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Denn die Guten liegen so nah
Unternehmen wetteifern um Fach- und Führungskräfte. Auch in den eigenen Reihen müssen sie Talente identifizieren und fördern, um sie zu halten. Wer internes Recruiting dabei nur an der klassischen Karriereleiter ausrichtet, wird immer seltener erfolgreich sein.
Wer bei Menzerna arbeitet, dem verspricht das Unternehmen glänzende Berufsaussichten. Mit 70 Mitarbeitern entwickelt und produziert der Mittelständler in Oetigheim, südlich von Karlsruhe, feste und flüssige Polierpasten für Industrie und Handwerk. In einem Video wirbt Menzerna um Auszubildende. Darin werden Chemie- und Physiklaboranten zu Glanzforschern und Glanzoptimierern, Produktionsfachkräfte zu Glanzmachern und Logistiker zu Glanzbringern. Die Botschaft kommt an. Menzerna wächst, konnte in den vergangenen Jahren deutlich mehr Auszubildende gewinnen – und ihnen nach der Ausbildung Perspektiven im Unternehmen aufzeigen. „Als kleines Unternehmen haben wir nicht viele Hierarchieebenen“, sagt Geschäftsführer Tilo Franz, insofern seien die vertikalen Aufstiegsmöglichkeiten begrenzt. Doch wo es Möglichkeiten und Vakanzen gebe, versuche er immer auch intern, geeignete Kandidaten zu identifizieren. Ein gutes Beispiel sei der erst 26-jährige Laborleiter. „Er hat vor zehn Jahren als Chemielaborant bei uns angefangen und sich aufgrund seiner Entwicklung einfach im Lauf der Zeit als Team- und Laborleiter empfohlen“, sagt Franz.
Fälle wie diese gibt es in kleinen und mittleren Unternehmen häufig, weiß Claus Verfürth, Geschäftsführer von The Boardroom, der Karriereberatung für Führungskräfte der Von-Rundstedt-Gruppe. Allerdings ergäben sie sich zu oft rein zufällig. „Wer es seinen Mitarbeitern nicht systematisch ermöglicht, intern die Position zu wechseln, wird zusehen müssen, wie sie das Unternehmen verlassen“, warnt Verführth. „Mir berichten immer wieder Unternehmen, dass sie mit großem Aufwand junge Menschen ausbilden, die aber dann nach einigen Jahren das Unternehmen verlassen und zur Konkurrenz wechseln, wo sie sich bessere Chancen ausrechnen.“ Das ist fatal. Der kleine Betrieb hat den Aufwand und die Ausbildungskosten, der größere Konkurrent profitiert von einem neuen qualifizierten Mitarbeiter.
Ohne Hierarchien kein Aufstieg
Klar ist: Die richtigen Mitarbeiter sind ein Erfolgsfaktor und inzwischen Mangelware. Die richtig Guten fordern zudem immer mehr: viele Freiheiten, ein entsprechendes Gehalt, Verantwortung und Aufstiegsmöglichkeiten. Das stelle viele KMU vor ein ähnliches Problem wie Tilo Franz und Menzerna, analysiert Frank Döring, Partner der Personalberatung Rochus Mummert: „Sie entwickeln von der Pike auf sehr gute Mitarbeiter, die aber irgendwann an eine Grenze stoßen.“ Wo es unterhalb der Geschäftsführung nur wenige Hierarchieebenen gibt, gibt es auch nur selten Vakanzen und klassische Aufstiegsmöglichkeiten. Tilo Franz macht vielen Mitarbeitern deshalb ein anderes Angebot. „Wir sprechen inzwischen sehr oft über die Frage, wie wir eine Stelle aufwerten können“, sagt er. „Wie kann der Mitarbeiter seine Tätigkeiten und seine Kompetenzen verbreitern, sodass sein Job – für ihn in Sachen Gehalt sowie fürs Unternehmen – wertvoller wird?“ Damit ist Franz vielen Kollegen einen Schritt voraus. Eine Studie der Unternehmensberatung Kienbaum hat ergeben: Bei rund 70 Prozent der befragten Unternehmen ist das Talent Management nur auf Führungspositionen ausgerichtet und fördert ausschließlich den vertikalen Aufstieg. Für die aktuellen Trends der Arbeitswelt – agiles Arbeiten, flache Hierarchien, wechselnde Teams und Verantwortlichkeiten – sei das nicht mehr zeitgemäß, sagt Kienbaum-Berater Eberhard Hübbe und fordert: „Fähige Mitarbeiter sind heute die besten Experten für ihre eigene Karriere. Ihre Führungskräfte sollten durch individuelles Coaching und dauerhaften Dialog beraten, aber keine strikten Pläne vorgeben.“ Tatsächlich unterschätzten die befragten Personalverantwortlichen die Eigenverantwortung von Talenten. Nur 42 Prozent der Personaler antworteten, dass Mitarbeiter ihre Entwicklung selbst steuern können. Demgegenüber sehen 83 Prozent der Mitarbeiter durchaus sich selbst als hauptverantwortlich für das Fortkommen im Unternehmen.
KI als Karriereplaner
Das haben auch die Gründer von Talents Connect erkannt. Seit 2013 unterstützen Robin Sundermann, Max Klameth und Lars Wolfram Unternehmen beim Recruiting – extern wie intern. Das Startup entwickelt daten- und KI-getriebene Software, die Personalverantwortlichen helfen soll, ihre Belegschaft und die Bedürfnisse des Unternehmens besser zu verstehen.
Beim Heizungshersteller Viessmann etwa etabliert Talents Connect derzeit ein System, in das Mitarbeiter künftig freiwillig ihre Fähigkeiten, Interessen und Kenntnisse eintragen können, genauso wie ihre Karriereziele. Mithilfe der Informationen aus der Datenbank sollen intern geeignete Kandidaten für freie Stellen gefunden werden. „Was wir bei Viessmann für 12.000 Mitarbeiter anbieten, können wir auch auf kleinere Unternehmen runterbrechen“, sagt Lars Wolfram. Je nach Präferenz schlage das System Mitarbeitern nicht nur offene Stellen vor, sondern auch Trainings, die Mitarbeiter in besonderen Projekten oder auch Auslandsaufenthalte. Wichtig sei Freiwilligkeit, sagt Wolfram. „Der Schlüssel liegt bei den Mitarbeitern. Jemand, der zufrieden ist und sich nicht entwickeln möchte, muss nicht daran teilnehmen.“ Positiver Nebeneffekt: Dadurch stünden auch Betriebsräte dieser Form der Personalentwicklung nach näherer Beschäftigung durchaus aufgeschlossen gegenüber.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
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