Flugtaxi erlebt Bruchlandung
Der Ruf nach Staatshilfen ist im Fall einer tatsächlich eingetretenen oder drohenden Insolvenz eines (vermeintlich) bedeutenden Unternehmens schnell erklungen.
Das war historisch bei den Zusammenbrüchen von Stahlunternehmen schon so, das setzt sich jüngst fort beim Einbruch der Meyer Werft und ist aktuell ein Thema beim Flugtaxi Entwickler „Lilium“. Ende Oktober war es so weit: Lilium konnte den Geschäftsbetrieb nicht weiter finanzieren und gab an, dass ihm Staatshilfe, anders als etwa bei Galeria, nicht gewährt wurde.
High-Tech aus Deutschland
Dabei war das Unternehmen, das ein elektrobetriebenes Kleinfahrzeug in zwei Jahren auf den Markt bringen wollte, eigentlich ein Vorzeige-Unternehmen, wenn es um Deutschlands Image als (nach wie vor) Spitzentechnologie-Standort geht. Der erste bemannte Flug war für das Frühjahr 2025 angesetzt. Doch bedarf solche innovative Technik – jedenfalls nach Meinung der Führung von Lilium – grundsätzlich staatlicher Beihilfen. Jedenfalls würden in China und in den USA solche Subventionen auf dem Weg sein. Nun gilt es, zu retten, was noch zu retten ist. Dabei geht es aktuell darum, dass das zuständige Amtsgericht in Weilheim eine Insolvenz in Eigenverwaltung zulässt. Gerade bei Großinsolvenzen ist die Eigenverwaltung das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, ein zukunftsfähiges Unternehmen zu sanieren. An dieser Stelle sei noch einmal das Wesen der Eigenverwaltung als wichtiger Teil des modernen deutschen Insolvenzrechts erläutert. Vorbild für die Funktion ist Chapter Eleven des amerikanischen Insolvenzrechts, das schon früher darauf abstellte, insolventen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, ihre Schulden umzustrukturieren und den Geschäftsbetrieb unter gerichtlicher Aufsicht fortzusetzen. Diese Ausrichtung auf wirtschaftliche Profitabilität war dem deutschen Recht fremd. Hier ging es in erster Linie um eine Befriedigung der Gläubiger, in vielen Fällen aber einfach nur um die Zerschlagung des Betriebes.
Einmal mehr: die Eigenverwaltung
Die Eigenverwaltung im deutschen Insolvenzrecht setzt vor allem darauf – und dies war in früheren Zeiten undenkbar –, die bisherige Geschäftsführung mit all ihrer Erfahrung in der Führung des Unternehmens und in der Branche sowie dem Markt weiter in der Leitung zu belassen. Es wird also kein Insolvenzverwalter eingesetzt, der das betriebliche Vorgehen überwacht und führt. Wichtig ist dabei, dass ein Sachwalter, der in vielen Fällen aus der „Szene“ der Insolvenzverwalter und Sanierer kommt, die Aufsicht führt und die Abläufe überwacht. Seine Aufgabe ist es auch, die Interessen der Gläubiger zu wahren. Im Zuge der Reorganisation und der Umstrukturierung ist das Ziel weiterhin eine möglichst gute Befriedigung der Gläubiger im Sinne einer hohen Quote und nicht zuletzt der Erhalt der Arbeitsplätze. Bei Lilium dürfte es auch darum gehen, technisches Know-how nicht verlorengehen zu lassen.
Das Gericht in Weilheim in der Nähe des Unternehmensstandorts Gauting bei München wird nun die Voraussetzungen für die Eigenverwaltung prüfen. Zunächst ist der Insolvenzantrag durch das betroffene Unternehmen selbst zu stellen – anders also als beim alten Verfahren, bei dem der Gläubiger den Insolvenzantrag stellte. Schließlich prüft das Gericht, ob die Gläubiger durch die Eigenverwaltung möglicherweise Nachteile bei ihren Forderungen erleiden. Ganz entscheidend ist der Insolvenzplan, der den Weg zur erstrebten Sanierung aufzeigt. Dieses Konzept muss gut vorbereitet sein, es muss bei Gericht und bei den Gläubigern Zuspruch erhalten. Geht der Antrag auf Eigenverwaltung durch, dann bleibt das Unternehmen handlungsfähig und das Management bringt seine bisherige Erfahrung mit ein. Das erhöht nicht nur die Sanierungschancen, sondern lässt auch das Vertrauen von Lieferanten und Gläubiger bestehen. Immerhin steht an der Spitze ein ehemaliger Airbus-Manager, Klaus Roewe, der drei Jahrzehnte Erfahrung bei der Herstellung von Flugzeugen einbringt.
Politik entscheidungsschwach
Dabei sind bereits 1,5 Mrd. Euro investiert worden. Nun geht es darum, die Produktion zu etablieren und die Zulassungsverfahren zu bestehen. Auch das kostet viel Geld – bereits im ersten Halbjahr 2024 hat Lilium knapp 200 Mio. Euro ausgegeben. Roewe und seine Mannschaft machen der Politik Vorwürfe. Dem Handelsblatt sagte Roewe: „Bund und Bayern spielen aktuell Ping Pong – jeder bleibt in der Deckung. So läuft man Gefahr, eine ganze Branche aufs Spiel zu setzen.“ Tatsächlich geht es beim Agieren um Fördergelder auch um die Startup-Szene insgesamt in Deutschland. Diese wird zwar immer wieder beschworen, wenn aber tatsächlich Gelder einzusetzen sind, zuckt die Politik zurück. Allerdings ist neben der Kritik an der Strategie für den Standort Deutschland gerade bei anderen Gründern ebenfalls nicht einhellig Zustimmung zur Förderung zu hören. Da ist die Rede davon, dass das Unternehmen an der New Yorker Börse gelistet ist, dass chinesische und amerikanische vergleichbare Unternehmen technologisch weiter fortgeschritten seien und dass es trotz der verbrauchten 1,5 Mrd. Euro nicht gelungen sei, in Produktion zu gehen. So erschließt sich auch nicht ohne weiteres, ob Flugtaxis tatsächlich sinnvoll sind. Auf der anderen Seite hat Frankreich Geld angeboten, wenn sich das Unternehmen im Südwesten des Landes ansiedeln würde. Es geht allerdings ja auch darum, den Betrieb in Deutschland – das Unternehmen zählt immerhin 1.000 Beschäftigte – zu erhalten. Ganz abgesehen vom Know-how, das verloren gehen würde, wenn Lilium nicht überlebt. Der Aktienkurs jedenfalls ist eingebrochen und Investoren aus anderen Ländern werden vielleicht zugreifen.
Bleibt zu hoffen, dass der Insolvenzplan unter Einfluss staatlicher Förderung den Turnaround für das zukunftsträchtige Unternehmen in Bayern doch noch ermöglicht.
Quellen: elektronische Medien, Tagespresse