Faire Lieferketten per Gesetz?
Anfang Juni hat sich die Große Koalition auf ein gemeinsames Lieferketten- oder Sorgfaltspflichtengesetz verständigt. Direkt davon betroffen sind Großunternehmen. Doch auch kleine und mittlere Unternehmen, die Teil von Lieferketten sind, müssen sich vorbereiten.
Worum geht es?
Durch das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten werden Unternehmen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass in ihren weltumspannenden Lieferketten faire Arbeitsbedingungen herrschen, keine Menschenrechte verletzt werden und Umweltstandards gewahrt bleiben. Bevor der Bundestag das Gesetz verabschiedet hat, wurde es von Unternehmerverbänden heftig kritisiert. Etwa weil sie einen hohen bürokratischen Aufwand und rechtliche Risiken fürchten.
Wer ist direkt betroffen?
Das Gesetz richtet sich ab 2023 an Unternehmen mit mehr als 3.000 im Inland Beschäftigten, im zweiten Schritt ab 2024 auch an Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern. Betroffen sind damit mehr als 3.000 Unternehmen in Deutschland. „Bezüglich der Unternehmensgrößen wird es bis 2024 eine Evaluation geben“, sagt Silke Helmholz, Rechtsanwältin und Referatsleiterin Internationales Wirtschaftsrecht und Handelspolitik bei der IHK-Region Stuttgart. „Danach wird entschieden, ob der Schwellenwert noch weiter gesenkt wird.“
Was wird gefordert?
„Konkrete Pflichten bestehen gegenüber unmittelbaren Zulieferern“, sagt Helmholz. „Wenn Unternehmen Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen bei einem mittelbaren Zulieferer erhalten, etwa durch Medien, müssen sie ebenfalls handeln.“ Grundsätzlich müssen sie für Transparenz sorgen, etwa eine Erklärung mit allen bekannten Nachhaltigkeitsrisiken abgeben, ein Risikomanagement einrichten und einen Menschenrechtsbeauftragten benennen. Überprüft und sanktioniert werden die Bestimmungen vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.
Warum sind kleinere Unternehmen indirekt betroffen?
„Viele KMU sind Lieferanten“, sagt Helmholz. „Und die Großen suchen sich nun Partner, die die Anforderungen erfüllen können, die an sie selbst gestellt werden.“ Sie erlebt bereits, dass Konzerne beginnen, sich als Auftraggeber abzusichern und die Bedingungen weiterzugeben. Etwa indem sie ihre Lieferverträge ergänzen und Verletzungen von Menschenrechten oder Umweltstandards an Vertragsstrafen oder Sonderkündigungsmöglichkeiten koppeln.
Wie können sich KMU darauf einstellen?
Nachhaltigkeitsmanagement ist keine abschließende Aufgabe, sondern ein stetiger Prozess. „Ein guter Start ist die Analyse von Kunden, Branchen und eigenen Lieferanten“, sagt Helmholz. Welche sind die vorgelagerten Produktionsstufen? Wer sind die Lieferanten? Und wo findet die jeweilige Produktion oder Dienstleistung statt? Wichtig sei aber auch, die Anforderungen nicht nur als Bürde, sondern als Chance zu begreifen. „Wer dadurch seine Reputation stärkt, kann das erfolgreich in der Akquise einsetzen.“
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke