Kredite: Weniger Nachfrage, weniger Vergabe
Der „Bank Lending Survey“ ist eine hervorragende Quelle, wenn es darum geht, die Kreditnutzung in Deutschland und in Europa zu prüfen. Dabei geht es um alle Formen von Krediten, seien die Kreditnehmer nun Unternehmen oder seien es Verbraucher- oder Immobilienkredite.
Der Fragebogen zielt aber nicht nur auf die Nachfrage ab, sondern fragt die Kreditgeber, die Banken selbst, nach ihren hausinternen Vorgaben für die Kreditvergabe. Ergänzt wird dies alles durch eine Analyse zur Stabilität der Finanzinstitute gerade im Hinblick auf ihre Kreditvergabepolitik. Die Bundesbank berichtet quartalweise über die Ergebnisse der jeweils aktuellen Auswertung. Dabei finden besonders die beiden ersten Quartale 2022 Beachtung, weil durch den Krieg in der Ukraine und die auch dadurch angetriebene Inflation bei einer Zinswende mit der Erhöhung des Leitzinses eine völlig neue Situation im Hinblick auf die Kredite geschaffen wurde.
Zu Jahresanfang noch starke Kreditvergabe
Es mag zunächst überraschen, dass jedenfalls im ersten Halbjahr 2022 die Kreditnachfrage von Unternehmensseite in Deutschland wieder anzog. Eine Entwicklung, die bereits im Herbst 2021 in Europa eingesetzt hatte. Die Bundesbank vermutet nun, dass die Unterbrechung der Lieferketten und die Probleme beim Einkauf von Rohstoffen und Halbwaren dazu geführt haben, dass via Kredit eine stärkere Lagerhaltung und höhere Betriebsmittel erforderlich waren. Ein solchermaßen gestiegener Bedarf war wohl auch Ausdruck der Vorsicht vor der weiteren Entwicklung im Hinblick auf den Krieg in Osteuropa. Zur Jahresmitte hingegen führte diese Vorsicht oder Umsicht dazu, dass die Unternehmen weniger Kreditbedarf zeigten. Die Untersuchungen von Creditreform im Mittelstand insgesamt und besonders im Handwerk zeigen, dass Anlageinvestitionen deutlich zurückgefahren worden sind, da sich ab März mit dem Einstellen des Kaufs von Anleihen durch die EZB bereits eine Zinswende abzeichnete.
Die Kreditnachfrage hat sich aber im zweiten Quartal 2022 nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch bei den Konsumenten und bei der Nachfrage nach Wohnungsbaukrediten abgeschwächt. Waren noch im ersten Quartal des laufenden Jahres Wünsche nach einem Immobilienkredit stärker gestiegen als von den Banken erwartet, so kann dies wohl auch damit erklärt werden, dass es sich um einen Vorzieheffekt handelte, weil einer Erhöhung der Zinsen, wie sie ja tatsächlich stattgefunden hat, auszuweichen war. Für die Konsumentenkredite galt allerdings, dass diese Faktoren nur eine untergeordnete Rolle spielten: Die Vergabe von Krediten an Privatpersonen zur Finanzierung von Konsum nahmen insgesamt weiter zu. Nach Ansicht der befragten Banken wird diese Nachfrage im dritten Quartal 2022 wohl deutlich einbrechen. Das gilt für eine etwa um das Dreifache gestiegene Zinserhöhung beim Immobilienkredit, aber auch für den Konsumentenkredit. Es ist hier nicht nur die Zinssituation, sondern das schwindende Vertrauen der Verbraucher in die weitere Entwicklung angesichts von massiven Energiepreiserhöhungen und einer insgesamt starken Inflation – vor allem beim Einkauf von Nahrungsmitteln, die für Zurückhaltung sorgen. Schätzungen gehen davon aus, dass die Sparquote – bezogen auf das verfügbare Einkommen – bereits wieder einstellig geworden ist.
Weniger Kredit
Die Kreditvergabe wird sich in Europa und in Deutschland nicht nur wegen einer geringeren Nachfrage – etwa durch die verschlechterte Konjunktur und der vergrößerten Unsicherheit – vermindern. Auch die Banken werden wohl, soweit gibt der Bank Lending Survey bereits über die Erwartungen Auskunft, zurückhaltender agieren. Bereits mit dem Ausbruch der Pandemie war die Kreditvergabepolitik deutlich restriktiver geworden. Nach Ansicht der Bundesbank hat diese Straffung durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine wohl zunächst nicht weiter zugenommen. Im zweiten Quartal 2022 sprachen die Banken dann allerdings von stark steigenden Kreditrisiken, die sie motiviert haben, die Zügel fester in die Hand zu nehmen. Im dritten Quartal wird dies tendenziell noch zunehmen. Dies ist eine Entwicklung, die von der EZB durchaus gewollt ist.
Es ist viel die Rede davon, dass die wieder steigenden Zinsen vor allem dem Bausektor und den Immobilien zu schaffen machen werden. Und tatsächlich haben die Banken bereits in den ersten beiden Quartalen 2022, also noch vor der ersten Zinserhöhung durch die EZB im Juli des Jahres, strengere Maßstäbe für die Vergabe eines Wohnungsbaukredites angelegt. Nach Aussage der Bundesbank und der Befragung war diese Straffung so scharf wie noch nie seit Einführung der Bankbefragung im Jahre 2003. Die Zahl abgelehnter Immobilienkredite stieg in Europa und in Deutschland markant an. Die verschärften Restriktionen treffen nicht nur den Hausbau, auch bei den Konsumentenkrediten kam es im zweiten Quartal zu stärkerer Zurückhaltung bei der Kreditvergabepolitik – eine Haltung, die sich im dritten Quartal zum Herbst hin fortsetzen wird.
Was dies für den jahrelang expansiven Wohnungs- und Häuserbau bedeutet, lässt sich leicht ausrechnen und ist gesamtwirtschaftlich angesichts der Blasen, die sich bei den Werten von Immobilien bereits zu bilden begonnen hatten, vielleicht auch wünschenswert. Angesichts der schwachen Konjunktur, nicht zuletzt auch bedingt durch die Zurückhaltung der Verbraucher beim Konsum, bleibt für diesen Kreditmarkt wenig zu erhoffen. Nach einer jüngsten Befragung durch das DIW in Berlin nutzt jeder Fünfte in Deutschland einen Konsumenten- oder Dispokredit zur Finanzierung seiner Konsumwünsche.
Die Kreditnachfrage ist gesunken, die Kreditrisiken sind gestiegen. Besonders deutlich wird dies im Immobiliensektor. Mit einer Entspannung der Situation ist angesichts der schweren Krisen vorerst nicht zu rechnen.
Quellen: Bundesbank, DIW