Wir müssen dringend investieren
Deutschland, im Sommer 2024: Die Wirtschaft steht still und die Bundesregierung feilscht beim Haushalt um jeden Euro. Keine erbaulichen Nachrichten – für den Standort genauso wenig wie für den Klimaschutz.
Gut 600 Milliarden Euro. Diese Summe braucht Deutschland in den nächsten zehn Jahren, um Bildung und Infrastruktur wieder auf Vordermann zu bringen und das Land fit für die Dekarbonisierung zu machen. Wir müssen diese Transformation jetzt in Angriff nehmen und dürfen nicht länger warten. Das ist das Ergebnis einer Studie, die wir am Institut der deutschen Wirtschaft mit dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung kürzlich veröffentlicht haben.
Allein 200 Milliarden Euro sind nötig, um den Klimaschutz zu stemmen. Größter Einzelposten ist die energetische Gebäudesanierung; weitere wichtige Ausgaben entfallen auf den Netzausbau für Strom, Wasserstoff und Wärme, die Erzeugung und Speicherung von erneuerbaren Energien sowie die Förderung von Energieeffizienz.
Dass der Finanzminister seinen Sparkurs bis mindestens 2028 fortführen will, ist unter diesen Vorzeichen besonders besorgniserregend. Denn eine Vorreiterrolle bei der Transformation wird Deutschland nur einnehmen, wenn es uns heute und nicht morgen gelingt, die Standortbedingungen zu verbessern und Kapital anzuziehen. Freilich braucht es dafür nicht nur Investitionen allein: Ohne ordnungspolitische Reformen ist die Dekarbonisierung ebenso zum Scheitern verdammt.
Der Einstieg in diese Logik ist uns mit dem CO2-Preis und dem Europäischen Emissionshandel grundsätzlich gelungen. Doch das allein reicht nicht aus: Zusätzlich muss der Staat endlich die Steuerlast für Unternehmen senken und die Bürokratielasten deutlich mindern.
Ein Fonds für Transformationsinfrastruktur
Unweigerlich drängt sich bei all dem die Frage auf: Wie soll der Bund all das finanzieren? Wer dabei starr am Sparkurs festhält, denkt zu kurz – zumal die Staatsverschuldung derzeit kein wirkliches Problem ist: Der Anteil der Verschuldung am BIP liegt in Deutschland weit unter dem EU- und Euro-Schnitt. Die Schuldenstandsquote würde selbst bei einer Nettokreditaufnahme von 1,5 Prozent des BIP pro Jahr stabil bleiben. Letztlich gehört zur Generationengerechtigkeit nicht nur eine nachhaltige Fiskalpolitik, sondern auch, dass wir unseren Nachkommen keine bröckelnden Brücken, maroden Schulgebäude oder fehlende Infrastruktur für Strom, Wasserstoff und Wärme hinterlassen.
Finanziert werden könnte der Investitionsbedarf mit einem Infrastrukturfonds, der wie ein Sondervermögen von der Schuldenbremse ausgenommen wäre; ansonsten bliebe die Schuldenbremse wirksam. Alternativ wäre eine „Goldene Regel“ denkbar, die dem Staat erlaubt, Kredite im Umfang der Investitionen aufzunehmen, und die als Zusatz zur Schuldenbremse formuliert würde. Doch für eine Reform des Staatsschuldenrechts sind umfangreiche Vorarbeiten notwendig, eine Verfassungskommission wäre einzusetzen.
Die Bundesregierung täte gut daran, die nötigen Schritte besser heute als morgen einzuleiten. Denn: Jeder Tag des Wartens erhöht die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimawandels – weltweit.
Prof. Dr. Michael Hüther
...leitet seit 2004 als Direktor und Mitglied des Präsidiums das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Mit seinem Team forscht und veröffentlicht er zu Themen wie dem aktuellen Strukturwandel, Ordnungspolitik, aktuellen und vergangenen Wirtschaftskrisen wie auch zur Regulierung der Kapitalmärkte.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Prof. Dr. Michael Hüther
Bildnachweis: Hüther
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