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Düsterer Horizont bei den Insolvenzen
Die Furcht vor einer Insolvenzwelle bei den Unternehmen bleibt, solange Polykrisen das wirtschaftliche Geschehen in Deutschland bestimmen. Angesichts der gewaltigen Probleme für die Betriebe hierzulande überrascht es nicht, dass bereits mit dem ersten Lockdown im März 2020 eine Vielzahl von Unternehmenszusammenbrüchen prognostiziert wurde
Und als nach der Pandemie eine kurze konjunkturelle Erholungsphase einsetzte, wurde diese gleich wieder mit dem russischen Angriff auf die Ukraine beendet. Die Krise, geprägt durch Energiemangel, Lieferengpässen und einer Inflation, wie sie Deutschland seit 60 Jahren nicht erlebt hatte, lebte wieder auf und mit ihr die Angst, dass viele Unternehmen die Herausforderungen nicht mehr bewältigen und in Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung geraten könnten.
Doch die Flut blieb aus, es kam bei den Unternehmen sogar zu einem Rückgang der Insolvenzzahlen, der bereits seit zehn Jahren anhält, sich nun aber nochmals beschleunigte. Das Minus bei den Unternehmenspleiten war 2020 und 2021 sogar zweistellig. Erst 2022 kam es wieder zu einem bescheidenen Zuwachs von rund 4 Prozent bei einer Gesamtzahl von knapp 15.000 Unternehmensinsolvenzen.
Volatile Monatszahlen
Bei der Frage, wie sich das Geschehen 2023 entwickeln wird, lohnt zunächst ein Blick auf die monatlichen Veröffentlichungen des Statistischen Bundesamtes. Um den großen Bedarf nach Informationen im Hinblick auf Insolvenzen gerecht zu werden, veröffentlicht das Amt nun bereits vorläufige Ergebnisse, die auf Schätzungen beruhen. Eine solche Zahl wurde Mitte Februar auch für den Januar 2023 publiziert. Demnach geht man von einem Rückgang bei den Regelinsolvenzen für Unternehmen von 3,2 Prozent gegenüber dem Vormonat aus. Eine solche rückläufige Entwicklung war in den Vormonaten seit dem Herbst nicht mehr vorgekommen. Im Dezember 2022 war die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 3,1 Prozent gegenüber November gestiegen. Im November 2022 lag das Plus bei 1,2 Prozent und im Oktober sogar bei 18,4 Prozent gegenüber dem jeweiligen Vormonat. Das Statistische Amt in Wiesbaden merkt dazu an: „Bei den Ergebnissen ist zu berücksichtigen, dass die Verfahren erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in die Statistik einfließen. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen annähernd drei Monate davor.“
Die Zahl der Insolvenzen ist aber noch aus einem anderen Grund nur schwer mit den aktuellen wirtschaftlichen Geschehen zu synchronisieren. Ein Blick auf Statistiken, die etwa das Bruttoinlandsprodukt und die Zahl der Insolvenzen abbilden, macht deutlich, dass Insolvenzen ein „nachläufiges Geschehen“ darstellen. Der Grund ist plausibel und leicht nachvollziehbar: Wenn gesamtwirtschaftliche Schwierigkeiten bei Rückgängen des Wirtschaftswachstums auftauchen, dauert es eine gewisse Zeit, bis den Betrieben das Leben ausgeht. Ein Minus bei den Auftragseingängen, der Rückgang bei den Umsätzen und selbst noch geringere Gewinne, können möglicherweise noch aufgefangen werden. Wenn dann aber das Eigenkapital aufgezehrt ist und Kredite nicht mehr zur Verfügung stehen, dann kommt das Aus für das Unternehmen.
Kraft zu überleben
Noch liegen nicht genügend Bilanzen vor, die einen profunden Blick auf die wichtigsten Kennzahlen und auf die Veränderungen in der Finanzierung zuließen. Aus Umfragen der Creditreform Wirtschaftsforschung unter mittelständischen Unternehmen und auch im Handwerk lassen sich bisher nur leichte Spuren von Problemen festmachen. Die Zahlungsweise und auch die Forderungsausfälle zeigen keine bedeutenden negativen Änderungen gegenüber den Jahren vor der Krise. Auch beim Eigenkapital bleibt es dabei, dass eine Vielzahl von Mittelständlern noch auf festen Beinen steht. Doch eine Untersuchung zur Schuldentragfähigkeit der Betriebe, wie sie angesichts der steigenden Zinsen durchzuführen ist, hat gezeigt, dass rund ein Fünftel der finanzierten Unternehmen in Deutschland eine nicht ausreichende Schuldentragfähigkeit aufweisen. Damit sind diese nicht in der Lage, aus ihrem operativen Gewinn auch nur die Kreditzinsen zu zahlen. Dieser Anteil wird angesichts einer hohen Wahrscheinlichkeit weiter steigender Zinsen größer werden. Die Prognose steigender Insolvenzen ist vor dem Hintergrund einer – wenn auch milden – Rezession also durchaus berechtigt.
Kreditversicherer pessimistisch
Der weltweit führende Kreditversicherer „Allianz Trade“ geht für 2023 von steigenden Insolvenzen aus. Auch wenn der Versicherer dem Mittelstand in Deutschland durchaus Stärken attestiert, sehen sie einen Anstieg bei den Zahlungsausfällen wie auch bei den Insolvenzen: „Die weltweite Zahlungsmoral hat sich seit 2022 deutlich verschlechtert und wir sehen bereits seit Mitte des letzten Jahres deutlich steigende Zahlungsausfälle und Insolvenzen“. Die Gründe liegen im Zusammenwirken eines „Energiepreisschocks“ mit dem Zinsanstieg. Die aktuellen Zahlen zur Industrieproduktion und zur Baubranche zeigen ein deutliches Minus. Insgesamt geht die Allianz weltweit von einer Steigerung der Insolvenzen um 19 Prozent und in Westeuropa von 25 Prozent aus. Deutschland hat nach dieser Prognose ein Plus von 15 Prozent aufzuweisen. Wenig überraschend sind es vor allem energieintensive Industriezweige, die unter einer Zunahme der Pleiten leiden werden. Besonders hohe Fallzahlen verzeichnen die Metallindustrie, der Nahrungs- und Futtermittelsektor sowie der Maschinenbau. Aber auch die Baubranche hat eine Zunahme der Insolvenzen um 10 Prozent zu registrieren.
Gerade bei kleinen Unternehmen, bei Solo-Unternehmen, wird der Ausstieg aus dem Markt weniger über eine Insolvenz als über die Liquidation der wirtschaftlichen Tätigkeit laufen. Nach Aussage von Destatis liegt die Zahl der vollständigen Gewerbeaufgaben im Jahr 2022 mit rund 449.400 Fällen um 7 Prozent höher als im Vorjahr. Zusammen mit dem noch einmal schwächeren Gründungsgeschehen ist also auch beim Nachwuchs für den Mittelstand wenig Dynamik zu sehen. Eine Selbstständigkeit in der Krise und bei einer gestiegenen Zurückhaltung der Banken gestaltet sich allerdings auch deutlich schwieriger als in den gesunden Vorjahren.
Quellen: Allianz Trade, Creditreform Insolvenzanalyse 2022, Statistisches Bundesamt