Trübe Aussichten: Insolvenzen international
Insolvenzen von Unternehmen sind in Deutschland rückläufig. Im ersten Halbjahr 2021 gab es weniger Unternehmensinsolvenzen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres, als ein radikaler Lockdown die Wirtschaft zum Stillstand brachte.
Aber nicht nur hierzulande bestimmten geringere Zahlen zum Insolvenzgeschehen das Bild. Auch die europäischen Länder zeigten fast durchgängig eine Abnahme bei den Unternehmensinsolvenzen. Unter Experten ist unbestritten, dass fiskalische Maßnahmen für diese Entwicklung verantwortlich waren. Das waren zum einen die Aussetzung der Pflicht zum Insolvenzantrag, zum anderen die Fördermaßnahmen, die Gelder und Kredite für notleidende Betriebe zur Verfügung stellten. Fast alle Staaten haben im Zuge der Corona-Krise solche Hilfspakete geschnürt, um einen Einbruch in der Unternehmenslandschaft durch Insolvenzen zu vermeiden.
Pleiten rückläufig
Bereits im Mai hatte die Creditreform Wirtschaftsforschung ein Minus von 27 Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen 2020 in Westeuropa gemeldet. In Osteuropa waren es knapp 9 Prozent weniger Unternehmenspleiten in 2020. Eine paradoxe Situation bestimmte das Bild im Vorjahr: Trotz der großen Wirtschaftskrise konnte der Bestand an Unternehmen fast gehalten werden. Es war nicht nur in 2020 zu keiner Insolvenzwelle gekommen, wie viele gefürchtet hatten, sondern es waren sogar weniger Insolvenzen als in Zeiten guter Konjunktur. Nun stand und steht aber die Frage im Raum, was nach dem Auslaufen der Unterstützungsmaßnahmen geschieht. Die Angst war da, dass es zu einem Nachholprozess kommen würde, dem zahlreiche Unternehmen, vor allem sogenannte Zombies, schließlich doch noch via Insolvenz zum Opfer fallen würden.
Die aktuelle Bewertung der Insolvenzen ist aber nicht nur schwierig, weil die fiskalischen Maßnahmen die tatsächliche Stabilität der Unternehmen nicht richtig wiedergeben, sondern auch deshalb, weil die Registergerichte in Europa nur wenig zeitnah arbeiten und veröffentlichen. Auch bei der Aufnahme der Insolvenz bei den zuständigen Stellen war es durch Schließungen und Personalmangel zu einem Flaschenhals gekommen. Deshalb ist in Europa und weltweit wohl manche Unternehmensinsolvenz noch nicht aktenkundig und damit auch noch nicht für die Statistik zugängig. Ein Blick auf das europäische Insolvenz-Portal und von da aus auf die einzelnen Länderberichte zeigt, dass in vielen Fällen noch nicht einmal für 2019 alle Zahlen zur Verfügung stehen.
Nicht sehr optimistisch
Interessant für die weitere Abschätzung der Insolvenzen für das laufende Jahr, aber auch für 2022 ist nun eine Veröffentlichung des Kreditversicherers Atradius. Trotz der Erholung der Weltwirtschaft geht das Unternehmen davon aus, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen 2022 ein Plus von 33 Prozent gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 zeigen werde. Für 2021 geht Atradius weltweit noch von einem Rückgang von einem Prozent aus. Eine Begründung für diese pessimistische Aussicht ist mit dem Auslaufen der fiskalischen Hilfsmaßnahmen gegeben. Man werde wieder zum „Normalen“ zurückkehren und damit bei der Insolvenzsituation zu Zeiten vor Corona. Es ist aber nicht nur die Schwächung der Unternehmen durch das Auslaufen der Krisen-Unterstützung, das für einen Wiederanstieg sorgt. Befürchtet wird auch eine Verlangsamung des weltwirtschaftlichen Wachstums. Der globale Aufschwung hat sich zuletzt abgeschwächt. Zwar kam es noch zu einem hauchdünnen Wachstum bei der Industrieproduktion und dem Welthandelsvolumen, insgesamt zeigen aber Stimmungsindikatoren wie der Einkaufsmanagerindex eine deutliche Eintrübung der Laune. Es ist wohl in erster Linie die Delta-Variante des Corona-Virus, die für Sorgenfalten verantwortlich ist. Einzelne große Länder wie Indien, aber auch Westeuropa (u. a. Großbritannien) sind von einer weiteren Welle von Infektionen betroffen. Schließlich gibt Atradius aber auch einen positiven Ausblick, wenn davon gesprochen wird, dass die insgesamt expansive Konjunktur weltweit in den nächsten Jahren zu einer Verlangsamung der Unternehmensinsolvenzen führen wird.
Zu unterscheiden ist nach der vorliegenden Darstellung die Situation in Europa und in Nordamerika, wie auch im asiatisch-pazifischen Raum. Während für Europa ein Anstieg prognostiziert wird, sieht man für die beiden anderen Großräume durchaus eine positive Entwicklung. Klar ist, dass sowohl die kräftigen Unterstützungsmaßnahmen als auch die markante wirtschaftliche Erholung in den Vereinigten Staaten das Insolvenzniveau in naher Zukunft nicht erhöhen wird. Auch für Deutschland erwartet man nur ein geringes Plus von etwa 2 Prozent. Eine solch geringe Steigerung wird auch für Schweden mit plus 3 Prozent und Japan mit plus 4 Prozent angenommen. Auch für Brasilien mit einem Minus von 35 Prozent, Südkorea mit einem Rückgang von 15 Prozent und schließlich in Europa auch Irland mit einem Minus von 10 Prozent könnten 2022 weltweit Ausnahmen von den Zunahmen aufweisen. Während auch die USA 2022 gegenüber dem Vorkrisenniveau von 2019 nur 6 Prozent mehr Insolvenzen zu registrieren haben wird, liegen einige europäische Länder deutlich negativ darüber. So geht Atradius von einem Plus von 34 Prozent in Italien und von 33 Prozent für Großbritannien aus. Auch in Übersee, in Australien, wird ein Zuwachs um 33 Prozent in 2022 gegenüber dem Vorkrisenniveau zu befürchten sein.
Zu viele Schulden
Schließlich begründet der Kreditversicherer seinen düsteren Ausblick auch mit der Finanzierungssituation der Unternehmen. Durch die Krise sei es in vielen Fällen zur Aufnahme von Schulden gekommen, die nun, wenn die wirtschaftliche Erholung nicht wirklich durchgreifend ist, kaum zurückzuzahlen sind. Immerhin sind die Unternehmen relativ kräftig in die Krise gegangen. Im Jahr 2019 entwickelten sich die Eigenkapitalquoten westeuropäischer Unternehmen nach einer Auswertung von Creditreform noch einmal positiv. Der Anteil der Unternehmen, die eine Eigenkapitalquote von mehr als 50 Prozent aufwiesen, erhöhte sich gegenüber dem Vorjahr von 45,6 auf 46,5 Prozent. Entsprechend verringerte sich die Zahl der Unternehmen mit einer niedrigen Eigenkapitalquote von unter 10 Prozent von 22,4 auf 21,9 Prozent weiter. So ist zu hoffen, dass die Finanzierung, etwa durch eine solide Eigenkapitaldeckung, durch die Krise nicht allzu sehr betroffen wurde.
Quellen: Creditreform, Europäisches Insolvenzportal, Atradius