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Die Inflation ist angekommen
Es war wohl kaum eine gute Nachricht, als das Statistische Bundesamt meldete, dass im Juli zum zweiten Mal in Folge die Inflationsrate leicht gesunken sei. Nach ersten Schätzungen lag der Preisauftrieb im Juli bei 7,5 Prozent, im Vormonat waren es noch 7,6 Prozent gewesen.
Auch wenn dies die zweite leichte Entspannung an der Preisfront in Folge war, kann sich trotzdem niemand darüber freuen. Es wird den Deutschen nachgesagt, dass sie besonders sensibel auf Preissteigerungen reagieren. Zwei Geldentwertungen haben ihre Spuren bis heute hinterlassen, Teuerungen sind für die deutsche (Spar-)Mentalität ein rotes Tuch. Erst jetzt steuert die EZB entgegen, lange Zeit galten die Hinweise auf steigende Preise als Panikmache. Immerhin kann die Regierung, unterstützt von Wirtschaftswissenschaftlern, hoffen, dass sich die Lage an der Preisfront entspannt. Befürchtungen werden laut, dass es im Kielwasser der Teuerung auch politisch zu einer Radikalisierung kommt. Ein Blick auf die Historie zeigt, wie eng Inflation und radikale Ansichten verbunden sind.
Und jetzt der Gaspreis
Die Regierung versucht gegenzusteuern. Sie hat ein Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Personennahverkehr eingeführt, den Strombezug verbilligt und einen Tankrabatt beschlossen, der zwar zunächst nicht die erhoffte Wirkung zeigte, nun aber doch mehr und mehr spürbar ist. Dabei steht im Zusammenhang mit den Energiepreisen das „dicke Ende“ erst noch bevor. Die Preise für Erdgas sind auf einem Rekordniveau angekommen – und das ist beim Verbraucher noch nicht zu bemerken, da aktuell noch alte Preisbindungen gelten. Bald aber können sich die Versorger von ihren Bindungen lösen und die Preise für Erdgas, gerade im Herbst, wenn die Heizperiode beginnt, mehr als verdoppeln. Seit der Ölkrise zu Beginn der 70er Jahre, die sich mit ihren Fahrverboten ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat, hat es im Westen der Republik keine so hohen Preissteigerungen beim Posten „Energie“ mehr gegeben.
Das Geld zusammenhalten
Die Konsumstimmung geht in den Keller. Nach Aussage der Gesellschaft für Konsumforschung, GfK, ist bereits jetzt für den August 2022 abzusehen, dass das Konsumklima einen Wert von minus 30,6 Punkten erreichen wird. Seit Beginn der Erhebung im Jahr 1991 hat das aktuelle Konsumklima nun ein Rekordtief erreicht. Das Institut nennt noch einen weiteren Rekordwert, der die aktuell schlechte Stimmung spiegelt. Der Indikator zu den Einkommenserwartungen hat im Juli noch einmal zwölf Punkte verloren und fällt damit auf knapp minus 47 Punkte. Auch dies ist ein negativer Rekordwert seit Beginn der Erhebungen 1991. Dabei hatte der Wegfall der Corona-Beschränkungen zunächst für Auftrieb bei der Konsumstimmung gesorgt. Jetzt jedoch hemmt die Inflation die Kaufkraft – und dabei geht es nicht nur um die Konsumstimmung. Tatsächlich meldet der Einzelhandel für den Juni den stärksten Umsatzrückgang seit 1994. Die hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln zwingen die Konsumenten zur Zurückhaltung: Um real 8,8 Prozent nahm der Umsatz der Branche gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum ab.
Umsatzrückgänge prägen den gesamten Konsum, auch der Internet- und der Versandhandel weisen ein Minus auf. Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass im Zuge der Krise und des Lockdowns die Umsätze insgesamt gestiegen sind. Im Juni 2022 lagen sie gegenüber 2019 um 22 Prozent höher. Zu dieser Entwicklung passt ergänzend, dass auch das Konsumbarometer des Einzelhandelsverbandes Deutschland rückläufig ist. Im Juni erreichte es ein Allzeittief.
Aber es sind nicht nur die Energiepreise, die sich in einer zweiten Welle auch bei den Produzenten bemerkbar machen, die für einen Preisauftrieb sorgen: Der Einkauf von Rohstoffen, etwa von Holz oder Vorprodukten, hat ein deutlich höheres Preisniveau erreicht. Bereits im Frühjahr gaben mehr als 70 Prozent der von der Creditreform Wirtschaftsforschung befragten Mittelständler zu Protokoll, dass ihre Angebotspreise erhöht worden waren. Das ist mehr als eine Verdopplung der Werte vom Jahr zuvor. Und diese Preissteigerungen setzen sich über alle Branchen hinweg fort: 72 Prozent der befragten kleinen und mittleren Unternehmen gaben an, dass sie in Zukunft, also bis zum Herbst, ihre Preise erhöhen werden. Eine Preiserhöhung auf einem Level, wie er bei den Befragungen bisher noch nicht vorgekommen war.
Kein Ende in Sicht
Ein Ende des Preisauftriebs in Deutschland und in den europäischen Ländern ist nicht abzusehen. Tatsächlich gingen viele Prognosen immer weiter: War im Jahreswirtschaftsbericht im Januar 2022 noch von einem Anstieg der Verbraucherpreise um 3,3 Prozent die Rede, so wurde Ende April in der Frühjahrsprognose schon mit 6,1 Prozent Preisauftrieb gerechnet. Da bildet sich einiges Misstrauen, wenn aktuelle Voraussagen darauf setzen, dass sich gegen Jahresende, spätestens aber 2023, die Lage wieder normalisiere. Dafür gibt es noch keine Hinweise. Tatsächlich wird die befürchtete Lohn-Preis-Spirale mehr und mehr ein Thema. Bis jetzt ist es noch gelungen, um Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen zu bitten. Die Probleme, angefangen vom Krieg in der Ukraine, bis zum gestörten Welthandel und den Lieferengpässen, finden kein Ende. Es ist die Rede von einer sogenannten „3-D- Inflation“, die für die Zukunft drei Preistreiber erkannt hat. Das reicht von der der Deglobalisierung über die Demographie bis zur Dekarbonisierung. Wichtige Industrie-Nationen sind auf ein Nullwachstum eingeschwenkt, das zusammen mit der Inflation noch zu einer Vielzahl innen- und außenpolitischer Probleme führen wird.
Quellen: ARD, Deutsche Bundesbank, GfK