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Insolvenzgefahr trifft „Große“ und „Kleine“ gleichermaßen
Die Insolvenzzahlen zur Entwicklung im ersten Halbjahr 2023 stehen nun fest. Alle Gerichte haben Anträge und Verfahren gemeldet. Und klar ist nun auch: Es sind noch ein wenig mehr als die Hochrechnung von Creditreform zum Ende des ersten Halbjahres angab.
Die Creditreform Wirtschaftsforschung hatte im Juni angenommen, dass bis zum Halbjahresultimo 8.400 Unternehmensinsolvenzen gemeldet werden würden – tatsächlich sind es 8.571 geworden. Die zweistellige Zunahme der Fälle setzte sich am aktuellen Rand fort, über die Sommermonate war ein weiteres Plus zu registrieren. Ob sich damit eine vielfach befürchtete Pleitewelle auftürmt oder ob es sich nur um eine Rückkehr zu „normalen“ Verhältnissen handelt, die in den Krisenjahren durch vielfältige Subventionen und Gesetzesaussetzungen das tatsächliche Geschehen kaschiert haben, mag dahingestellt bleiben. Entscheidend ist zunächst, zu analysieren, welche Trends sich hinter den Zahlen erschließen lassen. Ein wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass mehr und mehr große Unternehmen von der Insolvenz betroffen sind.
Millionenumsätze stehen auf der Kippe
Die Falkensteg GmbH hat auf Basis der Zahlen, unter anderem von Creditreform und des Statistischen Bundesamtes, festgestellt: „Großinsolvenzen folgen dem Negativtrend der Gesamtwirtschaft“. Wie sich diese Entwicklung beschleunigt hat, zeigt der Vergleich des ersten und zweiten Quartals 2023. Nach der Definition von Falkensteg werden Unternehmen mit einem Umsatz von über 20 Mio. Euro zu den Großinsolvenzen gezählt. Im zweiten Quartal 2023 waren diese Großinsolvenzen um 37 Prozent gegenüber dem ersten Quartal des Jahres gestiegen. Und noch deutlicher zeigt sich die Entwicklung bei einem Vergleich zum zweiten Quartal des Vorjahres. Damals waren 19 Großunternehmen gezählt worden, in diesem Jahr waren es 37 Insolvenzanträge. Diese Zahl liegt auch um mehr als ein Drittel höher als die entsprechenden Zahlen aus den Quartalen vor den 2020 einsetzenden Krisen von Corona bis Inflation. Die Unternehmensberatung hebt besonders hervor, dass Betriebe mit einem Umsatz von mehr als 100 Mio. Euro auffällig stärker von Insolvenzen betroffen sind als in den Vorjahren. So war es im ersten Quartal noch eher ruhig gewesen – hier waren 12 Unternehmensinsolvenzen in dieser Größenklasse hinzunehmen (plus 150 Prozent). Über die vergangenen fünf Jahre gesehen galt es nur im zweiten Quartal 2020, in dieser Topumsatzklasse mehr Fälle hinzunehmen (22).
Creditreform nimmt das gesamte Insolvenzgeschehen in den Blick. Dabei zeigt sich, dass Kleinstunternehmen mit einem Umsatz von bis zu 250.000 Euro in der Krise seit 2020 eine eher rückläufige Beteiligung am Gesamtaufkommen aufweisen. Bei den kleinen Mittelständlern, die den Löwenanteil am gesamten Insolvenzaufkommen tragen, wird ebenfalls eine Steigerung entsprechend einer höheren Umsatzgrößenklasse deutlich. Bei einem Basisindexwert für 2018 von 100 haben die Betriebe mit über 5,0 Mio. Umsatz im ersten Halbjahr 2023 einen Indexwert von 140 erreicht. Aber auch die niedrigere Umsatzklasse von 2,5 bis 5,0 Mio. Euro Umsatz zeigt einen Index von knapp 110 Punkten. Dagegen liegen die kleinsten Unternehmen bei einem Wert von 60. Es ist anzunehmen, dass die Krisen seit 2020 mit ihren globalen Auswirkungen größere Unternehmen – Stichwort Lieferketten – stärker treffen als kleine, regional agierende Betriebe.
Sanierung wird teurer
Anders als bei den Kleinstbetrieben lässt sich bei großen Unternehmen öfter eine Sanierung durchführen, die das Unternehmen neu aufstellt. So konnten im zweiten Quartal 2023 28 Insolvenzverfahren zu einer Entscheidung über eine Fortführung oder Betriebseinstellung geführt werden. In 75 Prozent der Fälle wurden in diesem Zeitraum positive Verfahrenslösungen gefunden. Dabei kam es in 17 Fällen zu einem „Asset Deal“ durch einen Investor. Allerdings wird die Zukunft eines Engagements durch Risikoinvestoren angesichts des schwächeren gesamtwirtschaftlichen Umfeldes, der teureren Finanzierung des Deals und der Schwierigkeiten des Branchenumfeldes mit viel Skepsis gesehen. Investoren werden sich häufiger fragen, ob sich in dieser Krisen-Gemengelage ein Engagement noch lohnt. Berichtet wird von einer deutlichen Zurückhaltung der Banken bei der Finanzierung solcher Projekte.
Textil und Pflege
Ein Blick auf die großen Insolvenzen des ersten Halbjahres zeigt eine besondere Beteiligung bekannter Namen aus den Bereichen Bekleidung und Gesundheit. Einen Antrag stellten Peek und Cloppenburg, die Hallhuber GmbH und der Schuh- und Lederhändler „Reno“ aus Osnabrück. Bei den Gesundheitsdienstleistungen waren unter den größeren Insolvenzen die imland GmbH, die DIAKO und die Convivo aus Bremen beteiligt. Es ging um den Betrieb von Krankenhäusern und um stationäre Pflegeeinrichtungen. Nach Mitarbeiterzahlen reichten die Beschäftigtengrößenklassen von 1.000 bis zu 6.800. Insgesamt zählte Creditreform in der Größenklasse von über 200 Beschäftigten mehr als 50 Fälle – das ist ein Anstieg um rund zwei Drittel gegenüber dem ersten Halbjahr 2022. Auch das Statistische Bundesamt machte Angaben zu den betroffenen Arbeitnehmern. Hier ist die höchste Größenklasse mit mehr als 100 Beschäftigten vertreten. Gegenüber allen kleineren Einteilungen, die mit einem Arbeitnehmer beginnen, ist hier der stärkste Zuwachs zu registrieren. Die Zahl der Insolvenzanträge in diesem Sektor hat um über 85 Prozent zugenommen. 58.000 Arbeitnehmer sind davon betroffen. Die nächst niedrigere Stufe mit 11 bis 100 Arbeitnehmern zählt insgesamt gut 26.000 von Freistellung bedrohte Beschäftigte.
Es sind eben nicht nur die großen und bekannten Namen, die Befürchtungen über den Fortgang des Insolvenzaufkommens schaffen, sondern auch die großen Umsatzzahlen und vor allem die vielen betroffenen Beschäftigten, die zeigen, dass Deutschlands Unternehmenslandschaft in der Krise immer stärker betroffen ist. Die Betriebe müssen alles daran tun, ihre Liquidität zu stärken, um angesichts des schwierigen Umfelds nicht in eine Schieflage zu geraten.
Quellen: Creditreform Wirtschaftsforschung, Destatis, Falkensteg GmbH