Déjà-vu bei Bankenpleiten
Auf dem EU-Gipfel Ende März fand Bundeskanzler Olaf Scholz klare Worte: „Das Bankensystem in Europa ist stabil.“ Nun weiß der Kanzler auch, dass Wirtschaft zu einem großen Teil Psychologie ist.
Vor allem dann, wenn es nicht um die Realwirtschaft geht, sondern um eine virtuelle Ökonomie, wie sie ein Großteil der Finanzwirtschaft darstellt. Da geht es um Vertrauen, Zuversicht und Glauben. So heißt es auch: Die Banken sind stabil, wenn die Sparer sie für stabil halten. Es geht darum, Zweifel gar nicht erst aufkommen zu lassen und klare Worte zu finden, wie sie Kanzlerin Merkel in der Finanzkrise fand, ebenso wie Mario Draghi im Hinblick auf die Stabilität des Euro. Genau die Erinnerung an die Finanzkrise, die 2008 begonnen hatte, kommt nun wieder auf und sorgt für Unsicherheit. Ist der Zusammenbruch von Lehman Brothers nun vergleichbar mit dem Kollaps der Silicon Valley Bank (SVB)?
Anleihen verlieren an Wert
Die Silicon Valley Bank ist den Zinserhöhungen der Fed zum Opfer gefallen. Noch deutlich entschlossener als die EZB hat die amerikanische Zentralbank FED die Leitzinsen erhöht. Das war für die SVB verhängnisvoll, weil sie sich in langlaufenden US-Staatsanleihen engagiert hatte, deren Kurse auf der Basis nunmehr alter und geringer Zinszahlungen deutlich gefallen waren. Nun wurde es für das Bankhaus schwer, Kundenforderungen (Auszahlungen) befriedigen zu können. Die Bank geriet in eine Schieflage, versuchte eine Kapitalerhöhung, konnte aber dennoch die geforderten Milliarden nicht mehr zahlen. Die Bank wurde nicht nur zum Fall für die amerikanische Aufsicht, sondern auch Deutschlands BaFin sah sich genötigt, Mitte März die deutsche Zweigstelle in Frankfurt zu schließen. Gegenüber der Bank wurde ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot ausgesprochen. Doch hatten die Maßnahmen keinen Einfluss auf Deutschlands Anlagen, einmal mehr fiel das Wort von der Systemrelevanz. Diese aber war bei der Silicon Valley Bank in Deutschland nicht gegeben. Das Haus hatte eine Bilanzsumme von knapp 800 Mio. Euro vorzuweisen und es ging nicht um einen Fall für die Einlagensicherung. Auch in den USA wurde das Institut, dass sich vor allem, wie der Name zeigt, auf die Finanzierung von jungen IT-Unternehmen spezialisiert hatte, geschlossen. Die aktuelle Krise der Tech-Unternehmen – es entlassen selbst die etablierten Branchengrößen tausende Mitarbeiter – war dem Geschäft der SVB ebenfalls nicht zuträglich.
„Was auch immer es kostet!“
Die amerikanische Politik und die Finanzaufsicht mussten handeln – und sie haben gehandelt. An oberster Stelle forderte Präsident Biden eine schärfere Aufsicht der Banken und versprach den Sparern und Anlegern Sicherheit. Auch die USA besitzt eine Einlagensicherung, die den Kunden tatsächlich ihre gesamte Einlage garantiert. Diese wurden auf eine spezielle, für diesen Zweck gegründete Bank übertragen, deren Gremien sich nun auch damit beschäftigen, die SVB zu sanieren. Aber nicht nur das Staatsoberhaupt gab ein Statement ab, gemeinsam äußerten sich auch die Finanzministerin Yellen, der Chef der Notenbank Powell und die bereits genannte Einlagensicherung FDIC. Und schließlich hat die Notenbank ein spezielles Programm aufgelegt, das 25 Mrd. Dollar zur Verfügung stellt, um den Banken, die ebenfalls in Staatsanleihen oder Hypothekenkredite investiert hatten, Sicherheit zu geben. Die Kursverluste sollen damit ausgeglichen werden.
„Schockwellen“ über den Teich
Die Krise und der Kollaps der SVB sind aber nicht nur ein amerikanisches Problem. Auswirkungen waren auch für Europa und für Deutschland zu befürchten. Genau an dieser Stelle wurden Erinnerungen an die Schockwellen wach, die vor 15 Jahren vom Zusammenbruch der Lehman Brothers Bank ausgelöst worden waren. Ausgelöst wurde die Situation damals durch die US-Immobilienkrise und die Subprime-Schieflage. Die Bank konnte aufgrund der veränderten Marktlage im Zuge der Immobilienkrise ihre Anlagen in diesem Sektor nicht mehr adäquat verkaufen. Die amerikanische Regierung, die im Zuge der Immobilienkrise bereits drei große Banken hatte retten müssen, sprang nun nicht mehr in die Bresche. Die Bank musste Insolvenz nach Chapter 11 anmelden. 30.000 Mitarbeiter verloren ihre Arbeit, man sprach von Schulden in Höhe von 200 Mrd. Dollar. Auch hier wurde die deutsche Niederlassung in Frankfurt von der BaFin geschlossen, die Einlagen waren vom Einlagensicherungsfonds der deutschen Banken abgesichert. Ein Politikum wurden die Anlagen in Zertifikate von Lehman Brothers. Es kam zu einer Vielzahl von Prozessen, bei denen den Einlegern Schadenersatz zugesprochen wurde, weil ihre deutsche Bank sie nicht auf das Risiko dieses Engagements hingewiesen habe. Aber auch deutsche Banken hatten sich im Boom um amerikanische Immobilien weit aus dem Fenster gelehnt und mussten gestützt werden.
Vergleichbare Wellen hat die aktuelle Insolvenz von SVB nicht geschlagen. Frankreichs Bankenvertreter sicherten die Stabilität des französischen Bankensystems zu und im Vereinigten Königreich wurde die Niederlassung für einen symbolischen Kaufpreis von der HSBC übernommen. Die BaFin war aktiv und die Bundesbank berät, inwiefern die Stellschrauben anzuziehen sind. Mit Spannung war im Zeichen der Krise auf die Zinspolitik in den USA und in Europa geblickt worden. Das Ende der Nullzinspolitik auf beiden Seiten des Atlantiks, welche durch die galoppierende Inflation nötig geworden war, hatte schließlich die Verwerfungen verursacht. Würden Fed und EZB die Leitzinsen weiter erhöhen? Antwort: Sie haben es wieder getan – aber in bescheideneren Schritten. In Amerika ist man bei 5 Prozent angekommen, in Europa bei 3 Prozent. Die Geldpolitik der Zentralbanken wandert auf einem schmalen Grat. Sie muss mit dem Anheben der Zinsen versuchen, die Geldentwertung in den Griff zu bekommen, andererseits dürfen in der aktuellen konjunkturellen Krise die Konditionen für Kredite der Unternehmen und Verbraucher nicht zu sehr belastet werden. Auch deutsche Banken und Versicherungen stützen sich auf Anleihen, die nun ihren Wert stark eingebüßt haben. Es gilt, wieder an Zinsen zu verdienen und die alten Papiere loszuwerden.
Haben die starken Worte aus Politik und Finanzwelt dabei geholfen, das Zutrauen der Menschen in die Sicherheit ihre Einlagen zu stützen? Wohl nicht ganz, glaubt man einer Umfrage der Illustrierten „Stern“ von Ende März. Demnach haben 46 Prozent der Befragten Zweifel an der Sicherheit ihrer Bankkonten und Spareinlagen. Interessant dabei ist auch, dass Gutverdienende in stärkerem Maße Vertrauen hegen. Und während Anhänger der Regierungskoalition überdurchschnittlich den Worten des Kanzlers glauben (rund 70 Prozent), sind AfD-Anhänger zu fast 80 Prozent misstrauisch, wenn es um die Sicherheit der Banken geht. Und schließlich zeigen auch der Aktienmarkt und der Einbruch der Banken an den Börsen, wie schnell sich Stimmungen ändern können und wie wechselhaft Einschätzungen sind.
Quellen: Pressemitteilungen, Tagesmedien