungen überfordert sein werden und Kaufprozesse häufiger abbrechen. „Einschlägige Auswertungen zeigen, dass viele Onlineshops bereits negative Auswirkungen spürten, wenn das Vorgängersystem 3D-Secure zum Einsatz kam.“
Die Dienste von CrefoPay und auch von Creditreform Boniversum, als Spezialist für zuverlässige Bonitätsprüfungen, sind nach Einführung von PSD2 mehr denn je gefragt. „Da auch Zahlungsdienste wie PayPal betroffen sind, gewinnen klassische Zahlungsverfahren wie der Kauf auf Rechnung oder die Lastschrift künftig möglicherweise noch größere Bedeutung“, erwartet Blasberg. Für diese nicht elektronisch ausgelösten Verfahren gelten die Vorschriften der PSD2 nicht. Das bedeutet aber auch: E-Commerce-Händler benötigen mehr denn je treffsichere, verlässliche Informationen über die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ihrer Kunden, um ihnen ohne großes Risiko etwa einen Kauf auf Rechnung anzubieten.
Mehr Wettbewerb
Die Zahlungsrichtlinie bringt Bewegung in die Finanzbranche. Denn mit Inkrafttreten von PSD2 ergeben sich neue Möglichkeiten für Fintechs und Zahlungsdienstleister. Sie können per Schnittstelle Kontoinformationen der vergangenen 90 Tage wie Umsätze, Salden und Vormerkposten bei der kontoführenden Bank oder Sparkasse abrufen und bereiten diese für Kunden auf. Voraussetzung dafür ist, dass der Kunde am Online-Banking teilnimmt und dem Datenabruf zugestimmt hat. Ziel ist ein sogenanntes Open-Banking-Ökosystem, in dem auch Dritte bankennahe Dienstleistungen anbieten können.
Quelle: Magazin „Creditreform“
Text: Stefan Weber
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