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EZB-Entscheidung: Zinspolitik in der Achterbahn
Acht Jahre hatte es gedauert, bis die EZB ihren geldpolitischen Kurs im Juni 2024 geändert hat. Zum zweiten Mal in diesem Jahr hat die Zentralbank nun die Zinsen gesenkt, nachdem sie im Zuge der galoppierenden Inflation weg von der Nullzinspolitik zu markanten Zinserhöhungen gekommen war.
Um 25 Basispunkte auf einen Wert von 3,5 Prozent war der Einlagenzinssatz gesenkt worden. Die Entscheidung vom 12. September ist eine „Reduzierung des Grades der geldpolitischen Straffung“ und stellt wohl einen weiteren Meilenstein zu noch geringeren Zinsen dar. Nun rätseln die Geldmärkte, die Wirtschaftsforscher und die Politik wie nach jeder Entscheidung über den weiteren Verlauf der Maßnahmen. Wie hoch und wann wird die nächste Zinssenkung wohl ausfallen bzw. erfolgen?
Inflation rückläufig, aber zäh
Die Inflation ist in Deutschland und in Europa insgesamt rückläufig, liegt aber immer noch auf hohem Niveau. Die EZB legt sich nur ungern frühzeitig über ihren weiteren Kurs fest, sie verweist dann auf die aktuelle Datenlage entsprechend der man entscheiden werde. Wie bereits im Juni festgestellt wurde, erwartet die Europäische Zentralbank für 2024 eine Gesamtinflation von 2,5 Prozent, für 2025 sind es 2,2 Prozent und erst 2026 eine Marke unter dem Zielwert von 2 Prozent (1,9 Prozent). Dabei wird erwartet, dass die Inflationsrate im laufenden Jahr zum Winter hin wieder ansteigen wird, weil die starken Rückgänge bei den Energiepreisen dann nicht mehr bestimmend sind. In der zweiten Jahreshälfte 2025 geht man dann allerdings wieder von einem weiteren Absinken der Inflationsrate in Europa aus. Aufgrund der Teuerungen bei den Dienstleistungen sind die Werte bei der Kerninflation, aus der die Teuerungen für stark schwankende Lebensmittel und Energiepreise herausgerechnet werden, in ihrer Projektion geringfügig nach oben korrigiert worden. In diesem Jahr liegt die Kerninflation bei 2,9 Prozent, im nächsten Jahr wird sie auf Basis der Schätzungen der EZB bei 2,3 Prozent liegen und erst 2026 2,0 Prozent erreicht haben.
Anzumerken ist noch, dass der Zinssatz von 3,5 Prozent die sogenannte Einlagefazilität betrifft – die Verzinsung, die die Banken erhalten, wenn sie ihr Geld bei der Zentralbank anlegen. Sie bildet die Untergrenze weiterer Zinskorridore (etwa der Spitzenrefinanzierungsfazilität), die allerdings gesenkt wurden und in diesem Fall 3,9 Prozent betragen.
Lohn-/Preisspirale
Die EZB hat aber bei ihren Entscheidungen nicht nur die Inflationsrate vor Augen, sondern auch weitere konjunkturelle Parameter, die letztendlich Auswirkungen auf die Preisstabilität haben. Deshalb sind die Steigerungen bei den Löhnen wichtig, die ein weiterer Treiber für inflationäre Entwicklungen sein können. Hohe Tarifabschlüsse oder auch die ins Auge gefasste Erhöhung des Mindestlohns machen Produkte und Dienstleistungen teurer. Dabei ist die EZB der Auffassung, dass der Druck nachlässt und die Gewinne die Auswirkungen der höheren Löhne auf die Inflation teilweise abfedern. An dieser Stelle ist nachzufragen. So sind die Umsätze etwa im Mittelstand zwar gestiegen, die Erträge aber schwächeln – so jedenfalls die Aussage aus der aktuellen Umfrage von Creditreform bei kleinen und mittleren Unternehmen. Es ist eine Alltagserfahrung, dass sich die Preiserhöhungen nach und nach durch eine Lohn-/Preisspirale in allen Bereichen durchsetzen. Dies gilt dann auch für Produkte, die im Einkauf nicht teurer geworden waren. Mit dem Verweis auf die Inflation lassen sich Preise leichter durchsetzen. Dies dürfte auch ein Grund dafür sein, dass sich die Konsumschwäche nicht erholt. Aber nicht nur der private Verbrauch, sondern auch die Investitionstätigkeit bleibt schwach und sorgt dafür, dass die Konjunktur gerade in Deutschland nicht in Bewegung kommt.
Ein schmaler Grat
Dabei ist sich Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank bewusst, dass die Zinspolitik eine Gratwanderung darstellt. Eine weitere Präsidentin, Marija Kolak vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken, bringt es auf den Punkt: „Die Inflationsgefahren sind zwar spürbar zurückgegangen, aber noch lange nicht vom Tisch. Daher steht die Geldpolitik in den kommenden Monaten vor einem Balanceakt. Die Konjunktur im Euroraum bleibt auch aufgrund der hohen Leitzinsen angeschlagen und kann durch weitere Leitzinssenkungen positive Impulse erhalten. Gleichzeitig muss verhindert werden, dass es zu einem erneuten Anstieg der Inflation kommt. Die EZB sollte daher weiterhin mit Umsicht handeln und den Leitzins nur allmählich und in Abhängigkeit der Datenlage absenken.“
Direkte Auswirkungen haben die Leitzinsen auf die Zinsen der Geldinstitute, seien es öffentliche oder private Banken. Kredite werden billiger und Spareinlagen weniger günstig verzinst. Eine weitere Auswirkung lässt sich an den Aktienmärkten sehen. Schon die bloße Hoffnung auf Zinssenkungen führt zu einem Aufwärtstrend an den Börsen. Die Anleger ziehen ihre Gelder von den Anleihen ab, die schlechter verzinst werden und gehen in Aktien in der Hoffnung, dass die Unternehmen auf Basis einer günstigeren Verschuldung expandieren. Dabei ist festzuhalten, dass diese Auswirkungen nicht so linear verlaufen wie sie oft präsentiert werden. Die Zinsen für den Baukredit werden nur sehr langsam günstiger, Anleihen können immer noch ein gutes Geschäft sein und die Konjunktur bleibt schwach, auch wenn das Geld billiger wird. Zu viele andere Größen spielen eine Rolle, auf die die Zinssituation eben keinen Einfluss hat. Nicht zu vergessen ist, dass die Geldwertstabilität das oberste Ziel der Zentralbank ist. Rahmenbedingungen für eine konjunkturelle Erholung zu schaffen, ist Aufgabe der Wirtschaftspolitik.
Quellen: BVR, EZB
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