Sind Sie zuversichtlich, dass ein solcher Wandel vielen Unternehmen gelingt?
Unser Vorschlag, zu einer anderen Rollenaufteilung zu kommen, ist ein erster Vorstoß. Schon heute geht man ja in diese Richtung, etwa wenn agile Teams gebildet werden. Nur bleibt oft eine Frage ungeklärt: Wie binde ich die agilen Teams, die auf ihrem Level alles gut leisten, eigentlich an die übergeordneten Ziele an? Da braucht man eben Capcoaches im Mittelmanagement, die diese Transferleistung auch hinkriegen. Unser Modell entlastet übrigens auch den Vorstand, dessen Anforderungen nicht zuletzt durch externe Faktoren wie Regulatorik und Compliance immer weiter steigen.
Wie viel Bernd Stromberg steckt noch in der Versicherungswirtschaft? Gibt es diesen intriganten Typ Mittelmanager, der in der TV-Serie parodiert wurde?
Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, weil es man sich gut vorstellen kann, dass so die alten Zeiten gewesen sein könnten. Mittlerweile ist in der Branche ein ganz anderes Service Level gefragt. Die Kunden haben Amazon vor Augen: Wenn sie irgendwas reinkippen, wollen sie zügig eine Antwort haben. Es geht um Digitalisierung, Automatisierung, Effizienz. Stromberg ist aus der Zeit gefallen.
Stromberg steht aber nicht nur für Aktenberge, sondern auch für Hauen und Stechen, den unbedingten Kampf um Beförderung.
Vielen geht es heute gar nicht mehr um Beförderung. Den Status einer Rolle definiert man nicht mehr nur nach Führungsverantwortung. Es gibt eine unglaubliche Explosion an Vielfalt, Möglichkeiten und neuen Jobprofilen. Man muss nicht die Ellenbogen auspacken.
Wer tut sich leichter mit seinen Mittelmanagern – Konzerne oder Familienunternehmen?
Prinzipiell müssen sie relativ ähnlich arbeiten, um das mittlere Management in eine bewegtere Rolle zu bekommen. Es kommt eher auf den Zustand der Kultur an.
Als Leiterin des Konzernmarketings haben Sie bei der Nürnberger Versicherung selbst eine Transformation erlebt – was auch den Anstoß für Ihr Buch gab. Haben Sie sich persönlich verändert im Führungsstil oder in Ihrer Arbeit?
Komplett verändert sicher nicht, aber die Reflexion hat mir etwas gebracht. Wir wollten gerne niederschreiben, was uns da so in den letzten Jahren in Veränderungsprozessen begegnet ist und was wir auch so mitbekommen haben bei anderen. Nach Vorträgen etwa kamen oft Menschen, die wissen wollten: Wie habt ihr das eigentlich hinbekommen? Durch den Austausch hat sich das Thema immer weiter von dem entfernt, was wir selbst erlebt haben, hin zu einer allgemeingültigeren Aussage. Je mehr Erfahrung man bekommt, desto interessierter schaut man drauf.