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Deutsche Textilbranche: Aus der Mode gekommen
Innerhalb von vier Jahren war es bereits der zweite Insolvenzantrag, den die Esprit Europe GmbH im Mai in Deutschland stellte. 2020 war die erste Insolvenz noch auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie zurückzuführen.
In Eigenverwaltung sollte der Modekonzern saniert werden – alleine in Deutschland wurden 50 Filialen geschlossen. Wie bei einigen anderen Sanierungsversuchen im Zeichen der Insolvenz, war der Turnaround nicht geglückt. Für die rund 1.300 Mitarbeiter in Deutschland kommt es nun besonders hart, Esprit wird alle Filialen schließen. Dabei war ein Investor gefunden worden, der es aber wohl eher auf die nach wie vor renommierte Marke „Esprit“ abgesehen hatte und diese scheinbar auch wiederbeleben will. Zunächst aber wird der Geschäftsbetrieb in Deutschland, dem wichtigsten Markt für das Unternehmen, das in 40 Ländern tätig ist und mit seiner Holding in Hongkong firmiert, eingestellt.
Image entscheidet
Esprit steht mit der Insolvenz nicht alleine, weitere große Modeketten haben in den letzten Jahren via Insolvenz den Markt verlassen müssen. Sicher spielt am aktuellen Rand die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die folgende Inflation eine Rolle für die Schieflage im Handel mit modischen Textilien. Doch begonnen hat die Krise schon vorher, denn tatsächlich handelt es sich um eine Dauerkrise. Da gibt es zunächst für viele Händler, die nicht – wie manche erfolgreichen „Massenlabel“ – vertikal strukturiert sind, ein Problem beim Einkauf. „Vertikal strukturiert“ sein bedeutet, dass die Fertigung, die Lieferung und schließlich der Absatz in einer Hand liegen. Traditionelle Häuser, wie etwa Peek & Cloppenburg, führen unter ihrem Dach eine Vielzahl unterschiedlicher Marken. Diese Auswahl hat ihren Preis nicht nur direkt beim Vertrieb, sondern bereits vorab beim Einkauf. Problematischer aber noch als die Situation bei der Auswahl der Marken und der Einkaufspreise ist ein Defizit im Marketing. Die Marke, der Name der Modekette, steht nicht mehr direkt für die angebotene Kleidung. Das Image bleibt verschwommen und die Positionierung gegenüber dem Käufer unklar. Für welchen Stil steht das Haus, welche Akzente werden gesetzt im Marketing? Dazu kommt, dass angesichts eines Überangebots gerade das mittlere Preissegment besonders unter Druck gerät. Billige aber modische Massenware auf der einen Seite und teure, exklusive Marken auf der anderen Seite bestimmen den Konsum. Da wird vom Kunden eher billiges mit teurem kombiniert, als sich ganz in einem mittleren Preissegment auszustatten. Diese Mischung ist als „Streetstyle“ angesagter und individualistischer als ein konformes mittelpreisiges Erscheinungsbild.
Lieber online kaufen
Hinzu kommt für den stationären Handel in den Fußgängerzonen die Konkurrenz des Internets. Während der klassische Handel seit der Krise insgesamt rückläufig ist konnte der Onlinehandel zulegen. Die breite Auswahl und die Möglichkeit der Retouren machen gerade bei jüngeren Käufern den Ausschlag. Rund 40 Prozent des Handels mit Mode wird online abgewickelt – Tendenz steigend. Es ist dann leicht gesagt, dass es in dieser Situation darauf ankommt, Ladengeschäft und Online-Auftritt gut zu kombinieren. Dies ist jedenfalls eine Aufgabe, vor der viele Anbieter bereits kapituliert haben.
Ein weiteres Problem für die Händler ist nun nicht hausgemacht. Die Inflation bringt die Kunden dazu, mit ihren Ausgaben vorsichtiger zu sein. Zurückhaltung trifft wohl vor allem den Fashion Sektor. Während im Tourismus wieder positive Zahlen registriert werden, die auf dem Vor-Corona-Niveau stehen, bleibt der Textilhandel zurück. Das GfK-Konsumklima-Barometer verharrt im negativen Bereich und auch der Impuls für den Verbrauch durch die Fußball-EM war nicht durchschlagend. Nach einer Umfrage sparen die Deutschen vor allem bei den Ausgaben für Kleidung und entsprechende Accessoires – das betrifft mehr als die Hälfte der Befragten.
Große Namen, große Häuser
Es ist nicht Esprit alleine, auch viele andere Modehändler mussten in den letzten Jahren den Weg zum Insolvenzgericht gehen. Zu nennen ist zunächst GALERIA Karstadt Kaufhof, die als Kaufhaus zwar mehr als Mode bieten, gerade von dieser Abteilung aber stark geprägt sind. Deren Leidensgeschichte mit einer Kette von Insolvenzen und Sanierungsversuchen im Zuge einer Ausdünnung der Filialen soll hier aber nicht noch einmal dargestellt werden. Beherzt hat man aber wohl den Hinweis, dass sich das Unternehmen mit seinem Image klar darstellen muss. Der alte Name, geprägt von der Fusion der beiden Häuser, ist verschwunden, es bleibt nur GALERIA. Erinnert sei aber auch an Hallhuber aus München, an SiNN und an die Damenmode von Appelrath Cüpper. Hinzu kommen die Tom Tailor Tochter Bonita, der Taschenhersteller PICARD und schließlich der Hosenanbieter HILTL. Dabei verschwinden auch kleine Einzelhändler. Solche, früher einmal als Boutiquen bezeichnete, Läden schließen eher unbemerkt. Sie werden nicht mehr beliefert, wenn sie in der Schieflage sind sowie ihre Lieferantenrechnungen nicht mehr begleichen und liquidieren in aller Stille. Im Gegensatz zu ihnen spielen die großen Ketten eine entscheidende Rolle für die Innenstädte. Schließen diese, dann ist nicht zu Unrecht von einer „Verödung“ die Rede.
Die großen Modeketten sind nur ein Beispiel für Großinsolvenzen, die nach der Krise in den Zeiten schlechter Konjunktur das Insolvenzgeschehen bestimmen. Im ersten Halbjahr 2024 waren Pleiten mit einem Umsatz von über zehn Mio. Euro um 41 Prozent gestiegen. Das Beratungsunternehmen Falkensteg führt die besonders betroffenen Branchen auf: Das reicht vom Immobiliensektor über die Automobilzulieferer, den Einzelhandel, das Gesundheitswesen, die Metallwarenhersteller, die Maschinenbauer und schließlich bis hin zu den Modeunternehmen. Die Berater gehen davon aus, dass sich der Trend zu Großinsolvenzen auch 2025 fortsetzt. Kein gutes Omen also für die Modehäuser.
Quellen: Falkensteg GmbH, Tagespresse
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