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Patrik-Ludwig Hantzsch
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Ende 2016 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der auch Regelungen zur „Zweiten Chance“ für Schuldner und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Insolvenz- und Entschuldungsverfahren vorsah. Dieser Vorschlag beinhaltete insbesondere eine Verkürzung der Entschuldungsfrist auf höchstens drei Jahre
Ende 2016 hat die Europäische Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der auch Regelungen zur „Zweiten Chance“ für Schuldner und Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Insolvenz- und Entschuldungsverfahren vorsah. Dieser Vorschlag beinhaltete insbesondere eine Verkürzung der Entschuldungsfrist auf höchstens drei Jahre. Im Ergebnis bedeutete dies eine Halbierung der bisher in Deutschland geltenden Wohlverhaltensperiode von sechs Jahren auf zukünftig drei Jahre.
Stärker als die Unternehmensinsolvenzen verringerten sich die Verbraucherinsolvenzen im Jahr 2018. Um 4,7 Prozent bzw. 3.360 Personen nahm deren Zahl auf noch 68.600 Fälle ab (2017: 71.960). Ein vergleichbarer Wert wurde zuletzt im Jahr 2005 (68.900) verzeichnet. Ausschlaggebend für den anhaltend positiven Trend war vor allem die gute Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland. Die Arbeitslosenquote lag auf dem niedrigsten Stand seit 1990. Die Bruttolöhne und -gehälter der Arbeitnehmer waren im um rund 2,7 Prozent höher als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt kürzlich meldete. Die weiter rückläufige Zahl an Verbraucherinsolvenzen korrespondiert mit der Abnahme der Zahl hart überschuldeter Verbraucher, die bereits gerichtliche Negativeinträge aufweisen – so der Schuldneratlas im Hinblick auf harte Negativmerkmale. (vgl. Creditreform SchuldnerAltas 2018). So können offenbar wieder mehr Verbraucher bestehende Überschuldungstendenzen abbauen. Der Schritt zur Verbraucherinsolvenz ist aber in Deutschland weiterhin ein probates Mittel, um einer ausweglosen Überschuldungssituation zu entkommen. In den letzten zehn Jahren (2009 bis 2018) machten rund 890.000 Personen davon Gebrauch.
Die deutsche Inkassowirtschaft befürchtet für Gläubiger massive Nachteile durch eine Verkürzung der Privatinsolvenz auf nur noch drei Jahre. „Deutschland braucht kein Turbo-Insolvenzverfahren. Das schafft falsche Anreize und dürfte von vielen als regelrechte Einladung zum Schuldenmachen missverstanden werden“, warnt jetzt Kirsten Pedd, Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen e. V. (BDIU).
Nach Ansicht des BDIU könnte die Zahl der Privatinsolvenzen deutlich in die Höhe schnellen. „Eine Verdoppelung oder Verdreifachung ist nicht unrealistisch“, so Pedd. Rund 7 Millionen Deutsche gelten als überschuldet. „Theoretisch könnte jeder von ihnen ein Insolvenzverfahren beantragen. Die Justiz wäre von einem solchen Ansturm völlig überfordert. Die Finanzierung dieser Verfahren müsste in den meisten Fällen der Steuerzahler auffangen. Eine solche Schuldenbefreiung auf Kosten der Allgemeinheit wäre ungerecht und teuer für uns alle.“
Besonders bitter sähe die Bilanz für die Gläubiger aus. Sie dürften in den meisten Fällen leer ausgehen. Pedd stellt klar: „Es geht um berechtigte Zahlungsansprüche aus Kauf-, Liefer- oder Dienstleistungsverträgen. In Summe reden wir hier über Milliardenbeträge im mindestens zweistelligen Bereich. Dieses Geld steht den Unternehmen zu. Wenn sie darauf verzichten müssen, gefährdet das wirtschaftliche Existenzen und Millionen von Arbeitsplätzen.“
„Die Bundesregierung sollte bei der Umsetzung der geplanten EU-Richtlinie Augenmaß bewahren“, so Pedd. Insbesondere sollte sie Regelungen dafür schaffen, dass bei einem Verstoß des Schuldners gegen geltende Vereinbarungen oder Gesetze längere Entschuldungsfristen gelten und Schuldenbefreiungen versagt werden. „Schon heute hat Deutschland europaweit das schuldnerfreundlichste Vollstreckungsrecht. Kommt jetzt noch die Verkürzung der Privatinsolvenz hinzu, werden wir ein attraktives Ziel für Insolvenztourismus innerhalb der EU. Für unsere Wirtschaft wäre das eine erhebliche Belastung“, warnt Pedd.
„Sinnvoller, als Gerichte mit der Lösung dieser Fälle zu beanspruchen, wären außergerichtliche Einigungen zwischen Gläubigern, deren Vertretern und den Schuldnern. Das entlastet die Justiz und ist fair für alle Seiten. Vor allem für Schuldner ist das auch immer noch der beste Weg, um einen nachhaltigen wirtschaftlichen Neuanfang zu schaffen.“
Zugrunde liegt den politischen Bestrebungen der seit jeher im anglo-amerikanischen Recht existierende und schon seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts immer stärker auf Europa übergreifende „Discharge“-Gedanke, nach dem Schuldnern nach einer Insolvenz möglichst schnell eine zweite Chance zur erneuten Teilhabe am Wirtschaftsgeschehen eingeräumt werden soll. Demgemäß war es letztlich der politische Wille aller Beteiligten, eine Richtlinie mit einer deutlich verkürzten Laufzeit zu verabschieden, und die Aktivitäten im Sinne der Gläubiger erwiesen sich am Ende als vergeblich. In rund 75 Prozent aller Verbraucherinsolvenzverfahren erfolgen ohnehin keinerlei Ausschüttungen an die Gläubiger. Doch solange die Verfahren dauern, müssen die Gerichte sie auch verwalten. „Hier lassen sich Zeit und Kosten in Millionenhöhe einsparen“, betont Kai Henning, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Sprecher der Arbeitsgruppe „Verbraucherinsolvenz in der Arbeitsgemeinschaft“. Besonders wichtig ist Henning noch ein weiterer Aspekt: „Die Restschuldbefreiung nach drei Jahren erleichtert die wirtschaftliche Resozialisierung überschuldeter Privatpersonen.“
Fazit: Noch nie war es so wichtig, Inkassomaßnahmen rechtzeitig – und bevor der Schuldner unter das Dach des Insolvenzrechts schlüpft – durchzuführen.
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