Handwerk vor großen Herausforderungen
Die Stimmungslage im deutschen Handwerk hat sich zum Ende des Winters, im März 2023, eingetrübt, ist aber nicht eingebrochen. Fast zwei Drittel der alljährlich von der Creditreform Wirtschaftsforschung befragten Betriebe konnten ihrer aktuellen Geschäftslage noch gute Noten geben (65,3 Prozent). Im Vorjahr waren es einige Prozentpunkte mehr mit einem Wert von insgesamt 70,4 Prozent positiver Bewertungen.
Und tatsächlich konnte eine höhere Zahl von Handwerksunternehmen bei dem Blick auf die Umsatzentwicklung ein Plus erkennen. Waren im Vorjahr rund 35 Prozent der Unternehmen mit Umsatzzuwächsen ins neue Jahr gegangen, so waren es Anfang 2023 knapp 38 Prozent. Doch auch wenn die Parameter für die Konjunkturentwicklung noch recht positiv bleiben, so zeigen sich angesichts gestiegener Zinsen doch bereits Einschläge, die im Hinblick auf die weitere Finanzierungssituation Probleme bereiten dürften.
Der Umsatz ist das eine, die Ertragslage das andere. Gefragt nach einer Einschätzung der zukünftigen Ertragssituation sprachen noch 23,0 Prozent von einer Steigerung, während 23,1 Prozent von sinkenden Gewinnen ausgehen. Im Vorjahr setzten noch knapp 30 Prozent auf höhere Erträge – nur 13,2 Prozent fürchteten sinkende Erträge. Dieser deutliche Unterschied binnen Jahresfrist, der zu einem Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen von minus 0,1 Punkten führte (gegenüber plus 16,3 Punkten im Vorjahr), deutet bereits an, wie schwierig die Finanzierung aus eigener Kraft (aus Umsatz und Gewinn) werden wird.
Eigenkapital ist Trumpf
Es bleibt die Frage, ob das Handwerk aus gutem Eigenkapital und starker Liquidität wird schöpfen können. Über alle Branchen hinweg sind die Eigenkapitalquoten trotz Corona und teurer Fremdfinanzierung fast unverändert. Während mehr als ein Drittel (34,1 Prozent) nur eine dürftige Eigenkapitalquote von bis zu 10 Prozent (bezogen auf die gesamte Bilanzsumme) vorweisen kann, zeigt ein knappes Viertel (22,8 Prozent) eine kräftige EK-Quote von über 30 Prozent. Ein genauerer Blick auf die einzelnen Gewerke macht allerdings markante Unterschiede deutlich. Vor allem im Bauhauptgewerbe sind viele Unternehmen mit einer unzureichenden Eigenkapitalquote von unter 10 Prozent zu registrieren gewesen (40,1 Prozent). Dagegen weist das Nahrungsmittelhandwerk mit einem Drittel der Betriebe, die eine Eigenkapitalquote von über 30 Prozent vorweisen konnten, gute Zahlen auf. Im Dienstleistungshandwerk sind es dagegen nur 20,6 Prozent, die über hohes Eigenkapital verfügen.
Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist es für das Handwerk enorm wichtig, „flüssig“ zu bleiben. Eine gute Liquiditätssituation eröffnet die Möglichkeit zu mehr Handlungsfreiheit. Angebote können aktuell wahrgenommen und akute Engpässe bei den Aufträgen überbrückt werden. Die Liquidität wird ganz wesentlich vom Zahlungsverhalten der Kunden bestimmt. Nur wer sein Geld pünktlich erhält, ist auch in der Lage, seine Rechnungen zeitnah zu begleichen. Insgesamt können die Betriebe mit dem Zahlungsverhalten ihrer Kunden recht zufrieden sein. In weniger als 30 Tagen bezahlen über 94 Prozent der gewerblichen (privaten) Kunden des Handwerks ihre Rechnungen. Lange Wartezeiten von über drei Monaten sind selten – nur bei 0,2 Prozent der Rechnungen wird so lange gewartet. Das war vor knapp zehn Jahren (2014) noch anders: 88,4 Prozent der Betriebe erfreuten sich damals an einem Zahlungseingang innerhalb von 30 Tagen und 0,8 Prozent mussten mehr als 90 Tage warten, bis das Geld auf ihrem Konto gutgeschrieben worden war. Diese Verbesserungen sind nicht nur bei privaten Kunden festzustellen, sondern auch bei der öffentlichen Hand, einem wichtigen Auftraggeber für Handwerksleistungen. Allerdings geben die Verbesserungen bei der Liquiditätslage keinen Anlass zur Euphorie. Sie sind viel mehr Ausfluss des stärkeren Bemühens der Betriebe, Forderungsverluste und Zahlungsverzögerungen unbedingt zu vermeiden – und dies angesichts der allgemeinen Unsicherheiten, schneller an das Geld zu kommen. Die Angst geht um, der Kunde könnte insolvent werden und mit seiner Zahlungsunfähigkeit den eigenen Betrieb gefährden. Es zeigt sich beim Zahlungsverhalten eine fast paradoxe Situation: Während man bei guter Wirtschaftslage auf weitere Umsatzzuwächse und Expansion setzt und beim Eingang der Gelder manchmal lässig ist, erlaubt man sich nun – etwa im Baugewerbe – keine Großzügigkeit mehr und drängt auf raschen Zahlungseingang. Das Debitorenregister Deutschland von Creditreform zeigt, dass Zahlungsfristen verkürzt wurden und dem Kunden weniger Zeit zum Begleichen der Rechnung zur Verfügung stand.
Am Ende steht die Insolvenz
Wie schwierig die Finanzierungssituation im Handwerk geworden ist, zeigt letztendlich die Zahl der Insolvenzen. Deutlich über dem allgemeinen Trend der Unternehmensinsolvenzen haben die Pleiten im Handwerksbereich um 12 Prozent zugenommen. Im Jahr 2022 war von 3.270 Fällen auszugehen, im Jahr 2021 waren es noch 2.920. Der Zuwachs im Handwerk liegt dreimal so hoch wie die Veränderung beim Gesamtbestand der Unternehmen über alle Wirtschaftsbereiche hinweg (plus 4,0 Prozent).
Außer beim Kfz-Handwerk sind alle Branchen von steigenden Insolvenzen betroffen. Am stärksten leiden das Metallhandwerk und das Handwerk für den gewerblichen Bedarf, die ein Plus von 36,5 Prozent hinzunehmen haben. Während das Bauhauptgewerbe mit einer Steigerung von 6,8 Prozent noch glimpflich davon kam, legten die Insolvenzen im Ausbauhandwerk um 16,0 Prozent zu. Die Insolvenzzahlen beziehen sich auf den Vergleich vom Gesamtjahr 2021 zu 2022.
Eingeleitet wurde die Zinswende bereits im Vorjahr, doch zum Tragen kommen werden die höheren Zinsen erst richtig im laufenden Jahr. Die Unternehmensfinanzierung wird sich noch einmal verteuern, Kredite werden schwerer zu bekommen sein und die Konditionen für Unternehmen, die etwa über ein schwaches Eigenkapital wenig Sicherheit bieten, eine Hürde werden. Schließlich müssen auch die inflationsbedingten Verteuerungen vom Markt erst angenommen werden. Auf das Handwerk warten 2023 große Herausforderungen.
Quelle: Creditreform