Von Krise zu Krise
Im März 2022, als viele Maßnahmen zur Begrenzung der Covid-Folgen noch in Kraft waren und als auch der Angriff Russlands auf die Ukraine bereits stattgefunden hatte, zum Höhepunkt beider Krisen also, befragte die Creditreform Wirtschaftsforschung rund 1.300 mittelständische Unternehmen nach ihrer aktuellen Wirtschaftslage und zu den Erwartungen im Hinblick auf die weitere Entwicklung.
Unternehmen aller Größenklassen und Branchen des Mittelstandes kamen zu Wort. Ein erster umfassender Einblick in die Situation des Mittelstandes im Frühjahr 2022 lässt sich am Creditreform Geschäftsklimaindex ablesen: Insgesamt tendiert der Index wieder freundlicher als im letzten Jahr, jedoch ist das Klima immer noch schwächer als vor Beginn des Corona-Ausbruchs im Frühjahr 2020.
Nach dem markanten Einbruch im Frühjahr 2021 ist die Kurve beim Geschäftsklima wieder nach oben gerichtet. Anzufügen ist allerdings, dass der Index zum einen nicht die Werte der Vor-Corona-Zeit erreicht hat, zum anderen eben diese Konjunkturwerte seit 2018 bereits rückläufig waren. Mit 15,0 Punkten wurde ein Wert erreicht, der markant über dem Vorjahreswert mit 1,8 Punkten liegt, aber auch 2020 mit 7,7 Punkten noch übertrifft. Dabei rangiert die Punktzahl allerdings wiederum ebenso deutlich hinter dem Index-Wert von 2019 mit 22,2 Punkten (2018: 28,1 Punkte).
Der Teilindex zur Beurteilung der aktuellen ökonomischen Lage verbesserte sich von minus 10,1 auf plus 12,5 Punkte. Damit wurde fast der Wert aus dem Jahr 2019 (14,3 Punkte) erreicht. Angesichts der Zuspitzung der beiden Risikolagen durch den Krieg und die Pandemie im Frühjahr ist ein Blick auf den Teilindex zu den Erwartungen besonders aufschlussreich. Hier werden die ganze Schwierigkeit der Situation und ein verhangener Blick auf die zukünftige Entwicklung deutlich. Zwar schneidet der Erwartungsindex mit 17,6 Punkten gegenüber dem Vorjahr mit 14,5 Punkten noch einmal besser ab, er liegt aber weit von den Werten der Jahre 2016 bis 2019 entfernt, als er jeweils bei über 30 Punkten lag. Festzuhalten bleibt, dass der Creditreform Index zur Mittelstandskonjunktur insgesamt zwar eine deutliche Besserung gegenüber dem Vorjahr dokumentiert, auf der anderen Seite die schwachen Zahlen zu den weiteren Erwartungen deutlich machen, wie stark die Krise die zukünftigen Aussichten verschlechtert.
Investitionen? Abwarten
Subjektive Ansichten zum weiteren Fortgang der betrieblichen Entwicklung sind das eine, das andere ist die Investitionsbereitschaft. Wer investiert, glaubt an die Zukunft! Bei den Investitionsvorhaben objektivieren sich die Zuversicht oder die Befürchtungen zum Fortgang der Dinge. Zu 52,6 Prozent geben sich die mittelständischen Betriebe in der aktuellen Befragung investitionsbereit. Das ist ein besserer Wert als im Vorjahr mit 51,5 Prozent, liegt aber deutlich unter den Angaben von 2016 bis 2019, als teilweise über 58 Prozent investitionsaufgeschlossene Mittelständler zu finden waren. Wenig verwunderlich in diesem Zusammenhang ist, dass zwar die Erweiterungsinvestitionen von 55,4 Prozent der Befragten – und damit 3,0 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr – auf die Agenda gesetzt wurden, an erster Stelle jedoch Ersatzinvestitionen mit 61,2 Prozent der Nennungen (Vorjahr: 56,5 Prozent) stehen. Gefragt nach den Gründen für ein Aussetzen des Investitionsvorhabens antworteten die meisten Unternehmen (44,5 Prozent), dass die unsicheren wirtschaftlichen Aussichten Investitionen verhindern würden. An zweiter Stelle der Antworten steht die Angabe, dass keine Notwendigkeit für Investitionen gegeben sei (41,2 Prozent). Interessant ist, dass zum Zeitpunkt der Befragung im März die Corona-Lage noch für jeden fünften Betrieb ein Investitionsvorhaben ausschloss. Dagegen war der gerade begonnene Ukraine-Krieg nur für 3,5 Prozent der Befragten ein Grund, Investitionen zurückzustellen.
Von Gewinnen ist weniger die Rede
Das ganze Ausmaß der Misere durch den Ukraine-Krieg und die Corona-Pandemie gleichermaßen zeigt sich bei den Ertragserwartungen der Mittelständler. Der Saldo aus Angaben zu steigenden und sinkenden Erträgen in der Zukunft liegt bei minus 4,5 Prozentpunkten. Das ist nicht nur schlechter als im Vorjahr (plus 4,1 Prozentpunkte), sondern liegt auch weit unterhalb der prognostizierten Ertragserwartungen der Vorjahre, die bei einem Plus zwischen 21 und 26 Prozentpunkten lagen.
Angesichts der schwierigen Lage hält der mittelständische Betrieb das Geld zusammen. Wie schon in der Finanzkrise vor über zehn Jahren schaut man verstärkt auf die Eigenkapitalquote und baut diese aus. Der Anteil der Unternehmen mit einer soliden Eigenkapitaldeckung ist von 32,1 auf 33,9 Prozent gestiegen. Dieser Wert übertrifft teilweise sogar die Angaben in Zeiten guter Konjunktur, als wohl ein Blick auf die Eigenkapitaldecke noch nicht so erforderlich war. In etwa auf dem langjährigen Mittel liegt auch die Anzahl von KMU, die nur über eine dürftige Eigenkapitalquote von bis zu 10 Prozent verfügen. Aktuell zählen dazu 30,8 Prozent der Befragten – ein Wert, der zwar 2019 mit nur 27,4 Prozent besser war, insgesamt aber immer noch in etwa auf der Höhe des langjährigen Durchschnitts dieser Gruppe liegt.
Inflation, Lieferketten und Fachkräftemangel im Brennpunkt
Creditreform hat noch einmal gezielt nach den größten Herausforderungen für mittelständische Unternehmen im laufenden Jahr gefragt, dabei sind drei Themen besonders deutlich geworden: Die hohe Inflation, die Lieferketten-Problematik und schließlich der andauernde Fachkräftemangel. Anzumerken ist, dass die Inflation sowie auch die Probleme um die Belieferung und den Einkauf durch die aktuellen Krisen ausgelöst wurden. Der Fachkräftemangel, insbesondere die Suche nach Auszubildenden, beschäftigt den Mittelstand dagegen seit längerem und ist ein Strukturproblem im Zuge des demografischen Wandels, das auch nach Abklingen der beiden Krisen weiter auf der Agenda stehen wird. Für rund zwei Drittel der Unternehmen sind die drei genannten Themen der Kern der aktuellen Probleme und Herausforderungen. Dagegen treten der Bürokratieabbau und die Notwendigkeit der Digitalisierung mit gut einem Viertel der Nennungen deutlich zurück. Auch die Probleme um die Umwelt werden nur von 18 Prozent der Befragten angeführt, wenn es um die aktuelle Situation geht. Hinzuzufügen ist allerdings auch, dass nur 4,0 Prozent der KMU den Ukraine-Krieg und weitere 3,2 Prozent die Energiekosten nannten. Mag sein, dass im März, als die Befragung im Feld war, das ganze Gewicht dieser beiden konkreten Bedrohungen noch nicht so deutlich war.
Insgesamt zeigt die neue Studie von Creditreform zur aktuellen Konjunktur- und Finanzierungssituation im Mittelstand, dass die aktuelle Lage im Ganzen zwar noch positiv – auch positiver als im Vorjahr – gesehen wird, allerdings sind die Aussichten doch deutlich eingetrübt. Das zeigen unter anderem die Antworten zum Klimaindex, den Ertragserwartungen und Investitionsvorhaben.
Quelle: Creditreform Analyse „Wirtschaftslage und Finanzierung im Mittelstand, Frühjahr 2022“