Schuldenstreit auf beiden Seiten des Atlantiks
Drückende Schulden sind ein Problem nicht nur für Europa, sondern auch für die Vereinigten Staaten von Amerika. Während die Diskussion in Europa aktuell zum Thema Schuldenobergrenze zwischen den einzelnen Ländern konstruktiv geführt wird und um Lösungen bemüht ist, stehen sich in den USA die beiden politischen Blöcke, Demokraten und Republikaner, feindlich gegenüber.
Es ist fast schon ein wenig Routine, was Finanzministerin Yellen nun fordert. Einmal mehr soll der Kongress die festgelegte Schuldenobergrenze erhöhen, damit der Staat nicht zahlungsunfähig wird. Aktuell liegt diese gesetzliche Schuldenobergrenze bei 31,4 Billionen Dollar. Eine Grenze bei der Verschuldung wird schon seit 1917 gezogen und alleine seit 1962 wurde sie achtzigmal nach oben erweitert. Doch sollte niemand darauf setzen, dass es auch diesmal zur Einigung kommt, denn die Folgen bei einem anhaltenden Dissens wären verheerend, wie das Jahr 2011 zeigte, als angesichts des Patts und des Tauziehens die Ratingagenturen die Bonität herabstuften und die amerikanische Wirtschaft ins Trudeln kam. Damals entstand ein Milliarden-Schaden durch abstürzende Aktienkurse und ansteigende Zinsen.
Größte Volkswirtschaft der Welt
Auch wenn die Billionen-Höhe der Staatsverschuldung für europäische Verhältnisse gewaltig ist, zeigt doch der Blick auf die Relation von Schuldenhöhe zum Bruttoinlandsprodukt, dass die USA immer noch besser abschneidet als manche Länder in der Europäischen Union. Im Jahr 2023 beträgt die Schuldenhöhe nach Schätzungen gut 122 Prozent des BIP. Nach dem Gipfel in der Verschuldung im Zeichen der Corona- Pandemie mit 133,5 Prozent war es zunächst gelungen – wie auch in vielen Ländern der Europäischen Gemeinschaft – die Schulden zurückzufahren. Allerdings ist festzuhalten, dass auf beiden Kontinenten diese Rückführung auch der wirtschaftlichen Erholung und der Inflation zu verdanken ist.
Schwierig ist die Auseinandersetzung zwischen den politischen Blöcken aber auch wegen der steigenden Zinsen und dem Gewicht, das amerikanische Staatsanleihen auf den Märkten der Welt haben. So ist die Hälfte aller Staatsanleihen aus den USA. Wie in Europa sorgen die Zinsanhebungen der Zentralbank im Kampf gegen die Inflation dafür, dass es für die Staaten teurer wird auf dem Weg, von Anleihen Geld aufzunehmen. Wie in der Finanzkrise auch ist die FED bei der Anhebung der Leitzinsen sehr viel offensiver als die Europäische Zentralbank. Aktuell liegt die FED bei 4,75 Prozent, was zu Anleihen-Renditen Anfang Mai von rund 3,6 Prozent führte. Die EZB hatte bei ihrer letzten Sitzung den wichtigsten Leitzinssatz auf 3,5 Prozent erhöht. Experten gehen davon aus, dass die nächste Erhöhung Anfang dieses Monats zwischen 0,25 und 0,5 Prozent beträgt. Eben solche Prognosen für die USA gehen von einer Anhebung bis zu 6 Prozent bei den Leitzinsen aus. Im Hinblick auf die Verschuldung und die prekäre Situation bei der Ausgabe von Staatsanleihen muss man sich vor Augen halten, dass die Rendite amerikanischer Papiere vor zwei Jahren noch bei deutlich unter einem Prozent lag.
Unterschiedliche Ideologien
Im Streit zwischen Republikanern und Demokraten geht es im Hintergrund eines geforderten Schuldendeckels um eine grundsätzlich andere Anschauung im Hinblick auf das „Deficit Spending“ der aktuellen Regierung mit Präsident Biden an der Spitze. Jüngstes Beispiel dieser Krise und des Tauziehens zwischen den beiden Parteien ist der Schuldenerlass, den der Präsident im letzten Jahr für die Schulden aus den Studiengebühren anordnen wollte. Tatsächlich starten viele amerikanische Bürger mit einem Berg von Schulden in ihr Berufsleben, weil es üblich ist, das Studium mit Krediten zu finanzieren. Nun wollte die Regierung zumindest teilweise einen Verzicht auf die Rückzahlung. Die Republikaner blockierten und die Angelegenheit landete vor Gericht – mittlerweile vor dem Supreme Court. Insgesamt möchten die Republikaner die Sozialausgaben bremsen. Ein Problem, das auch die politische Diskussion hierzulande beschäftigt: Wie viel Sozialstaat können wir uns leisten? In dieser Auseinandersetzung ist man in den USA allerdings weniger zimperlich. Nach den Zwischenwahlen haben die Republikaner eine Mehrheit, die sie auch nutzen, um Joe Biden persönlich anzugreifen. Drastisch sprach der Vorsitzende des Kontrollausschusses bereits im November nach der Wahl davon, dass „die Geschäfte der Familie Biden eine Vielzahl von Straftaten, von Menschenhandel bis zur möglichen Verletzung der Verfassung“ umfassen.
Einen Eklat wie in Europa mit der Credit Suisse und der UBS, einer Zwangsfusion, die für einige Zweifel an der Stabilität des Banksystems sorgte, so registrierte die Finanzwelt zum Mai 2022 auch einen Bankverkauf aus einer akuten Notlage in den USA. Die amerikanische „First Republic“ war angeschlagen und die Großbank „GP Morgan Chase“ hat übernommen. Ins Straucheln geraten war die First Republic durch den Abzug von Kundengeldern. Dabei galt gerade sie als sicher, weil sie wohlhabende Kunden vorzeigen konnte und damit ein geringeres Risiko von Verlusten im Kreditgeschäft zu befürchten war. Wie bei der Silicon Valley Bank und der Signature Bank waren die Einlagen allerdings nicht gesichert, weil sie in vielen Fällen über 250. 000 Dollar betrugen. Nun wird saniert, die Aufsicht ist gefragt und auch der Präsident lässt verlauten, das Banksystem in den USA sei sicher. Biden betont, dass der Steuerzahler nicht belastet werde.
Die amerikanische Schuldenkrise und die Weigerung der Republikaner, einer weiteren Erhöhung des Schuldenrahmens zuzustimmen, ist über die grundsätzlich unterschiedliche Auffassung zu Schulden und Sozialleistungen auch Ausdruck eines aggressiv geführten Machtkampfes, der vernünftigen Lösungen im Wege stehen kann. Ein solcher politischer Stil ist in der Europäischen Union nicht üblich.
Quelle: Tagesmedien