„Eine Abkopplung von China ist unmöglich“
General David H. Petraeus (US Army, a.D.) gründete vor mehr als zehn Jahren das KKR Global Institute. Seitdem bewertet der ehemalige CIA-Chef und frühere Militärkommandant geopolitische Risiken und deren strategische Implikationen für die globale Investmentfirma KKR.
Wie werden geopolitische Risiken bei KKR in Geschäftsentscheidungen berücksichtigt?
David H. Petraeus: Unser Ziel ist es, Risiken zu identifizieren und herauszufinden, ob diese ausreichend gemindert werden können, um eine Investition zu tätigen, oder wir uns dagegen entscheiden. Wir fokussieren uns dabei nicht nur auf geopolitische Risiken wie Sicherheitsfragen, unzureichende Rechtsstaatlichkeit und gesetzliche Beschränkungen, sondern führen auch makroökonomische und ESG-Analysen durch.
Können Sie dafür ein konkretes Beispiel nennen?
Sicher. Als wir die erste Investition in Afrika tätigten, zählten Sicherheitsprobleme zu den größten Risiken. In Äthiopien, zum Beispiel, könnte Unternehmen Al-Shabaab gefährlich werden, eine islamistische Terrorgruppe. Wir mussten aber auch sicherstellen, dass das Unternehmen, in das wir investieren wollten, kein Wasser verschwendet oder nicht an Landenteignungen beteiligt ist. Zudem mussten wir herausfinden, wie es für seine Arbeitnehmer sorgt. Weitere Fragen waren: Können wir der Regierung vertrauen? Gibt es Währungsrisiken? Am Ende haben wir sichergestellt, dass alle von uns identifizierten Risiken umfassend untersucht und begrenzt wurden.
Welche sind aktuell die größten Herausforderungen?
Die größten Herausforderungen betreffen die Beziehungen zwischen den USA, der EU und China, Investitionen in China, die Auswirkungen des Ukraine-Krieges sowie eine Reihe anderer geopolitischer Entwicklungen. Wir haben einen Risikoausschuss, der sich mit diesen spezifischen Risiken auseinandersetzt, so die politischen Entscheidungsträger in den genannten Ländern auch tun. Wir versuchen, die nächsten Spielzüge vorherzusagen und zu antizipieren.
Exportorientierte Volkswirtschaften wie Deutschland können es sich kaum leisten, Partei zwischen China und den USA zu ergreifen. Das gilt auch für viele Unternehmen …
Wenn ein Unternehmen beim Export seiner Produkte stark von China abhängig ist, birgt das Problempotenzial. Gerade eine exportgetriebene Volkswirtschaft wie die deutsche steht potenziell vor einer Herausforderung. Wir sollten uns jedoch darüber im Klaren sein, dass sich weder die USA noch die EU von China abkoppeln können, da die Handelsbeziehungen zu umfangreich und wichtig sind. Aber wie die Staats- und Regierungschefs der EU und der USA festgestellt haben, müssen wir auf vielfältige Weise „Risikoabbau“ betreiben. Die übermäßige Abhängigkeit von China wird inzwischen als unklug angesehen. Ein weiteres Problem ist der Anstieg der Arbeitskosten in China, der zu Abwanderungen nach Vietnam und anderen Ländern geführt hat. Und es gibt den sogenannten „Aufstieg der Roboter“: Wenn die Produktion mit Maschinen, mit Robotern oder Automatisierung erfolgen kann, holen Sie sie einfach nach Hause. Dies gehört zu den vielen Dynamiken, auf die wir uns konzentrieren, wenn wir sicherstellen wollen, dass die von uns geprüften Investitionen sinnvoll und erfolgreich sind.
Investiert KKR noch in China?
Wir investieren immer noch gerne in eine Vielzahl von Sektoren in China, insbesondere wenn in China für China produziert wird. Aber es gibt auch Sektoren, in die wir jetzt aufgrund von US-Durchführungsverordnungen oder anderen Direktiven, Richtlinien und Bedenken nicht investieren können. Wir wollen nicht nur legal, sondern auch verantwortungsvoll investieren. Wir wünschen uns, dass die Beziehung für beide Seiten so vorteilhaft wie möglich ist. Aber als ehemaliger CIA-Direktor habe ich auch gelernt, dass man die Welt so akzeptieren muss, wie sie ist, und nicht so, wie man sie gerne hätte.
Zur Person
General David H. Petraeus (US-Armee, im Ruhestand) ist Partner der Investmentfirma KKR und Vorsitzender des KKR Global Institute, das er im Mai 2013 gründete. Bevor er zu KKR kam, diente Petraeus über 37 Jahre in der US-Armee. Sein Dienst gipfelte in der Führung des sogenannten „Surge“ – einer strategischen Truppen-Neuausrichtung im Irak –, des US-Zentralkommandos und der NATO/US-Streitkräfte in Afghanistan. Von 2011 bis 2012 führte er den US-amerikanischen Auslandsgeheimdienst CIA.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Tanja Könemann