"Immobilien-Bubble" oder Korrektur?
Seit zehn Jahren verzeichnet der Immobilienmarkt alljährlich ein Plus. Das hat sich im letzten Jahr geändert. Das Statistische Bundesamt berichtete, dass die Preise bei den Wohnimmobilien im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,4 Prozent gesunken seien.
Ein Preisrutsch ist das nicht und erst recht nicht das Platzen der vielfach berufenen Immobilienblase. Doch viele erinnern sich: Am Ende der ersten Dekade des neuen Jahrtausends war es in den Vereinigten Staaten mit dem Rückgang der Preise bei den Immobilien zur Finanzkrise gekommen, ein beispielloser Einbruch, den auch in Deutschland manche Bank nur mit staatlicher Hilfe überstand. Selbst bei einer deutlicheren Korrektur der Immobilienpreise hierzulande würde dies kein Menetekel für die Gesamtwirtschaft sein. Der Immobilienmarkt ist in Deutschland ein Symptom der gesamtwirtschaftlichen Spannungen, er ist nicht die Ursache für die Verwerfungen, die sich im Zusammenhang mit der Inflation und ihrer Bekämpfung durch die höheren Zinsen für die Finanzierung ergeben.
Selbst in den Ballungsgebieten, in den deutschen Toplagen wie in Frankfurt oder München, sind leichte Preisrückgänge zu erkennen. So jedenfalls berichten ansässige Makler, die wieder Spielraum für Preisverhandlungen sehen. Insgesamt wird viel darüber spekuliert, wie sich die Preise für Wohnraum weiterentwickeln. Die prognostizierten Werte liegen weit auseinander. An der Spitze liegen Preiskorrekturen, die mit einem Minus von 20 Prozent kalkulieren. Aber auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht für 2023 von Rückgängen in Höhe von bis zu 10 Prozent aus. Weniger pessimistisch sieht das die DZ Bank, deren Erwartungen bei einem Minus von 4 bis 6 Prozent im laufenden Jahr liegen. Die Schweizer Großbank UBS hat den weltweiten Markt im Blick und veröffentlicht einen „Bubble-Index“. Nach Aussage ihrer Experten ist Frankfurts Immobilienmarkt deutlich überhitzt. Frankfurt liegt international auf Platz 2 beim Risiko des Platzens einer Immobilienblase – an erster Stelle steht Toronto und hinter Zürich (3.) folgt München auf Platz 4.
Investoren oder Häuslebauer
Anzumerken ist bei diesem Index, dass er sich an größere Anleger wendet, die ihr Risiko eingrenzen wollen. Private Besitzer von Eigenheimen müssen sich hier nicht angesprochen fühlen. Doch auch und gerade Privatpersonen sind als potenzielle Käufer von den Marktänderungen betroffen. War der Markt für Immobilien gerade in besseren Lagen wie leergefegt, so gibt es nun wieder mehr Angebote in den Schaukästen der Makler und bei den einschlägigen Internetadressen. Von „billig“ kann dabei aber keine Rede sein. So haben die Preise für Wohnungen in Frankfurt in den letzten fünf Jahren um 60 Prozent zugelegt. Und noch zwischen Mitte 2021 und Sommer 2022 waren die Immobilienpreise um 5 Prozentpunkte gestiegen. So würden selbst zweistellige Rückgänge für Eigentümer nicht den Ruin bedeuten. Dennoch ist der psychologische Effekt nicht zu unterschätzen. Mancher Hausbesitzer rechnet sich angesichts der Angebote reich. Entsprechend würde auch bei Privatpersonen, die gar nicht mit dem Gedanken an einem Verkauf spielen, ein sinkender Preis eine Rolle für das weitere Konsumverhalten spielen. Viele Menschen haben den weitaus größten Teil ihres Vermögens in ihrer Immobilie stecken. Da kann schon ein leichter Preisverfall für Ängste sorgen.
Die Gründe für die Abkühlung bei den Preisen für Häuser und Immobilien liegen auf der Hand: Durch die straffere Geldpolitik der EZB nimmt ja nicht nur der Leitzins zu, auch die Finanzierung über den Immobilienkredit ist deutlich teurer geworden. Innerhalb eines Jahres haben sich die Zinsen, die für den Kredit zu zahlen sind, mehr als verdreifacht. Und wie in Brüssel ein Ende der Steigerungen nicht abzusehen ist, so wird wohl auch der Immobilienkredit zunehmend teurer. Der Boom am Häusermarkt war nicht zuletzt getragen von den günstigen Zinsen, die es erlaubten, auch mit wenig Eigenkapital, aber mit der Hoffnung auf weitere Preissteigerungen, sich am Häusermarkt zu engagieren. Wie Übersichten zum Kreditvergabeverhalten der Banken zeigen, schauen diese nun auch genauer hin, wenn es um die Bonität ihrer Schuldner geht. Der Banker muss sich fragen, ob er bei Ausfall des Kredites und einer Verwertung des Hauses noch einen Preis erzielen kann, der die Verluste zumindest eingrenzt.
Die Mieten steigen
Berichtet wird von Stornierungen im Wohnungsbau, massiven Preiserhöhungen bei den Bauleistungen und drohenden Einbrüchen bei Objekten mit schlechter Lage und vor allem mit dürftigen Energiewerten. Und dies geschieht angesichts von rückläufigen Reallöhnen, die die Perspektiven für manchen privaten Hausbauer verengen. Dabei ist der Wohnungsbau in Deutschland schon schwach genug. Der Bedarf ist deutlich höher und drückt nun auf die Mieten, die sich markant steigern. Die DZ Bank spricht davon, dass sich die Preise bei neuen Mietverträgen um 5 Prozent erhöht hätten.
Zum Glück ist im internationalen Vergleich der deutsche Immobilienmarkt recht robust. Das liegt vor allem daran, dass die Kreditverträge mit festen Zinsen ausgestattet sind, die über 10 oder 15 Jahre laufen. In den USA oder in Spanien sind variable Zinssätze üblich, die für Hausbesitzer verhängnisvoll werden können. Versteigerungen sind noch in Erinnerung, weil Besitzer in Großbritannien oder auf der iberischen Halbinsel ihre Raten nicht mehr zahlen konnten. Höhere Kosten bei der Anschlussfinanzierung werden auch bei langfristigen Verträgen in Deutschland einmal fällig werden. Aktuell zeigen sich aber noch keine Notverkäufe, weil die höheren Zinsen vom Hausbesitzer nicht mehr zu tragen wären. Und nicht zu vergessen ist, dass Sachwerte wie Häuser in der Inflation immerhin einen gewissen Schutz gegen den Vermögensverfall bieten.
Quellen: DIW, DZ Bank, Statistisches Bundesamt, Tagespresse, UBS Bank