Sanierung lohnt sich
Im März vor zehn Jahren trat die Insolvenzrechtsreform in Kraft, die vor allem mit den Sanierungsinstrumenten der Eigenverwaltung und des Schutzschirmverfahrens einen weiteren Schritt tat, insolvente Unternehmen wieder marktfähig zu machen.
Die Insolvenzverwalter und Sanierungsberater von Schultze & Braun haben nun anlässlich des Jubiläums eine Untersuchung veröffentlicht, die zum ersten Mal klären möchte, wie nachhaltig Sanierungen im Insolvenzverfahren in der Eigenverwaltung oder mit dem Schutzschirm gelingen. Zweitinsolvenzen sind nur allzu bekannt – das betraf unter anderem die Kaufhauskette „Strauss Innovation“, die Firma „Kettler“ oder den Automobilzulieferer „JD Norman“. Diesen und weiteren Unternehmen ist gemeinsam, dass sie nach dem ersten Insolvenzantrag und dem Versuch wieder auf die Beine zu kommen, bald erneut wieder Insolvenz anmelden mussten. Die Berater haben nun die Frage nach der Nachhaltigkeit einer Sanierung im Zuge der Insolvenz weiter gefasst als die wenigen prominenten Beispiele es zulassen. Dabei kamen 114 Zweitinsolvenzen zusammen, die nun im Kontext des gesamten Regelinsolvenzaufkommens analysiert wurden.
Reform hat Erfolg
Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt bei den ESUG-Verfahren, auch wenn bei den Zweitinsolvenzen die Insolvenzen ohne ESUG-Bezug mit 70 Fällen überwiegen. Insgesamt muss die Anzahl dieser Fälle jedoch vor der Gesamtzahl von über 54.000 Regelinsolvenzverfahren gesehen werden. Hinzu kommt eine weitere Zahl zum Anteil der ESUG-Verfahren, die für die Einordnung der hier untersuchten 44 Zweitinsolvenzen gegeben war: Insgesamt kam es im Zeitraum für die Untersuchung zu fast 2.200 Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren.
Das Ergebnis der Untersuchung beschreibt Volker Böhm, Fachanwalt für Insolvenzrecht bei Schultze & Braun: „Die untersuchten Zweitinsolvenzen zeigen klar, dass ESUG-Verfahren und Regelinsolvenzen nachhaltig sind. Bei rund 2.200 Eigenverwaltungen und Schutzschirmverfahren über zehn Jahre sind 44 Zweitinsolvenzen eine Nachhaltigkeitsquote, die sich definitiv sehen lassen kann“. Für die Datenbasis ist allerdings hinzuzufügen, dass es keine Veröffentlichungspflicht für Schutzschirmverfahren gibt. Dennoch können die Berater davon ausgehen, dass die meisten Schutzschirmverfahren ihren Weg in die Analyse gefunden haben. Schwierig wird es auch bei übertragenden Sanierungen, die infolge von Namensänderungen etwa nur schwer identifizierbar sind und deren Scheitern als Zweitinsolvenz dann nicht einbezogen wurde.
Interessant ist die Tatsache, dass bei den untersuchten Zweitinsolvenzen die ESUG-Verfahren nicht besser abschnitten als die Sanierungen im Zuge des Regelinsolvenzverfahrens. Böhm unterstreicht diese Kernaussage: „Unsere Untersuchung macht deutlich, dass in dem Instrumentenkoffer eines Sanierers die ESUG-Verfahren, aber genauso auch das Regelinsolvenzverfahren und die seit 2021 möglichen StaRUG-Restrukturierungen, gehören“. Festzuhalten bleibt: Nur in 0,0013 Fällen kommt es bei Einsatz des Regelinsolvenzverfahrens zu einer Zweitinsolvenz. Bei den eingesetzten Instrumenten der Eigenverwaltung des ESUG-Verfahrens sind es nur 0,02 Insolvenzen und damit ein Scheitern der Sanierung.
„Zombifzierung“ bei aufgeschobener Sanierung
Corona hat auch einen Effekt auf die Zweitinsolvenzen gehabt. Für die drei letzten Jahre vor der Pandemie sprechen die Berater von einer „Zweitinsolvenzen-Welle“. Diese Welle wurde im Zeichen von Corona gebrochen. Die Gründe liegen auf der Hand: Das Aussetzen der Insolvenzantragspflicht und die vielen Finanzhilfen, die zur Unterstützung der Unternehmen bereitgestellt wurden, haben für die stark rückläufige Zahl der Insolvenzen und damit auch der Zweitinsolvenzen gesorgt. Einmal mehr ein Grund zur Besorgnis, denn durch die Finanzhilfen wurden eigentlich anstehende Sanierungen, in welchem Verfahren auch immer, ausgesetzt und sogar verschleiert. Die Berater von Schultze & Braun befürchten nun, dass es in „gesünderen“ Zeiten nun einen starken Anstieg der Zweitinsolvenzen geben wird.
Ein weiteres wichtiges Ergebnis zeigt die Untersuchung: Hat ein saniertes Unternehmen fünf Jahre überlebt, so sind die Chancen gut, dass es zu keiner Zweitinsolvenz mehr kommen wird. Erfolglose Sanierungsbemühungen machen sich also schon nach wenigen Jahren deutlich bemerkbar. Unternehmen, die innerhalb von fünf Jahren einen zweiten Insolvenzantrag stellen müssen, werden 1,5-mal häufiger abgewickelt als saniert. Das ist ein Grund, bei der ersten Sanierung im Zuge der Insolvenz gründlich vorzugehen. Halbherzigkeit und kurzfristige Erfolge verhindern die Nachhaltigkeit der Sanierung – und auf die kommt es schließlich an.
Quelle: Schultze & Braun