Signa: Was bleibt für die Gläubiger?
Es ist die größte Pleite der Geschichte Österreichs. Nehmen wir alle Gesellschaften des Signa-Konzerns von Rene Benko zusammen landen wir bei Schulden von bis zu 20 Milliarden Euro. Seit drei Monaten machen die Insolvenzverwalter der verschiedenen Gesellschaften zu Geld, was zu Geld zu machen ist. Was bleibt von Signa und was erhalten die vielen Gläubiger? Genau um diese Fragen geht es in der neuesten Folge des Creditreform Podcasts Gute Geschäfte.
Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Österreichischen Verbandes Creditreform, erklärt im Gespräch mit Tanja Könemann (Handelsblatt Media Group), wie es jetzt für Signa und die Gläubiger weitergeht. Eins wird her schon verraten: Letztere werden noch viel Geduld brauchen.
Lesen statt hören: Podcastfolge #27 zum Nachlesen
Zitat 1 [00:00:01] Baustopp beim Elbtal in Hamburg. Ist Immobilieninvestor Rene Benko nicht mehr in der Lage, die Gehälter zu bezahlen.
Zitat 2 [00:00:08] Ist Benko damit am Ende?
Zitat 3 [00:00:11] Es zieht weite Kreise, denn circa 120 Banken haben Signa Kredite vergeben.
Zitat 4 [00:00:17] Rene Benko steht möglicherweise auch vor einer Privatinsolvenz.
Tanja Könemann [00:00:21] Es ist die größte Pleite der Geschichte Österreichs. Nehmen wir alle Gesellschaften des Signa-Konzerns von Rene Benko zusammen landen wir bei Schulden von bis zu 20 Milliarden Euro. Seit drei Monaten machen die Insolvenzverwalter der verschiedenen Gesellschaften zu Geld, was zu Geld zu machen ist. Was bleibt von Signa und was erhalten die vielen Gläubiger? Genau um diese Fragen geht es hier heute.
Jingle [00:00:50] Gute Geschäfte - Business Wissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.
Gerhard Weinhofer [00:01:00] Signa wird dann ein ganz anderes Unternehmen sein. Also es wird nicht mehr ein Milliardenkonzern sein. Die wesentlichen Assets werden verkauft worden sein. Es wird sicher etwas mehr als eine Hülle übriggeblieben sein, aber es wird nicht mehr das Signa sein, das wir bisher gekannt haben.
Tanja Könemann [00:01:10] Mein Name ist Tanja Könemann.
Christian Raschke [00:01:12] Und mein Name ist Christian Raschke.
Tanja Könemann [00:01:18] Und wir begrüßen Sie heute zu einer ganz besonderen Folge von Gute Geschäfte.
Christian Raschke [00:01:25] Ja, das wird eine tolle Folge, Tanja. Ich freue mich. Und zwar ist das Format heute ein bisschen anders. Wir sind länger als sonst und unser Thema ist hochaktuell. Wir haben uns die letzten Wochen, natürlich wie viele andere auch, intensiv mit diesem Wirtschaftskrimi beschäftigt. Mit der Pleite der Signa Gruppe.
Tanja Könemann [00:01:43] Und der Mann, den wir hier gerade gehört haben, ist Gerhard Weinhofer. Mit ihm haben wir für diesen Podcast mehrfach gesprochen und seine Aussagen aufgezeichnet. Zuletzt einen Tag nach Bekanntgabe der Sanierungspläne der Signa Gesellschaften Prime und Development. Weinhofer ist Österreicher und er hat in diesem Fall eine ganz besondere Rolle. Als Geschäftsführer von Creditreform Österreich begleitet er die Insolvenz von Signa so eng wie nur wenige andere. Er ist also unser Insider.
Christian Raschke [00:02:13] Genau, er wird uns heute ganz tiefe Einblicke in das Verfahren oder in die Verfahren rund um die Signa Gruppe gewähren. Warum kann er das? Weil Creditreform in Österreich eine etwas andere Rolle hat als Creditreform in Deutschland. Sie sind dort nicht nur Wirtschaftsauskunftei und Inkassodienstleister wie hier, sondern das nennt sich - ich habe es mir aufgeschrieben - bevorrechteter Gläubigerschutzverband. Was ist das? Das ist, wie gesagt, eine Besonderheit im österreichischen Insolvenzrecht. Und da gibt es einige davon, von diesen bevorrechteten Gläubigerschutzverbänden. Und die haben eben besondere Privilegien, zum Beispiel bevorzugte Akteneinsicht. Und die dürfen Gläubiger in Insolvenzverfahren vertreten, was Creditreform Österreich und Weinhofer eben auch tun.
Gerhard Weinhofer [00:03:02]
Wir vertreten hier quer durch alle Branchen die Interessen von Gläubigern. Kunden mit Millionenforderungen, die sich entschieden haben sich von uns in diesem Verfahren vertreten zu lassen.
Christian Raschke [00:03:21] So, und in dieser Funktion sitzt Gerhard Weinhofer jetzt also unter anderem mit im Gläubigerausschuss der Insolvenzverfahren der Signa Prime und der Signa Development. Das sind ja die zwei wichtigsten Gesellschaften, in denen ein Großteil des Vermögens von Signa steckt, aber auch ein Großteil der Schulden. Und in der nächsten halben Stunde wird Weinhofer seine Einblicke mit uns teilen und mit uns aufschlüsseln, wie sich diese beiden Hauptverfahren entwickeln.
Gerhard Weinhofer [00:03:47] Wie läuft die Fortführung? Kann dieser Fortbetrieb kostendeckend durchgeführt werden? Dann das Thema der Bewertungen der Assets. Das ist ein ganz wesentliches Thema, denn am Ende des Tages ist dann die Frage der Angemessenheit und der Realisierbarkeit der angebotenen Insolvenzquote.
Tanja Könemann [00:04:07] Gerhard Weinhofer hat es gerade erwähnt, die Frage nach der Insolvenzquote. Auch um die soll es hier heute gehen. Die Insolvenzquote ist der Anteil von Schulden, die am Ende des Verfahrens insgesamt beglichen werden.
Christian Raschke [00:04:20] Ja, aber das verraten wir auch erst am Ende dieses Podcast. Denn Gerhard Weinhofer kennt die Sanierungspläne. Und er war auch am 18. März bei der Gläubigerversammlung dabei. Und er hat den Plänen auch zugestimmt. Und er wird uns später genau erklären, warum.
Tanja Könemann [00:04:35] Dranbleiben lohnt sich also. Bevor wir auf die Gläubiger eingehen und auf Gerhard Weinhofers Analyse, gehen wir ganz weit zurück in der Signa Geschichte. Und zwar zurück auf Los. Wann ist es bei Signa richtig schlimm geworden? Worauf müssen wir eingehen, um die ganze Geschichte zu verstehen? Christian: Womit fangen wir hier heute an?
Christian Raschke [00:04:54] Wir fangen hiermit an!
Zitat Tagesschau [00:04:56] Signa Holding meldet Insolvenz an der Konzern. Des österreichischen Immobilien- und Handelsunternehmers Benko will heute in Wien einen entsprechenden Antrag stellen.
Tanja Könemann [00:05:07] Das war die Tagesschau vom 29. November 2023. An dem Tag wurde eine Anleihe in Höhe von 200 Millionen Euro fällig - und Signa konnte nicht zahlen. Und nicht nur das. Signa konnte nicht nur nicht zahlen, es war auch niemand mehr bereit, Geld nachzuschießen. Und da blieb nur noch der Gang zum Insolvenzgericht.
Christian Raschke [00:05:28] Ja, genau da wurde es ganz, ganz akut. Aber wir können sogar noch ein Stückchen weiter zurückgehen. Und zwar zum Jahresanfang 2023.
Zitat eco [00:05:36] Die europäische Bankenaufsicht der EZB nimmt jetzt des Unternehmensimperium des österreichischen Investors Rene Benko ins Visier.
Christian Raschke [00:05:44] Was war passiert? Anfang 2023 hat die EZB, also die Europäische Zentralbank, bei anderen großen Banken in Europa nachgefragt, wie die bei Signa engagiert sind. Das war also so, dass die EZB sich offensichtlich Sorgen gemacht hat um das Ausfallrisiko von Signa. Und das war auch der Moment, in dem Gerhard Weinhofer aufmerksam geworden ist.
Gerhard Weinhofer [00:06:06] Da war mir klar: Hoppala, da könnte was dahinter sein. Weil die EZB hat so eine Prüfung nicht einfach so aus Jux und Dollerei gemacht. Als höchste Aufsichtsbehörde der Banken, muss man hier schon hinreichende Gründe haben, um die Banken aufzufordern, hier sich ihr Kreditportfolio genauer anzuschauen und zu bewerten.
Christian Raschke [00:06:28] Ja, und Creditreform hatte eigentlich auch noch andere Indizien. Das sagt sich dann jetzt im Nachhinein immer sehr, sehr leicht. Aber tatsächlich hat Creditreform in Österreich 2022 schon keinen Bonitätsindex mehr für Signa vergeben. Damals war der Grund, der das Signa keine Geschäftsberichte veröffentlicht hat. Und das ist dann relativ einfach: Kein Geschäftsbericht, keine Bonitätsprüfung. Da kann man also auch schon mal ein bisschen misstrauisch werden. Erst recht, wenn man die Statistik kennt, die Gerhard Weinhofer hier zitiert.
Gerhard Weinhofer [00:06:58] Also es gibt wirklich einen Zusammenhang zwischen der Ausfallwahrscheinlichkeit zum Insolvenzrisiko und der Veröffentlichung einer Bilanz. Das zeigt übrigens auch eine Studie, die wir aus unserer Wirtschaftsdatenbank in Österreich gemacht haben. Rund 5 % der österreichischen Unternehmen veröffentlichen keine Bilanz, obwohl sie die müssten. Und diese Unternehmen haben eine zehnfach höhere Insolvenzgefährdung als Unternehmen, die rechtzeitig ihre Bilanz veröffentlichen.
Christian Raschke [00:07:29] Also wer sie sehen wollte, hätte auch schon ein paar Zeichen erkennen können. Das hat aber keiner getan. Und da frag ich dich jetzt, Tanja, warum ist das so lange gut gegangen?
Tanja Könemann [00:07:39] In den Gesprächen, die wir mit Gerhard Weinhofer geführt haben, hat er uns das so erklärt: Er sieht dafür zwei Gründe. Und zwar zum einen hatte Rene Benko wahnsinnig gute Drähte in die Politik und zu seinen Investoren. Er war sehr, sehr überzeugend, was seine Projekte anging. Und es gab noch einen zweiten Grund.
Gerhard Weinhofer [00:07:59] Viele haben aber auch über Jahre davon profitiert und haben sich gerne mit Benko abgelichtet. Und da gab es auch ein Fernsehinterview von Benko, wo er gefragt worden ist, wie es ihm jetzt geht, dass auf seine Einladung hin die halbe Bundesregierung und alle Mächtigen der Republik aufmarschieren. Da hat er gesagt: Ja, früher, wenn er was brauchte, musste er zu den Politikern gehen. Jetzt freut er sich, dass die Politiker zu ihm kommen, wenn sie was brauchen. Vielleicht war das schon ein erstes Anzeichen für eine gewisse Hybris. Aber der Erfolg hat ihm damals Recht gegeben.
Tanja Könemann [00:08:34] Es waren aber nicht nur Milliardärsfamilien, die hier investiert hatten, sondern auch Sparkassen und Volksbanken. Und auch die haben zum Teil Millionenkredite an Signa vergeben und können sich jetzt fragen, was wohl aus ihrem Geld werden wird. Und das bringt uns dann wieder zurück zu dem laufenden Insolvenzverfahren.
Christian Raschke [00:08:52] Ja, genau. Lass uns doch mal versuchen abzuschätzen, welche Verluste den Gläubigern drohen und auch den Sparkassen und Volksbanken hier aus Deutschland. Weil das ist ja unser Schwerpunkt heute. Nur um das machen zu können, würde ich vorschlagen, wir tauchen noch einmal etwas tiefer in das österreichische Insolvenzrecht ein.
Tanja Könemann [00:09:09] Wir haben es ja gerade schon gehört: Die Gesellschaften Signa Prime und Signa Development haben die Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Das bedeutet, in einem solchen Verfahren ist es das Ziel, das Unternehmen zu erhalten und nicht in die Zerschlagung laufen zu lassen. Damit das funktioniert, bekommt das Unternehmen einen Insolvenzverwalter an die Seite gestellt. Der soll die wirtschaftliche Lage überwachen und einen Sanierungsplan ausarbeiten. Gerhard Weinhofer ist Fan dieses Verfahrens. Denn in Österreich hat man damit gute Erfahrungen gemacht, sagt er.
Gerhard Weinhofer [00:09:43] Also da ist das österreichische Insolvenzrecht sehr, sehr auch sanierungsfreundlich und sehr unbürokratisch und effizient aufgestellt. Und das zeigt sich auch an einer wesentlichen Tatsache, was die Durchschnittsquote in Österreich im Insolvenzverfahren ist. Während sie in Deutschland bei unter 5 % liegt, haben wir in Österreich eine Durchschnittsquote von 10 bis 12 % bei Firmeninsolvenzen. Und dann noch ein Spezifikum. Jedes dritte Insolvenzverfahren mündet in einen Sanierungsplan bzw. wurde schon als Sanierungsverfahren von Anfang an eröffnet. Und das bedeutet, dass die Gläubiger hier mindestens eine Quote von 20 % bekommen. In Eigenverwaltung herrscht sogar eine Mindestquote von 30 % bekommen. Und das ist im europäischen Vergleich wirklich eine einzigartig hohe Insolvenzquote, die die Gläubiger am Ende des Verfahrens bekommen.
Christian Raschke [00:10:31] Ja, oder bekommen können, muss man ja besser sagen. Dennoch ist das alles Konjunktiv. Bei Signa hat dieser ganze Prozess gerade erst begonnen. Ein paar Monate läuft das erst und es wird ganz sicher nicht einfach. Man muss sich mal die Zahlen angucken, um die es geht. Also es geht um sehr, sehr viel Geld und es ist sehr verflochten. Das ist selbst für ein Profi wie Gerhard Weinhofer ein ganz besonderer Fall.
Gerhard Weinhofer [00:10:54] Das, was sich da schon speziell macht, ist die Größe des Verfahrens und die Komplexität des Verfahrens. Es gab in der Zweiten Republik in Österreich noch nie so ein Insolvenzverfahren mit so viel betroffenen Gläubigern in diesem Ausmaß, was die Forderungshöhe betrifft. Wir reden hier also zwischen zehn und 12 Milliarden Insolvenzpassiva aller Gesellschaften zusammen. Und dazu kommt natürlich auch die Komplexität des Verfahrens.
Tanja Könemann [00:11:22] Okay, wo stehen wir jetzt aktuell? Wir haben schon gehört, dass nur ein Teil der Forderungen anerkannt wurde. Aber auch dafür muss Signa ja erst mal Geld aufbringen. Gerhard Weinhofer hat von Passiva gesprochen. Auf der anderen Seite der Bilanz stehen die Aktiva, das sind die Vermögenswerte, und die spielen bei Signa eine ganz besondere Rolle. Denn es sind vor allem teure Immobilien und Grundstücke in besonderen Lagen.
Christian Raschke [00:11:53] Ja, und diese Immobilien und Grundstücke, die muss der Sanierungsverwalter jetzt zu Geld machen. Zumindest muss er das versuchen. Und es gibt auch schon ein paar Verkaufsgerüchte. Wichtig ist nur, dass diese Verkäufe jetzt mit Ruhe erfolgen. Man kennt das ja von sich selbst. Wenn der Eindruck entsteht, man müsse etwas ganz, ganz schnell verkaufen, dann ist das meistens schlecht für den Preis. Und das ist in dem Fall dann auch schlecht für die Gläubiger, denn dann gibt es weniger zu verteilen. Wenn Signa jetzt seine Häuser deutlich unter Marktwert verkaufen müsste. Das ist das, was Experten dann Firesale nennen, also so eine Art Schlussverkauf. Und das möchte man natürlich um jeden Preis vermeiden.
Tanja Könemann [00:12:29] Momentan scheint das zu gelingen. Denn Signa hat im Februar einen sogenannten Massekredit von einem der Mitgesellschafter der Signa Development bekommen. Und das ist ein großes Plus in dem laufenden Verfahren, weil dieses Geld - es waren jetzt 25 Millionen Euro - die stehen Signa extra zur Verfügung. Das heißt, sie müssen Immobilien und Grundstücke jetzt nicht extra schnell verkaufen, sondern haben etwas Zeit abzuwarten. Und das kann sich sehr bemerkbar machen. Wenn ich zum Beispiel sage, ich möchte eine ein Hochhaus oder eine Immobilie verkaufen für 100 Millionen € im Moment finde ich aber nur einen Käufer für 80 Millionen €, dann habe ich durch dieses Geld die Möglichkeit, noch etwas länger zu warten. Und der Gläubiger, der das zur Verfügung gestellt hat, ein Mitgesellschafter der Signa Development, der steht wiederum auf der Gläubigerliste ganz oben. Und deshalb ist dieser Kredit zustande gekommen, sonst hätte den ja niemand gewährt. Gerhard Weinhofer sieht den Kredit positiv.
Gerhard Weinhofer [00:13:28] Diese Massekredite sind ins Gespräch gekommen, um hier die nötige Liquidität für die Tochter- und Beteiligungsgesellschaften zu garantieren, damit eben diesem Projektgesellschaften weiterhin mit Liquidität versorgt sind. Damit man dort Werthaltigkeit aufrechterhalten kann, man hier nicht in sogenannte Firesales oder Abverkäufe, Notverkäufe gehen muss und dementsprechend niedrige Preise lukrieren würde. Man braucht dieses frische Kapital in Form von Massekrediten, um dort in ruhiger, besonnener Art und Weise in den Abverkauf zu gehen, die Assets bestmöglich zu verwerten und damit hier auch das nötige Kapital heranzuschaffen. Für die Finanzierung des Sanierungsplans bei der Prime, bei der Development bzw. auch bei der Signa Holding.
Christian Raschke [00:14:22] Ja Tanja, dieser Massekredit, der ist also extrem wichtig für die Signa Development.
Tanja Könemann [00:14:27] Ja klar, zweifellos. Was passiert, wenn er fehlt, sieht man nämlich bei der Signa Prime. Hier ist nämlich nicht klar, mit welchen Mitteln die Geschäfte fortgeführt werden können. Auch ist es schwieriger, mit den Banken einen Standstill zu vereinbaren. Das heißt, Sie verzichten vorübergehend auf eine Schuldentilgung? Ist ja klar, darauf lassen die sich erst ein, wenn man weiß, wie es weitergeht.
Gerhard Weinhofer [00:14:50] Also man möchte auch von Seiten der Signa hier neues Vertrauen schaffen. Das ist auch bei der Prime nötig, denn die Prime braucht unbedingt Fresh Money, wie es so schön heißt, frisches Kapital. In den nächsten Wochen, um die Liquiditätssituation bei der Signa Prime und deren Beteili gungen aufrechtzuerhalten, zu sichern, um hier eben in den strukturierten Abverkauf der Assets gehen zu können.
Christian Raschke [00:15:16] Ja, deshalb laufen die Verhandlungen über einen Massekredit für die Signa Prime immer noch auf Hochtouren. Und noch etwas hat die Abstimmung über die Sanierungspläne der zwei Signa Gesellschaften erschwert. Einige große Gläubiger, allen voran die Republik Österreich, hatten im Vorfeld gesagt, dass sie den Plänen nicht zustimmen wollten. Sie haben das begründet, in dem sie gesagt haben, sie haben kein Vertrauen in das Signa Management und auch nicht in Rene Benko, der ja inzwischen auch in einem Privatinsolvenzverfahren steckt.
Gerhard Weinhofer [00:15:44] Ja das Bauchweh hatten natürlich manche Gläubiger deswegen, weil rund um die Person Rene Benko natürlich sehr viele Fragezeichen offen sind. Er hat ja seit über einer Woche ja auch ein eigenes Insolvenzverfahren gegen sich als Einzelunternehmer laufen am Landesgericht Innsbruck. Und man kann irgendwie sich nicht vorstellen, wo all das Geld verschwunden ist. Wo sind zum Beispiel die 26 Millionen, die sich Rene Benko als Berater der Signa auszahlen hat lassen? Wie schaut es wirklich aus mit den gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten, Haftungserklärungen innerhalb der Gruppe? All das sind sind Themen, die noch nicht wirklich zu Ende gedacht und aufgeklärt wurden.
Tanja Könemann [00:16:25] Also es ging vor dem Termin am 18. März drunter und drüber. Die Stimmung war angespannt.
Gerhard Weinhofer [00:16:31] Es ist tatsächlich weißer Rauch aufgestiegen, aber es war schon etwas turbulent. Also man wusste nicht wirklich, wie es ausgeht. Meine Hoffnung war schon, dass die Mehrheit der Gläubiger diesem wirtschaftlich sinnvollen und wirklich vernünftigen Sanierungsplan mit dieser Treuhandschaft zustimmen wird. Und dass diese Hoffnung ist dann auch aufgegangen. Aber das wusste man natürlich nicht, weil viele große internationale Gläubiger auch vertreten waren und da konnte man die Stimmung und deren Gemütslage nicht wirklich einfangen vorab.
Christian Raschke [00:17:03] Weißer Rauch. Schönes Bild, das der Gerhard Weinhofer da zeichnet. Also, dass er die Stimmung nach der Gläubigerversammlung mit dem Ergebnis einer Papstwahl vergleicht. Aber das zeigt schon, wie groß die Erleichterung war, dass dann doch die Mehrheit der Gläubiger den Sanierungsplänen zugestimmt hat. Und anders als die Republik Österreich war auch der Großteil überzeugt von der angebotenen Lösung. Das zeigt auch das Abstimmungsergebnis ganz deutlich.
Gerhard Weinhofer [00:17:26] Bei der Prime haben 239 Gläubiger zugestimmt, 51 haben dagegen gestimmt. Und diese 239 zustimmenden Gläubiger haben ein Kapital von 7,7 Milliarden € repräsentiert, während die 51 kontra-stimmenden Gläubiger ein Kapital von 1,2 Milliarden repräsentiert haben. Das heißt Gläubiger, die ein Sechsfaches der Insolvenzforderungen repräsentiert haben, haben dem Sanierungskonzept, dem Treuhandkonzept der Signa Prime, ihr Vertrauen geschenkt. Und ähnlich war das Abstimmungsverhältnis auch bei der Signa Development. Das heißt eine wirklich überwältigende Mehrheit der Gläubiger glaubt an diesen Sanierungsplan und glaubt an diese Treuhandlösung.
Tanja Könemann [00:18:11] Aber was bedeutet das jetzt ganz genau? Keine Insolvenz in Eigenverwaltung mehr, sondern eine sogenannte Treuhandsanierung?
Christian Raschke [00:18:20] Ja, bei dieser Lösung werden im Grunde alle Vermögenswerte der Signa Prime und der Signa Development einer Treuhänderin übergeben. Und die hat dann die Aufgabe, das Ganze innerhalb der nächsten fünf Jahre bestmöglich zu verkaufen. Das Geld, das damit eingenommen wird, erhalten die Gläubiger. Versprochen ist ihnen eine Quote von 30 %. Und wenn es mehr wird, dann gibt es sogar eine sogenannte Superquote. Eine kleine Unsicherheit bleibt aber, und zwar die, dass es wenig Erfahrung mit diesen Treuhandsanierungen gibt. Aber Gerhard Weinhofer ist trotzdem optimistisch.
Gerhard Weinhofer [00:18:53] Es stimmt, es gab erst ganz wenige Verfahren dieser Art, so eine Treuhandsanierungsplan-Geschichte gab es erst sehr selten. Aber nichtsdestotrotz bin ich sehr optimistisch, dass das funktionieren kann und auch für die Gläubiger ein sehr gutes Ergebnis bringen wird. Denn sie bekommen 30 % plus eine allfällige Superquote, die sich aus der treuhändischen Verwertung der Assets ergibt.
Tanja Könemann [00:19:15] Und es kommt noch etwas hinzu, das Anlass zu Optimismus gibt. Es wurden Gutachten vorgelegt, die aussagen, dass sich der Immobilienmarkt in Deutschland und Österreich erholen soll.
Gerhard Weinhofer [00:19:26] Die sagen nämlich, dass es vor allem ab dem zweiten Halbjahr 2024 wieder bergauf geht und man dann größere Chancen hat, die Assets das Signa bestmöglich zu verwerten und damit eben hier Kapital für die Gläubiger zu gewinnen.
Christian Raschke [00:19:41] Ende gut, alles gut. Also ich würde sagen ja und nein. Für die Gläubiger könnte es tatsächlich so ausgehen, dass sie im Lauf der nächsten Jahre einen guten Teil ihres Geldes zurückbekommen. Und für Signa selbst bedeutet das Ergebnis jetzt aber das Ende.
Gerhard Weinhofer [00:19:57] Nach diesem Husarenritt der letzten Wochen, in diesem wirklich komplexen Insolvenzverfahren wird am Ende Signa nur mehr auf dem Papier bestehen bleiben. Denn alle Assets werden verkauft. Das ist der klare Auftrag an die Treuhänder. Alles soll verkauft werden und an die Gläubiger ausgeschüttet werden. Ein deutlich schlechteres Quotenergebnis wäre für die Gläubiger am Ende des Verfahrens gestanden, wenn wir in den Konkurs geschlittert wären, sprich eine Liquidationsquote bei der Development zwischen null und 9 %, die die Gläubiger bekommen hätten. Und bei der Prime wären wir zwischen 16 und 32 % gewesen.
Christian Raschke [00:20:39] Okay, Tanja, halten wir also fest: Die Abwicklung von Signa nimmt jetzt Fahrt auf. Wir werden in den nächsten Jahren und Monaten sicher immer wieder davon hören, wenn Immobilien verkauft werden, auch Immobilien hier in Deutschland. Und wenn die Verflechtungen im Konzern aufgearbeitet werden...
Tanja Könemann [00:20:54] ... und für den Moment atmen wir gemeinsam mit Gerhard Weinhofer und den Gläubigern auf, dass es einen guten Plan gibt. Wann und wie weit er umgesetzt wird, das behalten wir im Auge und vielleicht sprechen wir auch in einer späteren Folge noch darüber.
Tanja Könemann [00:21:10] Bei Gute Geschäfte heißt es jetzt Danke sagen: Gerhard Weinhofer für den tiefen Einblick. Er hat uns echt nah rangelassen und mitgenommen in dieses komplizierte Verfahren und sich wahnsinnig viel Zeit genommen für uns. Aber wir möchten auch Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, danken. Das war jetzt mal wirklich eine lange Folge und Sie haben tapfer bis zum Ende durchgehalten. Dankeschön. Bitte lassen Sie uns gerne wissen, ob es Ihnen gefallen hat. Und auch, falls nicht. Und ganz besonders, falls Sie noch Fragen haben. Wir wissen, Signa ist ein komplexes Thema und wir stehen Ihnen auch gerne Rede und Antwort in den Kommentaren oder auf LinkedIn. Ich hoffe, wir hören uns bald wieder bei Gute Geschäfte.
Christian Raschke [00:21:49] Das hoffe ich auch. Bis bald.
Tanja Könemann [00:21:51] Bis bald.
Jingle [00:21:53] Gute Geschäfte. Businesswissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.