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Bleibt die Zahlungsmoral auf der Strecke?
Zahlungsverzug und Forderungsausfall sind die wohl wichtigsten Symptome, wenn es darum geht, die Überlebenschancen eines Unternehmens abzuschätzen. Wer seine Rechnungen später und später bezahlt, wer es schließlich zum Ausfall des schuldigen Betrages kommen lässt, der steht am Ende vor dem Insolvenzgericht.
Damit kommt es für den Lieferanten und Gläubiger letztlich fast zum Gesamtausfall seiner Ansprüche an den (ehemaligen) Kunden. Creditreform beobachtet das Zahlungsverhalten genau, um frühzeitig warnen zu können. Dies geschieht für jedes einzelne Unternehmen, aber auch in einer Gesamtauswertung über fast die gesamte Unternehmenslandschaft hinweg: Das Creditreform Debitorenregister Deutschland (DRD) publiziert halbjährlich die Zahlen zur Rechnungsbegleichung.
Über eine Million Firmen aus 1.160 Branchen stellen laufend ihre Zahlen aus der Debitorenbuchhaltung zur Verfügung, so dass in der aktuellen Untersuchung von Creditreform im Winter 2022/23 über 4,1 Millionen überfällige Belege zu Analyse zur Verfügung standen. Das gesamte Volumen dieser verspäteten Zahlungseingänge liegt bei 8,7 Mrd. Euro, das gesamte Belegvolumen beträgt 87,6 Mrd. Euro.
Krisen überall
Zu verstehen sind die aktuellen Zahlen natürlich nur vor dem Hintergrund der Krise, die mit den Stichworten „Ukraine“, „Energiekosten“, „Inflation“ und schließlich „rezessive Tendenzen“ umrissen ist. Was bedeuten die Steigerungen bei den Einkaufspreisen, die höheren Zinsen bei der Bankfinanzierung und die Einschränkungen sowie ihre Folgen durch die Sanktionen auf beiden Seiten? Am aktuellen Rand hat sich das Zahlungsverhalten tatsächlich verschlechtert. Mit 10,95 Tagen liegt der Verzug deutlich über dem Wert des Vergleichszeitraums des Vorjahres (zweites Halbjahr 2021) mit 9,97 Tagen der Überfälligkeit. Doch ist dieser Wert zu relativieren bei einem Blick auf den langjährigen Vergleich: So hatte der Verzug in den Jahren von 2018 bis 2020 ebenfalls fast 11 Tage betragen. Mit der Corona-Pandemie hatte die Überschreitung der Zahlungsziele zunächst abgenommen. Im zweiten Halbjahr 2020 betrug sie 9,79 Tage. Der geringere Verzug ist ein typisches Merkmal für Krisenzeiten. Die Unternehmen achten nun mehr auf ihre Außenstände, sie mahnen forcierter und schalten schneller die Profis der Inkasso-Unternehmen ein. Dies führt dann trotz Krise zu einem schnelleren Zahlungseingang. Erst dann kommt es im Verlauf der wirtschaftlichen Schwierigkeiten schließlich zu einem Ansteigen des Verzugs. Der Abnehmer und Kunde der Leistungen steht mit dem Rücken zur Wand, ihm geht die Liquidität aus und er verschiebt die Begleichung der Rechnung. Jetzt wird es für den Lieferanten ebenfalls eng, denn das Ausbleiben des Zahlungseingangs bringt ihn in Schwierigkeiten. Aus diesem Grunde ist es wichtig, frühzeitig, wenn die krisenhafte Finanzsituation noch nicht manifest ist, die geeigneten Maßnahmen für den Zahlungseingang zu beschleunigen.
Große Unterschiede zwischen den Branchen
Unter Branchengesichtspunkten schneidet das Baugewerbe am schlechtesten ab. Rund 14,79 Tage beträgt hier der Zahlungsverzug – er hat sich allerdings gegenüber dem ersten Halbjahr 2022 mit 15,10 Tagen leicht verbessert. Markant verschlechtert dagegen erweist sich aktuell der Großhandel, dessen Verzugsdauer in diesem Zeitraum von 9,42 auf 10,67 Tage angestiegen ist. Auch der Verzug bei den persönlichen und unternehmensnahen Dienstleistungen hat sich verschlechtert (persönliche Dienstleistungen: von 11,50 auf 12,30 Tage; unternehmensnahe Dienstleistungen: von 12,17 auf 12,87 Tage).
Wie die aktuell schlechten Rahmenbedingungen die Rechnungsbegleichung berühren, zeigt sich vorgelagert auch bei der Festlegung der Zahlungsziele. Diese werden vorverlegt, um das Risiko eines Verzuges und eines Zahlungsausfalls schließlich gering zu halten. Wie die Krise sich hier bemerkbar macht, beweist die Verkürzung der Zahlungsziele im zweiten Halbjahr 2022 mit knapp 30 Tagen gegenüber 30,71 Tagen im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Vor allem die Chemiebranche, aber auch die unternehmensnahen Dienstleister waren von dieser Vorsicht betroffen und hatten als Rechnungsempfänger Zahlungsziele hinzunehmen, die um rund 2,5 bzw. 2 Tage gekürzt wurden. Die knappsten Zahlungsziele fanden die persönlichen Dienstleister mit 22,73 Tagen auf ihren Rechnungen.
Länger warten auf das Geld
Entscheidend für die Bewertung des aktuellen Zahlungsverhaltens nach dem zweiten Halbjahr 2022 ist aber die gesamte Forderungslaufzeit. Zu addieren sind die Tage bis zum Erreichen des Zahlungsziels und daran anschließend der Verzug bis zum endgültigen Eingang des geschuldeten Betrags auf dem Konto. Über alle Branchen hinweg betrug die Außenstandsdauer für unbezahlte Rechnungen 40,92 Tage. Dieser durchschnittliche Wert für die Forderungslaufzeit ist um 0,61 Tage höher als im ersten Halbjahr 2022. Dabei zeigen sich auch wieder markante Branchenunterschiede: Während der Zahlungseingang bei Herstellern von Konsumgütern nach insgesamt 34,81 Tagen erfolgte, betrug die Außenstandsdauer bei Geschäften mit Chemieunternehmen 44,31 Tage und bei der Metall- und Elektrobranche fast 47 Tage.
Eine Differenzierung des Zahlungsverhaltens nach Rechtsformen legt nahe, dass kleinere Betriebe einen längeren Verzug für sich in Anspruch nehmen. So dauert der Verzug bei der UG länger als 20 Tage, beim Gewerbebetrieb 16,48 Tage und bei der GbR 15,87 Tage. Dagegen liegt die AG – allerdings deutlich verschlechtert – bei 9,72 Tagen und die GmbH bei 11,14 Tagen.
Noch ein Blick auf die durchschnittlichen Rechnungsbeträge: So beträgt aktuell bei der Rechnung im Verzug der Rechnungsbetrag 2.158 Euro – im ersten Halbjahr 2022 waren es noch 2.107 Euro. Insgesamt erholen sich die Rechnungswerte wieder in Richtung der Vorkrisenzeit. Im zweiten Halbjahr 2020, als Corona sich deutlich bemerkbar machte, lag der durchschnittliche Rechnungsbetrag noch bei 1.970 Euro.
Quelle: Creditreform Zahlungsindikator Deutschland, Winter 2022/2023