Kredite sind schwieriger zu erhalten
Die Zeiten sind schwierig geworden für Kreditnehmer. Es ist nicht nur der Zins, der sich, getrieben von der Leitzinserhöhung der EZB, deutlich erhöht hat. Angesichts der kritischen gesamtwirtschaftlichen Lage sind die Banken auch vorsichtiger dabei geworden, ihr Geld zu verleihen.
In der Finanzkrise am Ende der ersten Dekade des zweiten Jahrtausends wurde der Begriff „credit crunch“ zum Lehnwort im deutschen Sprachgebrauch. Angesichts der Verwerfungen im Finanzbereich und des Zusammenbruchs einer amerikanischen Großbank war damals zu fürchten, dass sich bei der Kreditvergabe die Läden schließen. Dank des beherzten Eintretens der deutschen Regierung und der EZB gelang es, die Ängste einzudämmen. Die viel berufene Kreditklemme trat nicht ein.
Vergabe restriktiver
Im Herbst 2022 schien die Finanzwelt noch in Ordnung zu sein. Der KfW-Kreditmarktausblick konnte im dritten Quartal des Vorjahres noch einen Rekordwert bei der Steigerung des Kreditneugeschäfts für Unternehmen und Selbstständige melden: Um 36,1 Prozent hatten die Kredite zugelegt. Die öffentliche Bank nennt die Gründe, die zum einen mit den gestiegenen Lieferkettenproblemen zusammenhängen, welche die Unternehmen zwingen, ihre Lager zu vergrößern. Zum anderen waren mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine die Kosten für die Energieversorgung in bisher ungekannte Höhen gestiegen. Damit einher gingen weitere Effekte, so etwa die deutliche Verteuerung von Vorprodukten. Die KfW nimmt die Ausweitungen am Kreditmarkt als Indiz dafür, dass dieser weiterhin intakt ist, dass also angebotsseitig die Nachfrage bei Krediten befriedigt werden kann. Dabei deutet die Bank bereits an, dass der Zugang zu frischem Geld über die Finanzierungsinstitute 2023 wohl schwieriger werde. Tatsächlich ist bei den Erhöhungen des Leitzinses durch die EZB kein Ende in Sicht. Die nächste Sitzung im März wird nach Meinung der Auguren einen erneuten Zinsschritt von 50 Punkten bringen.
In allen drei Sektoren weniger Kredite
Zum Monatsultimo Januar 2023 veröffentlichten EZB und Bundesbank den aktuellen Bank Lending Survey, kurz BLS. Hier zeichnet sich ein deutlich nüchterneres Bild ab. Die Umfrage unter den Banken im Euroraum zieht zunächst auf die internen Kreditvergaberichtlinien der Banken ab. Der Nettoanteil von Banken, die ihre Anforderungen an den Kreditnehmer erhöhten, lag bei den Unternehmenskrediten bei plus 19 Prozent, bei den Konsumenten- sowie sonstigen Krediten bei 25 Prozent und bei den Wohnungsbaukrediten sogar bei 29 Prozent. Bei den Unternehmen spielen wohl die deutlich trüberen Konjunkturaussichten eine wesentliche Rolle für die Zurückhaltung der Institute, bei den Wohnungsbaukrediten sind es die Rückgänge beim Immobiliengeschäft, welche die Bankhäuser vorsichtiger machen.
Die Umfrage fand von Ende Dezember bis zum 10. Januar 2023 statt und an ihr nahmen auch 33 deutsche Banken teil. Diese Banken, die als repräsentativ anzusehen sind, berichteten auch, dass die Nachfrage der Unternehmen deutlich abgenommen habe – dabei war sie seit 2014 noch ständig gestiegen. Umfragen der Creditreform Wirtschaftsforschung unter mittelständischen Unternehmen zeigten bereits im Herbst, dass sich die Betriebe angesichts der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Lage, aber auch bedingt durch die gestiegenen Finanzierungskosten, mit Investitionen deutlich zurückhalten. KMU investieren nur noch in Ersatz oder Rationalisierung, kaum aber in Erweiterung und neue Anlagen. Es gilt aber auch: Die Quote von Kreditablehnungen nahm gegenüber dem Vorquartal spürbar zu. Einen Einbruch in der Nachfrage erlebten Wohnungsbaukredite. Der Rückgang war der stärkste registrierte seit Einführung des BLS 2002. Die Banken sprechen in diesem Zusammenhang davon, dass ein gestiegenes allgemeines Zinsniveau, die nach Einschätzung der Kreditnehmer deutlich verschlechterten Aussichten am Wohnimmobilienmarkt und schließlich insgesamt das gesunkene Verbraucher- vertrauen für die Rückgänge verantwortlich sind. Anzuführen ist aber auch, dass die Banken die Kreditanträge privater Haushalte deutlich häufiger als im Vorquartal ablehnten. Weniger Nachfrage auf der einen Seite und eine restriktive Vergabepolitik auf der anderen Seite führen zusammen zu einem geringeren Kreditaufkommen. Dabei ist es nach Aussage der Banken bisher noch nicht zu einer deutlich größeren Zahl von Kreditausfällen gekommen. Die Quote der sogenannten „non-performing loans“ trug im zweiten Halbjahr 2022 „nur marginal zu einer Straffung ihrer Kreditvergabepolitik im Geschäft mit Unternehmen bei“.
Die BaFin greift ein
Nun hat die schwierige Situation auch die Aufsichtsbehörden auf den Plan gerufen. Neue regulatorische Maßnahmen sind eingeführt worden, die etwa die Banken zu einer Erhöhung ihrer Eigenkapitalquote führen. Die BaFin, zuständig für das deutsche Finanzgewerbe, hat die Erhöhung des antizyklischen Kapitalpuffers angekündigt und spricht von der Einführung eines Systemrisikopuffers für den Wohnimmobiliensektor. Noch fallen die Ausfälle bei den Krediten nicht ins Gewicht, doch ist die Vorsicht der aufsichtführenden Behörden angebracht. Die NPL-Quote wird wohl im laufenden Jahr höher ausfallen und damit wird sich auch die restriktive Haltung bei der Kreditvergabe noch steigern. Die Bundesbank schreibt: „Strengere Maßstäbe legten die Banken vor allem im Verarbeitenden Gewerbe an – und hier insbesondere bei energieintensiven Unternehmen sowie im Immobiliensektor.“
Mehr denn je gilt: Auch wenn die Energiepreise seit dem Sommer ein wenig günstiger geworden sind, ist ebenfalls (und gerade) unter wirtschaftlicher Sicht auf ein Ende des Konflikts in Osteuropa zu setzen.
Quellen: Bank Landing Survey für Deutschland, KfW Kreditmarktausblick