Inkassogesetz: Neue Regeln im Inkasso
Eine Gesetzesänderung zum 1. Oktober 2021 wirbelt die Branche auf. Creditreform setzt auf den verstärkten Einsatz moderner Technologien und schärft sein Geschäftsmodell.
Es gibt viele Gründe, warum Schuldner Rechnungen nicht bezahlen. Manchmal ist es schlicht Vergesslichkeit: Sie haben die Forderung registriert, aber nicht daran gedacht, diese auch zu begleichen. So etwas ist meist mit einer freundlichen Erinnerung aus der Welt zu schaffen. Häufig ist die Sache jedoch komplizierter. Der Schuldner ist gerade knapp bei Kasse, weil ihn eigene Kunden auf Geld warten lassen oder er womöglich gar keine Aufträge hat. Oder er betrachtet die Forderung seines Lieferanten als Kredit, den er zur Schonung der eigenen Liquidität so lange wie irgend möglich ausreizen will.
Gebühren Anlass für Aufregung
In solchen Fällen das richtige Vorgehen zu wählen und den passenden Ton gegenüber dem Schuldner zu treffen, ist die ureigene Disziplin von Inkassospezialisten wie Creditreform. Sie kümmern sich – ebenso wie auch viele Rechtsanwälte – im Namen des Auftraggebers um die Begleichung der offenen Forderung. Dabei kann das Verfahren vom vorgerichtlichen Inkasso über das gerichtliche Mahnverfahren bis zur Überwachung einer titulierten Forderung reichen. Die Gebühren, die die etwa 2.000 in Deutschland tätigen Inkassodienstleister sowie die Rechtsanwälte für ihre Dienste berechnen, sind immer mal wieder Anlass für Aufregung.
Manche Verbraucherschützer empfinden die Inkassokosten insbesondere bei sehr kleinen Gegenstandswerten im Verhältnis zum Aufwand und zu der zugrunde liegenden Forderung als bisweilen zu hoch. Zum 1. Oktober 2021 treten neue Regelungen zum Inkasso in Kraft, die säumige Zahler in einigen Punkten entlasten, zugleich aber auch grundlegende Veränderungen in der Inkassobranche auslösen werden. Creditreform will neue Technologien intensiv nutzen und das Geschäftsmodell schärfen. So will das Unternehmen seine Marktposition stärken. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Wie sehen die Erleichterungen für Schuldner aus?
Grundsätzlich sind für die Gebühren gesetzliche Höchstgrenzen vorgeschrieben und in sogenannte Gebührensätze eingeteilt. So kann eine Gebühr sowohl einmalig, mehrfach oder auch anteilig anfallen. Daraus ergeben sich Gebührensätze wie etwa 1,0 oder 0,3. Bei nicht bestrittenen Forderungen gilt künftig ein Gebührensatz von 0,9. Zahlt der Schuldner auf eine erste Aufforderung, schrumpft der Satz auf 0,5. Aktuell werden Gebühren in der Größenordnung zwischen 1,0 und 1,3 des Gebührensatzes geltend gemacht. Konkret sind das bei Forderungen bis 500 Euro 49 bis 63,70 Euro. Künftig werden bei rascher Zahlung lediglich 24,50 Euro fällig. Bei einer neu eingeführten Wertstufe für Kleinforderungen bis 50 Euro gilt ab dem 1. Oktober eine 1,0-Geschäftsgebühr von 30 Euro (statt 49 Euro). Da die Regelgebühr jedoch auf 0,9 abgesenkt wird, sind nur 27 Euro und bei Sofortzahlung lediglich 15 Euro erstattungsfähig.
Was ändert sich im Auftreten von Inkassodienstleistern gegenüber Schuldnern?
Inkassodienstleister müssen Schuldner künftig bereits beim ersten Kontakt unter anderem detaillierter darüber informieren, in wessen Auftrag (neben der namentlichen Nennung des Auftraggebers muss auch die Adresse angegeben werden) sie handeln, um welchen Vertrag es geht und die durch den Verzug entstandenen Kosten genau darlegen.
Welche Folgen hat die Gesetzesänderung für die Erlössituation der Inkassodienstleister?
Nach Schätzung von Sebastian Schlegel, Rechtsanwalt und geschäftsführender Gesellschafter der Creditreform Kassel/Fulda Schlegel & Busold KG sowie Vorsitzender der Arbeitsgruppe Forderungsmanagement des Verbands der Vereine Creditreform, werden die Gebühreneinnahmen im vorgerichtlichen Bereich branchenweit um einen zweistelligen Prozentsatz zurückgehen – sowohl für Inkassodienstleister als auch für Rechtsanwälte. Auf der anderen Seite ergeben sich für Inkassodienstleister künftig neue Einnahmepotenziale im gerichtlichen Mahnverfahren. Statt der bisher zulässigen Pauschale von 25 Euro dürfen sie in Zukunft Gebühren in derselben Höhe geltend machen, wie dies Rechtsanwälten bereits heute gestattet ist. Bei einem Streitwert von bis zu 500 Euro sind das etwa 74 Euro.
Warum gab es bisher eine Ungleichbehandlung von Inkassodienstleistern und Rechtsanwälten bei der Geltendmachung von Kosten?
Mit der nunmehr anstehenden Gesetzesänderung endet eine lange Historie der Ungleichbehandlung. Bis Mitte 2008 durften Inkassodienstleister nur außergerichtlich tätig werden. Das änderte sich zum 1. Juli 2008 – mit der Einschränkung, dass sie für ihre Dienste im gerichtlichen Mahnverfahren nur pauschal 25 Euro abrechnen, Rechtsanwälte dagegen eine 1,5-Gebühr plus eine Post- und Kommunikationspauschale beanspruchen konnten. Die vorgerichtlichen Gebühren wurden bereits 2013 angeglichen. Nun folgt die Angleichung auch im gerichtlichen Mahnverfahren.
Wie wird Creditreform auf die Gesetzesänderung reagieren?
„Wir werden unseren bereits eingeschlagenen Weg weiter fortführen“, sagt Sebastian Schlegel. Schon seit einigen Jahren fokussiert Creditreform auf die datengestützte Bearbeitung der Forderungen und nutzt dabei Scoring- und Prognosetools, die eine trennscharfe Beurteilung der Verfahren zulassen. „Dabei schauen wir uns genau an, welche Verfahren außergerichtlich oder gerichtlich erfolgreich beigetrieben werden können. Die außergerichtliche Bearbeitung von Forderungen werden wir noch intensiver an den jeweiligen individuellen Typen der säumigen Kunden ausrichten.“ Mittels statistischer Verfahren, die auch durch Künstliche Intelligenz unterstützt werden, typisiert Creditreform die Schuldner und wählt Maßnahmen unterschiedlich in Kommunikationsmedium, Zeitpunkt und Tonalität.
„Wir nennen diese Vorgehensweise schuldnerorientierte Ansprache“, sagt Schlegel. „So können wir die Erfolge im Interesse unserer Auftraggeber steigern und gleichzeitig die Schuldnerzufriedenheit sichern. In den Fällen, in denen uns eine gerichtliche Bearbeitung sinnvoll erscheint, erhalten wir zukünftig eine faire Vergütung zugesprochen.“ Zudem investiert Creditreform gerade sehr stark in die Weiterentwicklung einer Inkassoplattform, die zu einem plattformbasierten digitalen Ökosystem ausgebaut wird. „Und wir machen es dem Schuldner durch entsprechende digitale Angebote so bequem wie möglich, mit uns zu kommunizieren, Unklarheiten aufzulösen und Zahlungen zu leisten.“
Welche Folgen hat die Gesetzesänderung für den Inkassomarkt?
Inkassodienstleister, die technisch nicht in der Lage sind, ihre Abläufe zu optimieren und die datengestützte Bearbeitung zu realisieren, werden möglicherweise über Preiserhöhungen nachdenken müssen. Beobachter schließen nicht aus, dass die neue Regelung zu einer Bereinigung des Marktes führen wird. Sebastian Schlegel: „Creditreform ist eine starke Marke und verbindet Tradition mit Innovationen – 140 Jahre Inkasso-Erfahrung mit aktuell über 1.000 Inkassoexperten an etwa 160 Standorten in Europa und einem weltweiten Partnernetzwerk, topaktuellen Bonitätsdaten und innovativen Technologien bilden unsere Erfolgsformel für effizientes und kundenorientiertes Inkasso. Damit haben wir eine gute Chance, unsere Marktposition zu stärken.“
Die Anforderungen an Inkassounternehmen werden steigen. Es wird auch weiterhin darauf ankommen, das optimale Verhältnis zwischen nötiger Stringenz bei der Einziehung und gebotener Nachsicht gegenüber dem säumigen Zahler zu finden. Nur mit dem richtigen Know-how und den passenden Daten wird es zukünftig möglich sein, erfolgreiches Inkasso zu betreiben.
„Als Dienstleister sind wir unserem Auftraggeber verpflichtet. Wir werden am Ende daran gemessen, welchen Einziehungserfolg wir hatten“, so Schlegel. „Aber vor allem auch daran, ob säumige Zahler weiterhin Kunden bleiben. Daher agieren wir umsichtig und schuldnerzentriert, aber effektiv, und setzen die Geschäftsbeziehungen unserer Kunden nicht leichtfertig aufs Spiel. Denn Forderungen sind für uns nicht nur Forderungen aus erbrachten Leistungen oder gelieferten Waren, sondern Kundenbeziehungen, die mit ganzheitlichen Lösungen möglichst effizient erhalten bleiben.“