ESG: So machen KMU Nachhaltigkeit zur Visitenkarte
Nachhaltigkeit wird vom "nice to know" zum absoluten Muss. Kunden, Banken und Geschäftspartner verlangen zunehmend Transparenz darüber, wer bei E S und G schon gut aufgestellt ist und wer noch Nachholbedarf hat.
Wie Creditreform daran arbeitet, Transparenz herzustellen und warum es für jedes Unternehmen möglich sein muss, ESG-Daten bereitzustellen ohne dafür eigens Berater zu engagieren, erklären Bernd Bütow (CEO bei Creditreform) und Benjamin Mohr (Chefvolkswirt bei Creditreform Rating) im Gespräch mit Jana Samsonova (Handelsblatt Media Group).
Lesen statt hören: Podcast Folge #15 zum Nachlesen
Jana Samsonova [00:00:00] Drei Buchstaben große Wirkung ESG. Das steht für Environment, Social and Governance oder zu Deutsch: Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung. An diesen drei Buchstaben kommen Banken, Dienstleister und Unternehmen gerade nicht vorbei. Geldgeber müssen immer stärker darauf achten, dass sie Kredite und Finanzierungen an Unternehmen und Projekte vergeben, die nachhaltig sind. Geregelt wird das mittlerweile auch von den Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Bankenaufsicht. Die Frage ist nur: Wie erkennt man eigentlich, welche Unternehmen klimafreundlich sind und ob sie fair mit Angestellten und Lieferanten umgehen? Ab 2024 müssen die Unternehmen ausführlich darüber berichten. Dazu verpflichtet sie eine neue EU Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung.
Im ersten Schritt betrifft das erst mal nur kapitalmarktorientierte Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, danach aber auch kleinere Unternehmen. Long story short: Nachhaltigkeit wird vom "Nice to have" zum absoluten Muss! Genauso wichtig wird auch die Transparenz darüber, wer bei ESG schon gut aufgestellt ist und wer noch Nachholbedarf hat. Einen meiner heutigen Gäste dürften aufmerksame "Gute Geschäfte"-Hörer bereits kennen: Bernd Bütow ist Geschäftsführer von Creditreform und war vor knapp einem Jahr schon einmal mein Gast. Damals habe ich mit ihm darüber gesprochen, wie die Experten von Creditreform einzelne Branchen und Unternehmen in Sachen Nachhaltigkeit bewerten. Was sich seitdem getan hat und wie Creditreform inzwischen der Wirtschaft dabei hilft, Transparenz in Sachen ESG herzustellen - darüber möchte ich heute mit ihm sprechen, aber auch mit Benjamin Mohr, Chefvolkswirt von Creditreform Rating. Herzlich willkommen!
Bernd Bütow [00:01:46] Hallo, Schönen guten Tag, Frau Samsonova.
Jingle: Gute Geschäfte! Business-Wissen in 10 Minuten. Der Creditreform Podcast.
Jana Samsonova [00:02:08] Creditreform steht für Wirtschaftsauskünfte und Dienstleistungen im Forderungsmanagement. Warum haben Sie sich vor einem Jahr außerdem dazu entschieden, sich mit ESG zu beschäftigen?
Bernd Bütow [00:02:18] Wissen Sie, Creditreform ist ja fest etabliert im Bereich Wirtschaftsinformation und wir sind davon überzeugt, das ESG ein neuer Teilbereich von Wirtschaftsinformation sein wird. Das bedeutet, dass es nicht nur einen ESG-Score in unseren Wirtschaftsauskünften geben wird, sondern dass mittelfristig gesehen und in absehbarer Zeit auch ESG-Faktoren tatsächlich die Bonität eines Unternehmens beeinflussen werden. Wir haben festgestellt, dass es eine große Nachfrage zum Beispiel nach unserem Branchen-Score gibt, der besonders für Banken und Finanzdienstleister sehr interessant ist. Und wir können feststellen, dass wir da schon vielen Instituten helfen konnten, sich einen Überblick über ihr Kreditportfolio zu schaffen.
Jana Samsonova [00:03:04] Das heißt, so wie heute die Bonität darüber entscheidet, ob und zu welchen Konditionen jemand einen Kredit bekommt, wird künftig auch die ESG-Bewertung darüber entscheiden?
Bernd Bütow [00:03:14] Ganz genau. Auch das Lieferkettensorgfaltspflichten Gesetz verändert zum Beispiel die Spielregeln. Kleinere Zulieferer müssen gegenüber verpflichteten Unternehmen Rechenschaft ablegen. Und das Besondere an dieser Geschichte ist: Da kommen natürlich Zulieferer mit immer unterschiedlichen Fragebögen auf die Unternehmen zu, die jeweils in einer Beziehung sozusagen diese Fragebögen beantworten müssen. Und ja, wir gehen tatsächlich davon aus, dass die ESG-Bewertung nicht nur ein zusätzliches Kriterium für eine Geschäftsanbahnung darstellt, sondern dass sie, wie ich gerade schon sagte, auch in die Bonitätsbewertung einfließen wird. Und hierzu habe ich zwei Beispiele mitgebracht. Das eine sehr naheliegende: Wie gerade schon kurz ausgeführt, helfen wir aktuell Banken dabei, einen Überblick über ihr Kredit-Portfolio zu erhalten, indem wir zu den einzelnen Kreditnehmern den ESG-Score anreichern. Und Banken nutzen letztendlich diese Information, um zu planen, wie sie auch künftig günstige Refinanzierungsmöglichkeiten ihrer Kredite haben können. Zweites Beispiel: Jüngst vor einigen Tagen haben 30 große Unternehmen aus Deutschland die EU Kommission angeschrieben mit der Forderung, dass bereits ab 2030 Dienstwagen mit Verbrennungsmotoren abgeschafft werden sollten. Was gut vorstellbar ist. Diese Unternehmen, die selbst auch hohe Ansprüche bezüglich ESG an sich selbst stellen, werden natürlich auch an ihre Lieferanten und egal ob die groß oder klein sind, ähnlich hohe Ansprüche stellen und auch natürlich bezüglich ESG Transparenz fordern.
Jana Samsonova [00:05:05] Herr Mohr, woher stammen denn diese Daten, die Sie für Ihren Score zugrunde legen?
Benjamin Mohr [00:05:09] Die dem branchenbasierten Score zugrunde liegenden Daten stammen aus dem bereits heute öffentlich verfügbaren Nachhaltigkeitsberichten großer multinationaler Unternehmen sowie internationalen belastbaren Quellen, wie Eurostat oder der OECD. Dieser Branchen-Score ist Ausgangspunkt für die Bewertung einzelner Unternehmen im geschäftspartnerspezifischen Score, bei dem wir weitere Faktoren aus der Creditreform-Datenbank hinzunehmen, zum Beispiel den Standort eines Unternehmens und die damit verbundenen Klimarisiken, Pendler-Daten, Social Governance Daten zum Anteil weiblicher Beschäftigter auf der Executive oder Kontrollebene. Nach vorne blickend werden wir zunehmend unternehmensspezifische Daten verwenden und heranziehen, die Unternehmen aktiv bei uns einliefern via Fragebögen. Herr Bütow hat es gerade schon angesprochen, mit diesen Fragebögen werden wir gezielt Unternehmen direkt befragen, um solche Informationen zu erheben.
Jana Samsonova [00:06:01] Nun ist die Beschäftigung mit diesen ESG-Daten ja relativ neu. In vielen Unternehmen gibt es noch keine Prozesse, um Daten zu CO2 Emissionen, zum Wasserverbrauch, geschweige denn zur Arbeitssicherheit oder Governance zu erheben. Wie machen Sie all das? Erstens messbar und zweitens vergleichbar.
Benjamin Mohr [00:06:17] Das zentrale Instrument hierfür ist MyESG. Dahinter verbirgt sich unsere digitale Strecke zur Erhebung von ESG-Daten. Und unser Anspruch ist hierbei, dass jeder Unternehmer diese Informationen bereitstellen können muss, ohne dafür einen ESG-Berater beauftragen zu müssen. Das heißt, wir gehen hier einen sehr partnerschaftlichen und niederschwelligen Ansatz, der aber zugleich adressatengerecht ist. Das heißt: Wir prüfen vorher erst einmal den Status des Auskunftgebenden ab, um dann adressatengerecht mit maßgeschneiderten Fragen auf ihn/sie zuzugehen und somit dann aber auch höchst relevante Datenpunkte zu erheben.
Jana Samsonova [00:06:54] Herr Bütow, seit wenigen Tagen zeichnet Creditreform auch Unternehmen, die ESG ernst nehmen, mit einem Zertifikat, dem sogenannten EcoZert, aus. Welche Idee steckt da genau hinter?
Bernd Bütow [00:07:05] Wie die Finanzkommunikation wird auch die nicht finanzielle Kommunikation immer wichtiger. Mit EcoZert können sich Firmen eine nachhaltige Unternehmensführung auszeichnen lassen und nach außen kommunizieren. Dies wird sich definitiv auch positiv in Hinblick auf Geschäftspartner solcher Unternehmen auswirken, die zum Beispiel Aussagen zur Nachhaltigkeit dieses Unternehmens wünschen.
Jana Samsonova [00:07:30] Nehmen wir einmal einen mittelständischen Handwerksbetrieb oder eine kleine Spedition als Beispiel. Wie treffsicher ist denn die Aussage, die Sie über deren Nachhaltigkeit machen können?
Benjamin Mohr [00:07:41] Bei all unseren Fragen, über die wir Informationen von Betrieben zu ESG Nachhaltigkeit erhalten, orientieren wir uns an den "European Sustainability Reporting Standards" der EFRAG, also der Europäischen Behörde, die für die Entwicklung dieser Standards beauftragt worden ist. Das heißt, alle von uns erhobenen Datenpunkte sind höchst entscheidungsrelevant. Dabei stellen wir aber Fragen, die in jedem Fall lösbar sind und mit einem vertretbaren Aufwand leistbar. Die relevanten Informationen sind nämlich in der Regel schon vorhanden. Unternehmen haben bereits Informationen und Daten zu ESG-Nachhaltigkeit, ohne dass sie bislang konkret diesem Thema zugeordnet worden sind. Nehmen wir zum Beispiel den Energieverbrauch. Der steht bei einem Unternehmen in der Regel im Fokus, weil es sich mit den anfallenden Kosten beschäftigt. Dabei sind aber auch die Megawattstunde notiert worden, die hier anfallen, und diese sind bekannt und höchst relevant. Und unter diesen Rahmenbedingungen können wir zum Beispiel im Kontext unseres EcoZerts eine verlässliche Aussage darüber treffen, dass ein Betrieb besonders nachhaltig handelt. Der Nutzen dieses Konzept geht aber auch über diese schiere Aussage des nachhaltigen Handelns hinaus. Das spiegeln uns auch viele mittelständische Unternehmen, mit denen wir uns unterhalten haben und die bereits diesen Prozess durchlaufen sind. Das heißt, sie haben uns zurückgespiegelt, dass sie einen enormen Nutzen aus diesem Konzept allein deswegen ziehen, weil ein besseres Verständnis für die Nachhaltigkeit im Unternehmen entwickelt werden konnte.
Jana Samsonova [00:09:00] Ähnliche Zertifikate bieten ja auch andere Agenturen, die sich auf die Nachhaltigkeitsbewertung von Unternehmen spezialisiert haben. Was macht Creditreform anders?
Bernd Bütow [00:09:08] Ja, wir haben bereits ein Zertifikat am Markt, das ist das CrefoZert. Durch dieses CrefoZert bescheinigen wir Unternehmen eine ausgezeichnete Bonität, natürlich nach Prüfung. Das Hohe Trust Level von Creditreform hat eine hohe Akzeptanz für das CrefoZert geschaffen. Wir sind davon überzeugt, dass das EcoZert eine ähnlich hohe Akzeptanz im Markt erfahren wird. Und wir richten uns mit unserem Angebot primär an kleine und mittlere Unternehmen. ESG-Ratingagenturen oder andere Unternehmungen, die in diesem Feld jetzt unterwegs sind, haben häufig Konzerne oder sehr große Unternehmen im Fokus. Wir machen den breiten Ansatz und bieten eben auch kleinen und mittleren Unternehmen mit dem EcoZert die Möglichkeit an, ihre Nachhaltigkeit und das Beachten der ESG-Kriterien nach außen zu demonstrieren.
Jana Samsonova [00:10:07] Herr Bütow, Herr Mohr, vielen Dank für das Gespräch und bis zum nächsten Mal beim Creditreform Podcast "Gute Geschäfte!".
Jingle:Gute Geschäfte! Business-Wissen in 10 Minuten. Der Creditreform Podcast.
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