Klimaschutz braucht Wachstum
Die große Mehrheit der Deutschen befürwortet Klimaschutz – vorausgesetzt, er ist weder Wachstumsbremse noch sozialer Sprengstoff. Das gelingt am ehesten mit starken Anreizen statt mit Verboten.
“Anreize ja, Verbote eher nein.“ So fasst Spiegel-Online die Haltung der Deutschen zum Klimaschutz zusammen. Anlass sind neue Zahlen einer Panelbefragung des Kopernikus-Projekts Ariadne. Wo oft von Spaltung gesprochen wird, ist Einigkeit sichtbar. Zwei Drittel der Deutschen befürworten den Ausstieg aus fossilen Energiequellen. Eine große Mehrheit spricht sich für den Ausbau erneuerbarer Energien aus.
Längst haben die Deutschen die Umweltpolitik als vorsorgende Politik begriffen. Das heißt aber nicht, dass jeder Weg zum Klimaschutz recht ist. Die Vereinten Nationen machen es vor: Mit den „Sustainable Development Goals“ haben sie Ziele festgelegt, die Regierungen und Unternehmen als Leitstern dienen. Nachhaltige Entwicklung bedeutet hier, mehr als nur den elementaren Klimaschutz in den Blick zu nehmen. Ökologische Nachhaltigkeit geht nicht ohne soziale und ökonomische. Verzichtsvorgaben können daher keine guten Lösungen sein, wo sie doch Wachstum und Entwicklung ausbremsen, soziale Spannungen hervorrufen und im Zweifel zu wenig auf den Klimaschutz einzahlen. Unbeliebt sind sie ohnehin: So befürworten laut Ariadne-Befragung nur 27 Prozent der Deutschen ein Verbrennerverbot ab 2030.
Sinnvoll subventionieren
Der gesellschaftliche Konsens bleibt: Erneuerbare müssen gestärkt und der Einsatz nicht-erneuerbarer Ressourcen immer weiter eingeschränkt werden – das gebietet die intergenerative Gerechtigkeit. Die soziale Marktwirtschaft ist der beste Weg, um mit knappen Ressourcen umzugehen und diese effizient zu verteilen.
Auch Geld steht nicht unendlich zur Verfügung. Dennoch wird oft klimaschädliches Verhalten subventioniert. Diesel etwa ist steuerlich vergünstigt, auch wenn es die Bundesregierung nicht offiziell als Subvention bezeichnet. Laut Umweltbundesamt entgehen dem Staat dadurch mehrere Milliarden Euro pro Jahr. Geld, das in der Förderung für Ladeinfrastruktur oder Windräder gut aufgehoben wäre. Ebenso unsinnig ist die Steuerbefreiung von Treibstoff, der für innerdeutsche Flüge genutzt wird. Solche klimaschädlichen Vergünstigungen sind im Jahr 2023 kaum zu rechtfertigen.
Unternehmen sind gefordert
Neben der Politik muss auch die Wirtschaft aktiv werden. Doch Energiekrise und Inflation bremsen die Unternehmen seit Monaten aus. Als die Gas- und Strompreise im September ihren bisherigen Höchststand erreichten, gaben in einer Befragung des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) rund 40 Prozent der Unternehmen an, ihre Investitionen in die ökologische Transformation zurückzustellen. Dabei stehen sie ohnehin von allen Seiten unter Druck: neue Regulierungen, hohe Energiepreise, ein steigender Preis für CO2-Zertifikate, dazu die EU-Taxonomie. Die unternehmerische Umwelt ist extrem volatil geworden, langfristige Planung wird erschwert. Gleichzeitig macht die Wirtschaft Mut. Zwischen 1996 und 2019 sind die Treibhausgasemissionen des verarbeitenden Gewerbes um 24 Prozent gesunken, im selben Zeitraum stieg die Bruttowertschöpfung um 37 Prozent. Es ist also möglich, Klimaschutz und Wachstum zu verbinden – wenn wir beide Entwicklungen gleichermaßen vorantreiben.
Prof. Dr. Michael Hüther
leitet seit 2004 als Direktor und Mitglied des Präsidiums das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Mit seinem Team forscht und veröffentlicht er zu Themen wie dem aktuellen Strukturwandel, Ordnungspolitik, aktuellen und vergangenen Wirtschaftskrisen wie auch zur Regulierung der Kapitalmärkte.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Prof. Dr. Michael Hüther