Gründer melden sich zurück
Betroffen von der aktuellen Krise ist nicht nur das Bruttoinlandsprodukt oder die Inflationsrate, sondern auch die Unternehmenslandschaft im Ganzen mit Blick auf Neugründungen, Löschungen und Insolvenzen.
Zum Insolvenzgeschehen äußert sich Creditreform kontinuierlich. Wie aber sieht es bei den Neugründungen von Unternehmen aus, was geschieht bei den Löschungen? Im Frühjahr eines jeden Jahres veröffentlicht die KfW im Zusammenhang mit ihrem Gründungsmonitor Zahlen zur Gründungstätigkeit. Dabei fasst sie die Entwicklung enger als das Statistische Bundesamt, das ebenfalls Zahlen zu den Gewerbegründungen und den Löschungen publiziert. Das Bundesamt erfasst auch Veränderungen, die sich durch Umzug oder Übernahme ergeben.
Neuer Optimismus
In der Vorauswertung zum Gründungsmonitor der KfW kann die öffentliche Bank gute Nachrichten bringen. Nach einem deutlichen Rückgang der Existenzgründungen im Corona-Jahr 2020 wurde 2021 wieder das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht. In 2021 waren 607.000 Gründungen zu registrieren – immerhin 70.000 mehr als im Jahr des ersten Lockdowns 2020. Dabei bleibt bei aller Freude doch festzuhalten, dass die Gründungstätigkeit in Deutschland bereits seit der Jahrtausendwende Jahr für Jahr rückläufig ist. So lag sie 2002 noch bei rund 1,5 Millionen Neugründungen, hat sich also in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als halbiert. Über die Gründe ist viel spekuliert worden, einen wichtigen Effekt hat wohl paradoxerweise gerade die gute Wirtschaftsentwicklung und die kräftige Nachfrage nach Arbeitskräften, die für viele dazu führt, dass ein Unternehmertum keine echte Alternative zur abhängigen Beschäftigung mehr darstellt. Dafür mag auch ein Wandel der Mentalitäten eine Rolle spielen.
Ein Plus von 13 Prozent im Jahr 2021 gegenüber dem Vorjahr zeigt denn auch, wie sich die Gründungsquote positiv verändert hat. Waren es 2020 noch 104 Erwachsene je 10.000 Personen zwischen Volljährigkeit und Rentenalter, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagten, so sind es 2021 119 Menschen pro 10.000 Personen gewesen. Dies obwohl die Corona-Krise und der Lockdown gerade in den gründungsintensiven Wirtschaftsbereichen „Handel“ und „Dienstleistungen“ 2021 zu einer Zurückhaltung geführt haben mögen. Die positiven Zahlen sind auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass es nicht zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit durch den massiven Einsatz von Kurzarbeitergeld kam. Der Arbeitsplatz wartete – von einer „Notgründung“ in eine Krise hinein, deren Ende nicht absehbar war, kann wohl nicht die Rede sein.
Von der Idee zur Umsetzung
Über die bloße Registrierung der Neugründungen hinaus fragt die KfW auch nach den Planungen für eine Existenzgründung. Und genau diese Planungen waren 2020 in der Krise zurückgestellt worden. Die Bank führt aus, dass es von einer Geschäftsidee bis zur Umsetzung einer langen Planungsphase bedarf – insofern sei die Frage nach den Planungen ein wichtiger Indikator für das Folgejahr. Das war 2020 und 2021 anders, weil mit der Öffnung die Planungen, die fertig in der Schublade lagen, sehr viel schneller ausgeführt wurden. Dabei mag es sogar so sein, dass Planungsphasen im Zuge der wiedergewonnenen Freiheit in 2021 sehr viel kürzer gehalten wurden und die Gründung schneller erfolgte.
Ein wichtiger Aspekt für den volkswirtschaftlichen Impuls, der von neu gegründeten Unternehmen, gerade im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, zu erwarten ist, kann daran abgelesen werden, ob es sich um eine Gründung im Nebenerwerb oder um einen Vollerwerb durch Existenzgründung handelt. Etwas enttäuschend ist die Tatsache, dass es sich, wie in den letzten Jahren allerdings bereits auch, in erster Linie um Nebenerwerbsgründungen handelt. 371.000 Neueintragungen erfolgten als Nebenerwerb. Dem stehen 236.000 Gründungen gegenüber, die auf eine vollerwerbliche Tätigkeit aus sind. Dabei halten ebenfalls – über die letzten Jahre unbeachtet von den Krisen – zwei Trends an. Da ist zum einen der steigende Anteil genuiner Neugründungen, wo also Betriebe geschaffen werden, die es vorher nicht gab. Er liegt bei 85 Prozent und damit so hoch wie noch nie zuvor. Diese auf den ersten Blick positive Nachricht hat allerdings auch eine Schattenseite, denn der Mittelstand befindet sich in einer „Übergabe-Krise“ – verzweifelt werden Nachfolger für den etablierten Betrieb gesucht. So entstehen also immer mehr Solo-Gründungen – nur selten handelt es sich um Gründungsteams. Und nur geringe Teile der neuen Selbstständigen stellen Mitarbeiter ein. Abgesehen von den 85 Prozent „echter“ Gründungen (Vorjahr: 80 Prozent) geht es bei 7 Prozent der Fälle um Beteiligungen und bei 8 Prozent um Übernahmen.
Weitermachen – auch wenn es sich nicht lohnt?
Im Zusammenhang mit den Gründen für die kontinuierliche Abnahme beim Gründungsgeschehen in den letzten Jahren seit der Jahrtausendwende wurde bereits darauf hingewiesen, dass es einen Unterschied macht, ob es sich um eine Gründung aus der Not – und das ist in vielen Fällen die Arbeitslosigkeit – oder um das Wahrnehmen einer Chance oder Geschäftsidee handelt. Eine offensive Gründungstätigkeit, die eine unternehmerische Idee umsetzen möchte, war laut KfW 2021 in 82 Prozent der Fälle gegeben – „Not-Gründungen" betrafen 15 Prozent (2020: 16 Prozent).
In seiner Statistik zum Gründungsgeschehen weist das Statistische Bundesamt darauf hin, dass 2021 auch die Zahl der Gewerbeaufgaben um fast 2 Prozent niedriger lag als 2020. Bemerkenswert ist, dass es insgesamt gegenüber dem Vorkrisenniveau 2019 um einen fast 15-prozentigen Rückgang bei den Gewerbelöschungen ging. Das Amt spricht davon, dass „der starke Rückgang mit den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise zusammenhängt“. Vor zu viel Optimismus im Hinblick auf steigende Gründungszahlen und geringere Gewerbeaufgaben ist also zu warnen.
Quelle: KfW, Statistisches Bundesamt