Wende bei Unternehmensinsolvenzen
Am Ende des letzten Jahres waren nach langer Zeit noch einmal mehr Unternehmensinsolvenzen zu zählen gewesen. Ein verhaltener Anstieg um plus 4,0 Prozent – das sind rund 14.700 betroffene Betriebe gegenüber 14.130 in 2021 – war zu registrieren.
Das ist das erste Mal seit über zehn Jahren, dass sich kein Minus bei der Insolvenzentwicklung der Unternehmen zeigt. Dabei waren die Rückgänge mit Beginn der Krise 2020 sogar noch zweistellig ausgefallen.
Ein deutliches Minus zeigen aber die Verbraucherinsolvenzen. Eine Abnahme von 78.920 Fällen im Jahr 2021 auf 65.300 Betroffene im vergangenen Jahr sind ein Minus von 17,3 Prozent. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass mit den rund 80.000 privaten Insolvenzen des Vorjahres ein Ausreißer zu vermelden war, weil viele Überschuldete die Vergünstigungen des neuen Rechts einer deutlich verkürzten Wohlverhaltensperiode nutzen wollten. Abgenommen hat auch die Zahl der sonstigen Insolvenzen um 11,9 Prozent – hier finden sich viele ehemals Selbstständige, aber eben auch „natürliche Personen“ als Gesellschafter oder überschuldete Nachlässe.
Immer mehr Hilfen?
Es ist viel darüber diskutiert worden, wie es möglich ist, dass in den Krisen wegen Pandemie, Energiekosten und konjunkturellen Rückgängen weniger Unternehmenszusammenbrüche zu zählen sind. Die wichtigste Ursache liegt wohl in den vielfältigen staatlichen Hilfen. Milliardenbeträge wurden locker gemacht und das Insolvenzrecht in wichtigen Teilen ausgesetzt. Nach dem Gießkannenprinzip mögen die Probleme durch Corona und Lockdown zunächst umschifft worden sein. Nun allerdings, bei einer galoppierenden Inflation, steigenden Kosten der Fremdfinanzierung durch Zinserhöhungen und den konjunkturellen Rückgängen durch Energieknappheit, Embargo gegenüber Russland und Lieferproblemen, kann ein solcher Support auf Dauer nur noch wenig ausrichten. Insolvenzen sind ein der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung nachlaufender Faktor. Erst wenn die Krise nicht mehr zu übersehen ist, steigt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen. Eine Zunahme, die vielfach dann auch in der wieder anlaufenden guten Konjunktur oder der Verbesserung der Finanzierungsbedingungen noch weiter anhält. Trotz der leichten Steigerung bei den Unternehmensinsolvenzen bleibt das Bild, das die Insolvenzlandschaft abgibt, im Großen und Ganzen wie in den Vorjahren. Aber es gibt auch Unterschiede, auf die hinzuweisen sich lohnt.
Junge Unternehmen weniger robust
Die gute Nachricht: Die Schadenssumme, die den privaten Gläubigern und der öffentlichen Hand durch die Zahlungsunfähigkeit der Unternehmen entstanden ist, hat gegenüber dem Vorjahr deutlich abgenommen. Waren 2021 noch 51 Mrd. Euro offener Forderungen zu summieren, so sind es 2022 rund 36 Mrd. Euro. Das liegt vor allem an einer etwas geringeren Zahl großer Insolvenzen, die allerdings in vielen Fällen noch Optionen zur Sanierung zeigen. Immerhin sind die 36 Mrd. Euro Schaden in 2022 eine Summe, die deutlich über den Jahren vor der Krise liegt, die 20 und 24 Mrd. Euro aufwiesen. Wenn auch höher als 2021, so liegt doch die Zahl der Arbeitsplätze, deren Verlust zu fürchten ist, mit 175.000 Fällen (Vorjahr: 141.000 Betroffene) deutlich unterhalb des ersten Krisenjahres, als fast doppelt so viele Arbeitsplätze durch die Insolvenz bedroht waren (332.000 Betroffene).
Verändert hat sich auch die Altersstruktur der insolventen Betriebe. Während Unternehmen mit 15 Jahren oder älter nicht so häufig insolvent waren, gibt es deutliche Zunahmen bei den jungen Betrieben bis zu einem Alter von sechs Jahren. Sie haben ihren Anteil am gesamten Insolvenzaufkommen um mehr als 20 Prozent vergrößert. Verschiebungen haben bei der Betroffenheit der Hauptwirtschaftsbereiche stattgefunden. Das Verarbeitende Gewerbe (plus 15,2 Prozent) und das Baugewerbe (plus 17,3 Prozent) weisen starke Zugänge auf. Dagegen zeigt der Handel sogar einen Rückgang beim Anteil der Insolvenzen von minus 5,8 Prozent. Auch die Dienstleister legten nur moderat um 2,9 Prozent zu. Bau und Industrie sind besonders gefährdet durch die Lieferengpässe und die teilweise rasanten Preissteigerungen im Einkauf von Rohstoffen und Halbwaren. Seien es Chips für die Industrie oder Holz für die Baubetriebe – in vielen Bereichen sind Engpässe hinzunehmen. Hinzu kommt, dass das Verarbeitende Gewerbe besonders betroffen ist von den Steigerungen bei den Energiekosten, welche die Produktion deutlich verteuern und Preissteigerungen bei der Abgabe notwendig machen.
Es ist weniger die Steigerung um 4,0 Prozent bei den Unternehmensinsolvenzen die bedenklich stimmen kann, sondern eher die Verschiebung hin zu kleineren Betrieben, zum Verarbeitenden Gewerbe und der Bauwirtschaft, wie auch die immer noch hohe Schadenssumme, die durch die Betroffenheit größerer Betriebe verursacht wird. Gerade bei kleineren Betrieben, die stärker von der Fremdfinanzierung abhängen, dürfte sich die Verteuerung der Kredite zukünftig noch deutlich negativ auf die Überlebensraten auswirken.