„Talente akquirieren ist wahnsinnig wichtig“
Digitalisierung und Innovation – das soll Miele X in die Konzernzentrale nach Gütersloh und in andere Standorte tragen. Curt Simon Harlinghausen ist Managing Director der Unit mit Startup-Flair in Amsterdam. Er weiß, wie Transformation auch für kleinere Unternehmen funktionieren kann.
Herr Harlinghausen, was bedeutet Digitalisierung bei Miele?
Bei der Digitalisierung unseres Unternehmens gibt es mehrere große Bereiche: die Digitalisierung der Vermarktung, die der Produkte und die von Prozessen sowie der Infrastruktur. Um sie voranzutreiben, haben wir verschiedene Kompetenz- und Kraftzentren geschaffen. Eines davon ist Miele X. Wir kümmern uns um die Digitalisierung der Vermarktung und der Kundenjourney.
Welche gibt es noch?
Die IT-Abteilung in Gütersloh mit über 300 Beschäftigten. Ein weiteres Kraftzentrum ist unser Bereich Smart Home Electronics. Das sind zwei Elektronikwerke, eins in Gütersloh und eins in Brasov, Rumänien, wo die Elektroniken für unsere Geräte hergestellt werden. Und das ganze Thema smarte, innovative Features, vernetzte Geräte, digitale Services der Geräte – das macht diese Smart Home Unit auch.
Warum wird die Vermarktung von Amsterdam aus digitalisiert?
Internationale und digitalerfahrene Menschen, die wir für unsere digitale Transformation brauchen, – etwa Programmierer, Daten-Experten und E-Commerce-Manager – in ausreichender Zahl nach Amsterdam zu bekommen, ist einfacher als nach Gütersloh. Talente wie diese gehen bevorzugt in eine großartige Metropole mit sehr internationalem, auch sehr digitalem Flair. Und: Steuerliche Vorteile hat es auch.
Wie macht sich das für Ihre Mitarbeiter bemerkbar?
Hier in Amsterdam haben wir beispielsweise eine große indische Community. Das macht es leichter für Neuzugänge, Anschluss zu finden. Bei Miele X arbeiten Menschen aus 44 Nationen und es wird primär Englisch gesprochen. Das hilft auch. Diversity ist ein essenzieller Wert für uns und eine Säule unseres Erfolgs. 55,5 Prozent unserer Beschäftigten sind Frauen. Selbst im Management ist unsere Quote 50/50.
Und wie gelangt das Wissen von Miele X an die anderen Standorte?
Wir haben eine Wissensplattform, die wir Skillbook nennen. Dort werden alle Projekte geteilt, alle Erfolge, alles, was wir gelernt haben, auch die Misserfolge. So können unsere Kollegen und Partner, die nicht in dem Prozess beteiligt waren, das relativ einfach reproduzieren. Viel wichtiger ist aber die Zusammenarbeit. Wir arbeiten sehr eng in interdisziplinären Teams zusammen. Das heißt, je nach Projekt kommen Kollegen von anderen Standorten hinzu, so, dass wir gemeinsam an einem Projekt arbeiten. Sie kommen aus der ganzen Welt zu uns.
Wie sorgen Sie dafür, dass nicht jeder für sich bleibt?
In dem Bürokomplex, in dem Miele X ansässig ist, gibt es Apartments, die der Community zur Verfügung stehen. Wer projektbezogen zu uns kommt, übernachtet bei uns im selben Gebäude direkt über dem Büro. Das heißt, der Tag hört nicht um 17 Uhr auf, sondern man geht abends gemeinsam essen oder zum Sport. Oder trifft sich morgens in der Küche. Dieser Austausch, den fördern wir enorm. Zum Beispiel gibt es bei uns rote Tische, da sollen keine Kollegen sitzen, die sich kennen. Wenn etwa aus Gütersloh Beschäftigte kommen, müssen sie sich verteilen.
Was waren Ihre wichtigsten Projekte bislang?
Wir haben beispielsweise dafür gesorgt, in der Technologie zu homogenisieren und zu standardisieren. Miele hatte vor Miele X unterschiedliche Shopsysteme in den einzelnen Ländern. Wir haben dies schon wesentlich zusammengeführt. Denn nur wenn wir Standards haben, können wir weitergehen in Richtung Automatisierung. Und dann können auch Themen wie Machine Learning und Künstliche Intelligenz hinzukommen, mit dem Ziel, die Standorte in den einzelnen Ländern zu entlasten.
Was noch?
Wir arbeiten gerade daran, alle Daten rund um die Kunden an einem Punkt zu sammeln. Stellen Sie sich vor: Wenn eine Kundin oder ein Kunde das Servicecenter anruft, möchte sie oder er nicht jedes Mal dieselbe Story erzählen müssen, damit man Hilfe bekommt. Mithilfe der Daten wollen wir unsere Kundenzentrierung erhöhen und dabei auch ihren Bedürfnissen Rechnung tragen, wie wir mit den Daten umgehen. So wollen wir, natürlich DSGVO-konform, sicher und kundenzentriert Einfachheit erzeugen. Sie haben lange in der Beratung gearbeitet – auch für kleinere Unternehmen.
Was können Firmen tun, die keine Ressourcen haben, um einen neuen Standort zu eröffnen?
Es gibt drei Dinge, um die sich jedes Unternehmen unabhängig von seiner Größe kümmern kann. Erstens: Leuchtturm-Talente akquirieren. Das ist wahnsinnig wichtig, denn sie bringen nicht nur Erfahrung und Wissen über neue Technologien und Methoden mit. Sie stimulieren auch das Mindset der Mitarbeiter, die bereits da sind. Und wenn ich die ersten Talente akquiriert habe, wird es einfacher, denn Talente ziehen weitere Talente an. Zweitens: Eine Vision entwickeln. Ich muss wissen, wohin die Reise gehen soll. Das ist auch bei der Talentakquise wichtig. Junge Menschen wollen wissen, wie ihr Entwicklungspfad aussieht. Sich um diese Entwicklung zu kümmern, das macht bei uns 30 Prozent der Managementaufgaben aus. Und drittens: Agiles Arbeiten konsequent einführen, leben und weiterentwickeln. Herr Harlinghausen, Miele X ist Ihre erste Festanstellung. Sie sind ein Gründer und Investor im Konzern.
Mussten Sie auch mal schmunzeln?
Klar! Miele ist besonders kreativ bei Abkürzungen. Als uns das aufgefallen ist, haben wir ein Verzeichnis erstellt mit 15.600 Abkürzungen und sie auf die meistgenutzten 5.000 beschränkt. So sollen alle, die neu anfangen, und auch wir wissen: Wir reden über dasselbe.
Zur Person
Curt Simon Harlinghausen ist Geschäftsführer von Miele X, dem Digital Hub der Miele Gruppe mit gut 210 Beschäftigten. Zudem ist Harlinghausen Teilhaber und Investor in weiteren Digitalunternehmen im In- und Ausland und ein gefragter Speaker über digitale Zukunft, Erfolgsstrategien und E-Commerce. Der 50-Jährige sitzt in zwei Aufsichts- beziehungsweise Beiräten und engagiert sich bei der Initiative Beyond Gender Agenda für die Themen Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion. Vor Miele X hat er mehrere Digitalunternehmen gegründet und Firmen bei der Digitalisierung unterstützt.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Tanja Könemann
Bildnachweis: Tilman Schenk/ Miele X
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