Zahlungsmoral wackelt
In der Corona-Krise haben viele Lieferanten ihre Zahlungsziele gekürzt. Trotzdem kamen sie häufig nicht schneller an ihr Geld. Denn viele Gläubiger ließen sich mit der Begleichung von Rechnungen mehr Zeit.
Es klingt zunächst nach einer guten Nachricht: Die durchschnittliche Laufzeit von Forderungen im B2B-Geschäft hat sich im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Zeitraum Januar bis Juni 2019 leicht verkürzt. Kreditgeber mussten zuletzt also weniger lange auf die Begleichung ihrer Rechnungen warten. Laut einer Analyse des Creditreform Debitorenregisters Deutschland (DRD) hatten sie ihr Geld im Mittel nach 42,88 Tagen auf dem Konto; im Vorjahr waren es 43,11 Tage gewesen. Bei genauem Hinsehen gibt die Auswertung von 3,5 Millionen Rechnungen, die Creditreform Wirtschaftsforscher vorgenommen haben, jedoch Anlass zur Sorge. Denn die Forderungslaufzeiten verkürzten sich nicht etwa deshalb, weil Schuldner pünktlicher zahlten. Der Grund war vielmehr, dass Lieferanten ihre Zahlungsziele kappten – von durchschnittlich 32,33 Tagen auf 32,06 Tage. „Hier zeigt sich das in der Corona-Wirtschaftskrise gestiegene Risikobewusstsein vieler Unternehmen. Insbesondere Großhändler als typische Lieferantenkreditgeber haben ihren Kunden zuletzt deutlich kürzere Zahlungsziele eingeräumt“, erläutert Janine Stappen, Abteilungsleiterin DRD beim Verband der Vereine Creditreform.
Sorge vor Zahlungsausfällen
Leidtragende waren vor allem kleinere Unternehmen (weniger als 50 Beschäftigte). Bei ihnen hatten die Kreditgeber offensichtlich häufiger Sorge vor Zahlungsausfällen und versuchten, ihr Risiko mit einem verkürzten Zahlungsziel zu reduzieren. Komfortabler war die Situation für große Unternehmen (mehr als 250 Beschäftigte). Sie kommen ohnehin häufig in den Genuss vergleichsweise üppiger Zahlungsziele, die sich in den ersten sechs Monaten 2020 nochmals von 34,81 Tagen auf 35,75 Tagen verlängerten.
Diese Entwicklung stellt das Liquiditätsmanagement kleiner Unternehmen vor Herausforderungen. Sie laufen Gefahr, in eine unangenehme Sandwichposition zu geraten: Zahlungseingänge verschieben sich, weil sie großen Kunden mehr Zeit für die Begleichung ihrer Rechnung einräumen, um diese an sich zu binden. Dagegen drängen Lieferanten auf frühzeitigere Bezahlung. „Damit droht eine Kettenreaktion, insbesondere in stark verflochtenen Wirtschaftsbereichen, bis hin zu vermehrten Insolvenzanmeldungen“, betont Janine Stappen.
Durchschnittliche Verzugsdauer gestiegen
Die Laufzeit einer Forderung setzt sich zusammen aus dem Zahlungsziel und einem eventuellen Zahlungsverzug. Kürzere Zahlungsziele führen nur dann zu einem rascheren Geldeingang, wenn die Schuldner auch pünktlich zahlen. Das war jedoch im Verlauf des ersten Halbjahrs seltener der Fall. Die durchschnittliche Verzugsdauer der von Creditreform untersuchten Rechnungsbelege betrug 10,82 Tage, gegenüber 10,69 Tagen im ersten Halbjahr 2019. Vor allem Unternehmen aus den Branchen Chemie/Kunststoffe (plus 2,14 Tage auf 10,87 Tage) und Grundstoffe (plus 1,63 Tage auf 12,91 Tage) zahlten häufiger verspätet. Am meisten Geduld benötigten nach wie vor Gläubiger von Baubetrieben. Forderungen an sie waren zuletzt um durchschnittlich 16,35 Tage überfällig – leicht länger als im ersten Halbjahr 2019. Pünktliche Zahler kamen im Zeitraum Januar bis Juni vor allem aus der Konsumgüterindustrie (Zahlungsverzug: 8,37 Tage) sowie aus dem Handel (8,84 Tage).
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Stefan Weber
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