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Deutschland vor der Rezession: Wie KMU sich darauf vorbereiten
#12 Energiekrise, Inflation und sehr wahrscheinlich Rezession. Wirtschaft und Gesellschaft stellen sich auf schwierige Zeiten ein. Die Geschäftserwartungen im Mittelstand sind historisch schlecht. Liquidität und Zahlungsmoral bröckeln bereits. Hören Sie hier, wie KMU damit umgehen und warum auch diese Krise Chancen birgt.
Patrik-Ludwig Hantzsch (Leiter Creditreform Wirtschaftsforschung) erörert im Gespräch mit Jana Samsonova (Handelsblatt Media Group), wie sich die Geschäftslage im Mittelstand aktuell entwickelt, welche Prognosen sich daraus ableiten lassen und wie Unternehmen damit bestmöglich umgehen.
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Jana Samsonova [00:00:00] Deutschland steckt in der Krise. So weit, so klar. Die Corona-Pandemie, die Inflation und der Angriffskrieg auf die Ukraine hinterlassen Spuren. Darüber hinaus macht auch die anstehende Rezession deutlich, dass die kommenden Jahre für die deutsche Wirtschaft gelinde gesagt herausfordernd sein werden. Wie gravierend die Situation ist, zeigt die Herbstumfrage der Creditreform Wirtschaftsforschung. Der Creditreform Geschäftsklimaindex ist im Vergleich zum Vorjahr von plus 25,2 Punkten auf aktuell nur noch plus 3,1 Punkte gesunken. Er bildet die Geschäftslage und die Geschäftserwartungen im Mittelstand ab. Und doch: In Panik zu verfallen oder gar den Kopf in den Sand zu stecken, kann nicht die Lösung sein, sagt mein heutiger Gast. Was die Unternehmen jetzt stattdessen tun sollten und ob das Credo "Jede Krise birgt auch Chancen" auch in der aktuellen Zeit noch gilt? Das besprechen wir in dieser Folge von "Gute Geschäfte". Mein Name ist Jana Samsonova und bei mir begrüße ich Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Hallo!
Ludwig Hantzsch [00:01:06] Hallo!
Podcast Jingle : Gute Geschäfte. Businesswissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.
Jana Samsonova [00:01:26] Herr Hantzsch, bevor wir über die Zukunft sprechen, lassen Sie uns doch mal einen Blick auf den Status Quo werfen. Wie geht es der deutschen Wirtschaft und vor allem dem Mittelstand aktuell?
Ludwig Hantzsch [00:01:37] Ja, eigentlich so ein bisschen wie das Wetter heute in Düsseldorf ist. Nämlich ziemlich durchwachsen, muss man sagen. Also, wir haben eine Situation, die ist nicht leicht, da muss man auch gar nicht viel erklären. Wir sind in einer tiefen Krise, in der größten Krise seit vielen, vielen Jahren. Die Weltfinanzkrise war dagegen nichts und Corona war auch nichts dagegen. Sondern wir steuern wirklich auf eine Rezession zu. Dementsprechend geht es dem Mittelstand, den Unternehmen und der Wirtschaft schlecht.
Jana Samsonova [00:02:02] Richtiges Stichwort Rezession. Worauf sollten sich die Unternehmen denn Ihrer Meinung nach jetzt einstellen?
Ludwig Hantzsch [00:02:08] Tatsächlich ist es so: Wir hatten ja von der schon angesprochenen Weltfinanzkrise 2008 / 2009 ausgenommen eigentlich ein goldenes Jahrzehnt. Das hat abrupt geendet mit dem Auftauchen des Corona-Virus. Und was wir jetzt sehen, ist sozusagen eine Fortsetzung dieses Krisenmodus. Denn die Unternehmen sind tatsächlich mindestens schon drei Jahre in so einem Ausnahmezustand, der den meisten wirklich viel abverlangt auf verschiedenste Art. Wir haben sehr viele Krisen, die sich überlagern. Und das ist das, worauf sich die Unternehmen auch in Zukunft einstellen müssen. Und das wird nicht diesen Winter zu Ende sein, sondern wahrscheinlich erst in ein paar Jahren, wenn überhaupt.
Jana Samsonova [00:02:46] Ich habe es vorhin schon kurz angesprochen die Creditreform Wirtschaftsforschung hat vor kurzem ihre Herbst Umfrage veröffentlicht. Was waren denn hier die zentralen Ergebnisse?
Ludwig Hantzsch [00:02:54] Ja, zunächst einmal von den Zahlen her, was die Erwartung angeht, vor allem auch, was die Lager angeht: Da haben wir wirklich einen historischen Abfall erlebt. Also wir sehen einfach: So schlecht, wie die Werte jetzt sind, sind sie eigentlich im Herbst 2020 gewesen - zur Hochzeit von Corona, als die Unsicherheit verdammt groß war und die Unternehmen wirklich nicht wussten: Können wir die nächsten Monate den Laden aufmachen oder müssen wir zumachen, egal in welcher Branche? Und das setzt sich im Moment natürlich fort. Wir haben einfach so viel Krise und diese Erwartung ist einfach noch mal viel düsterer, als wir das letztes Mal gemessen hatten. Dazu muss man sagen, der krasse Bruch ist eigentlich der: Wir hatten im Frühjahr wirklich, nachdem die Corona-Pandemie-Maßnahmen ausgelaufen sind, einen deutlichen Hoffnungsschimmer. Die Unternehmen haben echt wieder Licht am Ende des Tunnels gesehen. Das ist jetzt komplett dahin.
Jana Samsonova [00:03:47] Weitere Daten von Creditreform zeigen ja, dass die Zahlungsmoral der Unternehmen nachlässt. Das heißt, immer mehr Rechnungen werden erst lange nach Ablauf der Zahlungsfrist beglichen. Sind das die ersten Anzeichen dafür, dass wir bald wieder mehr Insolvenzen erleben?
Ludwig Hantzsch [00:04:02] Tatsächlich sind es leider nicht nur die ersten Anzeichen, sondern es sind ziemlich deutliche Zeichen. Wir haben mit dem Zahlungsverhalten, das wir messen können zwischen den Unternehmen, einen ziemlich guten Krisenindikator. Das muss man heute tatsächlich so sagen. Also die Zahlungsmoral sagt eine Menge darüber aus, in welcher Branche es als nächstes, na ja, "rund gehen" könnte. Dabei haben wir tatsächlich ganz interessante Ergebnisse von den aktuellsten Zahlen. Und zwar drei Beispiele: Einmal die Bauwirtschaft, bei der ist die Zahlungsmoral ziemlich schlecht derzeit. Aber - und das ist ganz wichtig - innerhalb der Baubranche gibt es Gewinner und Verlierer. Diese schlechte Zahlungsmoral kommt vor allem daher, dass viele Immobilienprojekte gestoppt wurden, dass wir ganz viele Projektentwickler haben, die ihre Projekte auf Eis legen. Die öffentliche Hand, die stoppt auch gerade - Stichwort Sozialer Wohnungsbau. Da passiert einfach nicht mehr viel. Andere verdienen ganz gut. Stichwort Energetischer Ausbau. Das Zweite ist, wir haben in der Metall und Elektroindustrie - das ist also das, was man Industrie nennt - diesen ganzen Komplex. Da geht es den Unternehmen schlechter, das war in der Corona-Zeit noch ganz anders. Aber die haben es jetzt auch nicht einfacher. Und zum Dritten eine ganz interessante Erkenntnis: Transport und Logistik - da denkt man eigentlich, die sind sehr, sagen wir mal, eine Indikatorbranche, wo man früh dran erkennt, da wird demnächst was auf die Wirtschaft zukommen. Die stehen ziemlich stabil sogar da und zahlen sogar besser. Das liegt einfach daran, dass die diese sogenannte Lagerhaltung jetzt als neues Geschäftsmodell entdeckt haben. Die Liquidität fließt. Also man sieht, es geht den Unternehmen nicht nur schlecht, aber tatsächlich verschieden.
Jana Samsonova [00:05:35] Gut, ich halte fest Die Lage ist schwierig, die Aussichten relativ düster. Birgt die Krise denn trotzdem auch Chancen?
Ludwig Hantzsch [00:05:45] Auf jeden Fall. Also man muss nur in die Historie gucken. Und wenn wir mal an den Anfang des vergangenen Jahrhunderts denken als die sogenannten Kutschenbauer - das sind die, was die Autobauer vielleicht heute sind - wir hoffen es natürlich nicht, aber die haben auch durch das Aufkommen des Autos, also doch auch durch eine, ja eine komplette Erschütterung der Innovation und der ganzen Welt, ihr Geschäftsmodell sozusagen von heute auf morgen verloren? Und das Auto war das, was rausgekommen ist. Und wenn wir das auf die heutige Zeit übertragen: Natürlich gibt es auch in dieser Krise Chancen. Wir haben das durch Corona gesehen: Digitalisierung, dass man sich überall auf der Welt treffen kann und Meetings abhält. Das sind alles Dinge, die durchaus positiv sind und wirklich auch Hoffnung geben für die Zukunft. Und so ist es in ganz vielen Bereichen. Vieles, was sonst vielleicht noch viele Jahre vor sich hingeplätschert wäre, dass wird auf einmal mit radikaler Kraft und Geschwindigkeit umgesetzt. Natürlich werden dabei auch viele auf der Strecke bleiben, wenn sie sich - und das ist ja die Chance - wenn sie sich nicht zukunftsgerecht aufstellen. Und das ist für jeden individuell. Jedes Geschäftsmodell muss erst mal auf den Prüfstand. Danach muss jedes Geschäftsmodell auch auf die Zukunft ausgerichtet werden. Das ist ganz, ganz wichtig. Und trotz dieser schwierigen Zeit, wo jeder nur drauf guckt, dass er seine Rechnungen bezahlen kann und eben nicht untergeht in dem Strudel der hohen Energiekosten. Da muss man trotzdem ein Auge mindestens auf die Zukunft weiterhin richten. Das ist so in aller Kürze das, worauf Unternehmen eigentlich achten müssen.
Jana Samsonova [00:07:12] Und wenn wir jetzt konkreter werden, zu so richtigen Handlungsempfehlungen übergehen. Was können die Unternehmen tun, um jetzt einigermaßen unbeschadet durch die Krise zu kommen?
Ludwig Hantzsch [00:07:23] Ja, wie gesagt, es ist sehr, sehr schwer, das so pauschal zu sagen. Aber, und das wissen wir nicht nur aus der Wirtschaftsforschung, sondern auch aus der operativen Praxis: die Finanzkommunikation. Im Moment sind alle verunsichert. Das ist so das, was Finanzinstitute, Unternehmen, Verbraucher und alle anderen umtreibt. Diese große, große Unsicherheit. Es fehlt einfach an Validität, an Daten, um überhaupt planen zu können, auch die Preise. Das heißt, Unternehmen können im Moment wirklich eins tun. Sich erst mal selber klar werden. Wo stehe ich eigentlich? Das ist manchmal schmerzhaft. Wie lange kann ich den Weg, den ich gerade beschreite, so eigentlich noch gehen? Und natürlich müssen wir auch gucken: Ich als Unternehmen kann natürlich auch dafür sorgen, dass eine gewisse Transparenz herrscht. Das heißt, ich persönlich kann meine Finanzdaten natürlich auch dazu verwenden, um die Leute zu überzeugen. Ich habe ein im Kern gesundes Geschäftsmodell, dass nicht die nächsten Monate überhaupt nicht mehr tragfähig ist. Und es gibt ja auch von staatlicher Seite aus Hilfen, die über diese ganz, ganz akute Krisenphase hinweghelfen sollen wohlgemerkt. Das heißt: Es ist immer erst mal wichtig, die Transparenz herzustellen über sich selbst und über das, was ich erreichen möchte. Das ist ein erster Schritt und natürlich auch gegebenenfalls zu sagen, dieses Geschäftsmodell, was wir gerade verfolgen, das wird in Zukunft vielleicht aufgrund der großen Preise keine Zukunft haben. Das heißt, ich muss mir Alternativen überlegen.
Jana Samsonova [00:08:47] Sie sagen, Hilfen anbieten sollen. Was muss denn Ihrer Meinung nach auf der politischen Ebene passieren, damit die Unternehmen eben auch besser durch die Krise kommen, denn die betrifft ja auch die Politik.
Ludwig Hantzsch [00:08:58] Ja, bei aller auch von uns geäußerten Kritik muss man sagen: Ich möchte nicht mit den Politikern tauschen. Das ist eine verdammt große Krise. Und jetzt genau zu wissen, was zu tun ist, das sei vorweg geschickt, das ist super schwierig, überhaupt keine Frage. Aber, und das ist das große aber: Unserer Beobachtung nach ist es tatsächlich so, wenn wir mit dem Negativen anfangen wollen: Die Politik ist sehr kurzfristig, möchte gerade die schlimmsten Krisensymptome lindern. Das tut sie wieder wie in der Coronakrise mit unheimlich viel Geld, mit vielen Milliarden, die zurückgezahlt werden müssen. Und das, was die Politik damit tut, auch für die Unternehmen ist: Zeit kaufen. Und diese Zeit, die muss genutzt werden. Das war schon in der Corona-Krise so, da hat das nicht so gut funktioniert. Und jetzt ist die Gießkanne wieder da, mit vielen Milliarden, so abstrakt es gerade auch klingt. Aber für die Kürze der Zeit muss das, glaube ich reichen. Man darf die Zukunft, die Ertragsfähigkeit der Unternehmen nicht aus dem Auge lassen. Das heißt zwischen Liquidität und der Ertgragsfähigkeit eines Unternehmens ist ein großer Unterschied. Nur weil ein Unternehmen Rechnung bezahlen kann, heißt das noch lange nicht, dass es auf eigenen Beinen stehen kann, wenn die Krise sich mal wieder abmildern sollte. Das heißt klar: den Unternehmen muss geholfen werden. Es darf nicht sein, dass gesunde Geschäftsmodelle nur wegen dieser ausufernden Preise vor die Wand gefahren werden, keine Frage. Aber hier braucht es wirklich, vielleicht auch fiskal-, also steuerpolitische Ansätze, um diese Unternehmen nachhaltig zu fördern. Das ist ein ganz, ganz schwieriges Ausbalancieren zwischen Interessen auf der politischen und auf der wirtschaftlichen Seite, das ist allen klar. Aber diese Aufgaben müssen angegangen werden. Und man darf nicht nur auf die nächsten Monate, auf den nächsten Winter gucken, sondern auch auf 23, 24 und 25.
Jana Samsonova [00:10:33] Lieber Herr Hantzsch, vielen Dank für das Gespräch und bis zum nächsten Mal bei "Gute Geschäfte".
Ludwig Hantzsch [00:10:38] Sehr gerne, danke schön!
Jingle [00:10:43] Gute Geschäfte. Business Wissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.