Innovation versus Ethik
What's next? - Veränderungen begegnen Unternehmen am besten mit Innovationskraft und Wandlungsfähigkeit. Doch neue Technologien führen immer wieder auch zu moralischen Bedenken. Was ist vertretbar? Wofür dürfen etwa Daten und Algorithmen eingesetzt werden? Mit dem KI-Boom rückt auch die Tech-Ethik stärker in den Fokus.
Vor gut einem Jahr machten mehr als 2.000 Experten aus Forschung, Wissenschaft und der Tech Branche Schlagzeilen, als sie in einem offenen Brief eine sechsmonatige Entwicklungspause für das Training von KI-Systemen forderten. Die Technologie mache so große Fortschritte, dass gesellschaftliche Diskussionen nicht damit Schritt halten könnten, argumentierten sie. Als besonders besorgniserregend bezeichneten die Unterzeichner des Briefs die Risiken von Falschinformation und sogenannten Deep Fakes, aber auch den Wegfall von Arbeitsplätzen und einen allgemeinen Kontrollverlust.
Inzwischen wissen wir: Die Entwicklung wurde nicht pausiert. Ganz im Gegenteil. Aber auch die gesellschaftliche – und politische – Debatte über Künstliche Intelligenz wurde fortgeführt. Die EU hat im März 2024 etwa mit dem AI Act das weltweit erste Gesetz beschlossen, das den Einsatz der Technologie regulieren soll. Es ordnet KI-Anwendungen beispielsweise in unterschiedliche Risikoklassen ein. Systeme, die als besonders risikoreich eingestuft werden, und solche, die in kritischen Bereichen eingesetzt werden, etwa im Bildungs- und Gesundheitswesen, müssen strenge Anforderungen erfüllen. Andere Anwendungen, die gegen Werte der EU verstoßen, sollen ganz verboten werden. Dazu gehören zum Beispiel Algorithmen, die Bürgerrechte einschränken, den freien Willen beschneiden oder soziales Verhalten bewerten.
Doch innerhalb dieser Leitplanken gibt es immer noch Raum für alle Schattierungen zwischen schwarz und weiß. KI als übermächtige und eigenständig handelnde Instanz auf der einen Seite, KI als wertvolles und kontrollierbares Werkzeug für Menschen und Wirtschaft auf der anderen. Für den Deutschen Ethikrat ist die Sache klar: „Der Einsatz von KI muss menschliche Entfaltung erweitern und darf sie nicht verhindern“, sagt dessen Vorsitzende Alena Buyx. Der Ethikrat fordert deshalb, bei der Entwicklung von KI ganz besonders auf die Qualitätssicherung zu achten sowie darauf, menschliche Kompetenzen nicht zu beschneiden und Diskriminierung zu vermeiden.
Auf diese Ziele soll auch der AI Act einzahlen – erhielt dafür aber nicht nur Lob aus der Branche. Kritiker fürchten, dass Europa unter der Regulierung leiden und weiter hinter die internationale Konkurrenz zurückfallen werde. Befürworter halten dagegen: Ethisch faire KI könne ein Vorteil für Europa werden, denn technisch sei der Wettlauf mit den USA und China ohnehin nicht zu gewinnen. Zumal Ethik und Innovation keine Gegensätze sein müssen. Denn wenn es aufwendiger und schwieriger ist, KI-Systeme zu entwickeln, die kontrollierbar, fair und ethisch sind, wären sie dann nicht sogar innovativer? So könnte KI-Ethik in Zukunft sogar ein Wettbewerbsvorteil sein – so ähnlich wie sich die Wahrnehmung von Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren verändert hat.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
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