Persönliches Linkedin-Profil: Sind Sie privat hier?
Menschen wollen mit Menschen reden. Soziale Netzwerke wie Linkedin haben das erkannt und gewichten die Aktivitäten von Personen höher als die von Organisationen. Warum Mitarbeiter und Management ihre persönlichen Profile pflegen sollten und wie sie zu Erfolgsfaktoren fürs Unternehmen werden.
Was Astrid Kernder auf Linkedin für ihren Arbeitgeber tut, ist unbezahlbar. Die Personalreferentin Recruiting bei Datagroup lässt keinen Zweifel daran, für wen sie arbeitet und warum. Mal postet sie Fotos ihrer Willkommensgeschenke für die neuen Auszubildenden des baden-württembergischen IT-Dienstleisters, mal einen Link auf die Unternehmenswerte, mal eine Stellenanzeige für einen Sharepoint-Spezialisten.
Alles auf ihrem persönlichen Linkedin-Profil. Ihre Aussage: „Schön ist es hier bei uns in Pliezhausen. Kommt her und probiert es aus.“ Der Wert eines persönlichen Profils auf Linkedin lässt sich durchaus beziffern. Das Tool dafür stellt das Netzwerk selbst zur Verfügung, es heißt Social Selling Index, um es zu nutzen, muss man bei Linkedin eingeloggt sein. Er bildet ab, inwiefern eine Person sich selbst als Marke positioniert, die richtigen Zielpersonen findet, durch Einblicke Interesse weckt und relevante Beziehungen aufbaut. Auch Vergleiche zu anderen Linkedin-Mitgliedern der eigenen Branche und im eigenen Netzwerk erlaubt der Social Selling Index.
Social Selling – der Ansatz basiert auf der Erkenntnis, dass die meisten Verkäufe Teil eines sozialen Prozesses sind, unabhängig davon, was verkauft werden soll: ein Produkt, eine Dienstleistung, ein Arbeitgeber. Studien belegen diese These. Laut Gartner sind durchschnittlich 6,8 Personen in eine B2B-Einkaufsentscheidung eingebunden. Gleichzeitig informieren sich Käufer verstärkt im Internet und in sozialen Medien, bevor sie sich mit einer Salesperson in Verbindung setzen. Insbesondere der Einfluss von Linkedin ist stark gewachsen. Während das Netzwerk Ende März 2020 weltweit mehr als 640 Millionen Mitglieder verfügte, verzeichnet es im aktuellen Quartal bereits 756 Millionen. Davon stammen mehr als 16 Millionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Der Gedanke, Linkedin als Verkaufskanal zu nutzen, liegt also aus mehreren Gründen nahe.
Kommunikation zielgenau steuern auf Linkedin
Sascha Schneider nutzt Zahlen wie diese. Der Linkedin-Coach verdeutlicht damit seinen Seminarteilnehmern, warum ihr persönliches Profil in dem Netzwerk entscheidend ist: „Menschen machen mit anderen Menschen Geschäfte“, sagt er. Eine Unternehmenspräsenz allein sei zu wenig. „Wenn die persönlichen Profile dahinter nicht passen, bleibt auch der Erfolg einer Unternehmensseite aus.“ Im Bereich Sales traut er Linkedin einiges zu. Mit den von der Plattform erhobenen Daten ließen sich Zielgruppen genau definieren, so Schneider: „Alle Geschäftsführer innerhalb einer bestimmten Branche und Region in Unternehmen ab 50 Mitarbeitern aufwärts erreichen – so spezifisch lässt sich die Kommunikation steuern.“ Das hilft, um potenzielle Kunden ganz gezielt anzusprechen. „Wenn wir alles richtig machen, brauchen wir niemanden mehr kalt anrufen.“
Vereint und doch eigenständig: verschiedene Unternehmensstandorte auf Linkedin abbilden
Davon ist auch Sarah Berger-Niemann überzeugt. Als Leiterin der Unternehmenskommunikation ist sie der Kopf hinter der Kommunikationsstrategie der Datagroup SE. Vor vier Jahren stand sie vor der Herausforderung, ein Unternehmen unter dem Dach einer Marke zu vereinen, das zu einem beträchtlichen Teil durch Zukäufe von IT-Dienstleistern in ganz Deutschland besteht – nach durchschnittlich zwei Käufen pro Jahr liegt der Mittelständler aktuell bei rund 3.500 Mitarbeitern an etwa 30 Standorten.
„All diese Unternehmen haben ihre eigene Kultur und Geschichte“, sagt Berger-Niemann. „Und die sollen sie auch behalten.“
Vereint und doch eigenständig. Um beides auf Linkedin abzubilden, holte sich die Kommunikationsexpertin den Linkedin-Spezialisten Sascha Schneider an die Seite. Gemeinsam gelang es ihnen, die Mitarbeiter davon zu überzeugen, dass sie nur vereint maximale Schlagkraft in dem Netzwerk entfalten können. Das bedeutete: Abschied von einzelnen, regionalen Seiten und Produktpräsenzen. Auch der bisherige Name der Unternehmensseite wurde geändert. Aus „Datagroup SE“ wurde schlicht „Datagroup“, damit sich auch all jene auf Linkedin zugehörig fühlen können, die nicht direkt am Hauptsitz der Holding in Pliezhausen arbeiten.
Freiwillig aktiv auf Linkedin
Oder sie lassen es. Denn die Teilnahme an Schneiders Seminaren ist bei Datagroup freiwillig. Ebenso das Anlegen und Pflegen persönlicher Profile, Reaktionen auf Posts der Unternehmenswebsite oder das Teilen von Inhalten. Niemand muss, aber wer aktiv werden will, darf auf Unterstützung hoffen. Berger-Niemann und ihr Team versorgen die Mitarbeiter mit Fotos, Texten und anderem Content – einzig den persönlichen Bereich im Linkedin-Profil („Info“) füllt jeder selbst aus. „Einige wenige Grenzen haben wir auch aufgezeigt: Wenn das Datagroup-Logo verwendet wird, möchten wir das Posting vorher sehen. Politische und religiöse Aussagen im Namen der Gruppe bitten wir zu unterlassen.“
Linkedin: Mehr bewirken als Leads generieren
Personalreferentin Kernder war nicht die Einzige, die sich von dieser Strategie überzeugen ließ. Kommunikationschefin Berger-Niemann berichtet von einer Gruppe von Sales-Mitarbeitern, die ein selbst erdachtes Videoformat in Eigenregie produzieren – vom Drehbuch bis zum Hashtag. Wie solche Aktivitäten nicht nur in die Marke Datagroup einzahlen, sondern sich in KPIs wie generierten Leads, Verkäufen und – wie im Fall von Kernder – rekrutierten Mitarbeitern messen lassen, kann Berger-Niemann noch nicht sagen. „Wir stehen noch am Beginn unserer Aktivitäten auf Linkedin.“ Fest steht aber schon jetzt: Fernab von Leads und Conversions hat die neue Strategie etwas bewirkt. „Die Aktivitäten auf Linkedin haben dazu beigetragen, dass sich die Mitarbeiter nicht mehr als Datagroup Bremen, Datagroup Hamburg oder Datagroup Stuttgart sehen“, sagt Berger-Niemann. „Sie nehmen sich jetzt als Teil der gesamten Gruppe wahr.“ Und das ist vor allem eines: unbezahlbar.