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Lieferkettenrichtlinie: Neue Pflichten von der EU
Die neue EU-Lieferketten-Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSDDD) ist im März dieses Jahres verabschiedet worden und muss erst noch in nationales Recht übersetzt werden, bevor sie in Deutschland in Kraft tritt. Dennoch sollten sich Unternehmen bereits jetzt informieren, welche neuen Sorgfaltspflichten auf sie zukommen. Benjamin Spallek, Managing Director bei Creditreform Compliance Services, erklärt, was die neue Richtlinie für den Mittelstand bedeutet und wie eine gute Vorbereitung gelingt.
Benjamin Spallek, Geschäftsführer bei Creditreform Compliance Services, erklärt im Gespräch mit Tanja Könemann (Handelsblatt Media Group), was die CSDDD für den Mittelstand bedeutet und welche Pflichten Unternehmen stemmen müssen.
Lesen statt hören: Podcastfolge #28 zum Nachlesen
Tanja Könemann [00:00:00] Corporate Sustainability Due Diligence Directive. Das ist mal ein Zungenbrecher. Die Abkürzung ist nicht viel besser. CSDDD oder CS3D. Die neue EU-Lieferketten Richtlinie macht nicht nur Schwierigkeiten bei der Aussprache. Die Richtlinie brachte auch jede Menge politischen Sprengstoff mit sich, bevor sie schließlich im März abgesegnet wurde. Was bedeutet das Gesetz in seiner jetzigen Form für den Mittelstand? Welche neuen Pflichten müssen Unternehmen stemmen? Und hat Brüssel damit ein weiteres Bürokratiemonster geschaffen? Darum geht es hier heute bei ...
Jingle [00:00:46] Gute Geschäfte. Businesswissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.
Tanja Könemann [00:00:55] Mein Name ist Tanja Könemann und ich begrüße hier im Podcast Studio heute Benjamin Spallek. Hallo Herr Spallek!
Benjamin Spallek [00:01:02] Grüße Sie Frau Könemann! Hallo!
Tanja Könemann [00:01:03] Sie sind Geschäftsführer bei Creditreform Compliance Services und ich bin echt froh, dass Sie heute hier sind, denn Sie sind genau der Richtige, um uns die neue Richtlinie zu erklären. Lassen Sie uns gleich loslegen. Mal ganz global gesagt: Was kommt da auf uns zu?
Benjamin Spallek [00:01:18] Ja, auf uns als Unternehmerinnen und Unternehmer in Deutschland und vor allem in ganz Europa – jetzt, mit dieser EU-weiten Regelung kommen erst mal sehr, sehr viele Pflichten und Regelungen auf uns zu, die es zu bewältigen gilt und die auch durchaus sehr komplex sind. Und insoweit kann ich schon sagen, wird es für einige Unternehmen noch einiges an Hausaufgaben geben.
Tanja Könemann [00:01:38] Wie schön. Wir haben ja schon ein Deutsches Lieferkettengesetz. Das LkSG verpflichtet Unternehmen zu vielen Maßnahmen. Die Liste ist lang. Sie brauchen ein Risikomanagement für die Lieferkette. Sie müssen ihre Zulieferer regelmäßig prüfen, ein Beschwerdeverfahren für Hinweisgeber einrichten und vieles mehr. Alles teuer. Eine neue Studie von Creditreform und dem Handelsblatt Research Institute zeigt, dass der Aufwand für mehr als die Hälfte der Unternehmen größer ist als eine Vollzeitstelle. Da stellt sich mir die Frage, wieso eine zusätzliche Regelung auf EU Ebene?
Benjamin Spallek [00:02:16] Ja, das ist eine faire Frage, die auch oft gestellt wurde und die man sicherlich auch nicht ganz einfach beantworten kann. Ich versuch's aber dennoch natürlich. Und zwar ist es so, dass es, wie Sie richtig gesagt haben, ja national in Deutschland schon längst eine Regelung gibt bei einem solch multinationalen Thema. Aber was Lieferketten betrifft, machen ja einzelne nationale Regelungen per se wenig Sinn, denn irgendwie sind ja Lieferketten oder wie es in dem neuen der neuen EU Richtlinie heißt Wertschöpfungsketten. Die sind ja automatisch global. Und insoweit macht da aus meiner Sicht schon im Grundsatz eine einheitliche Regelung auf einer internationalen Ebene definitiv Sinn.
Tanja Könemann [00:02:53] Aber wenn ich mich jetzt in diesen ganzen Richtlinien verlaufe in welchem Verhältnis steht die EU-Lieferkettenrichtlinie zum deutschen LkSG?
Benjamin Spallek [00:03:02] Ja, das eine Gesetz, das deutsche Gesetz spricht von der Lieferkette. In der EU Richtlinie hingegen wird von der sogenannten Wertschöpfungskette gesprochen. Was bedeutet das jetzt im nicht Juristendeutsch? Das bedeutet, die Wertschöpfungskette geht weiter. Es sei es also nach dem deutschen Lieferketten Gesetz muss sich insbesondere als verpflichtetes Unternehmen meine unmittelbaren Lieferanten prüfen. Nach diesem Gesetz und auf EU Ebene ist es nun so, dass die gesamte Wertschöpfungskette, also auch über die unmittelbaren und die mittelbaren Lieferanten entlang der Wertschöpfungskette in Bezug auf die Pflichten, die die Richtlinie hergibt, prüfen muss. Und das ist natürlich eine deutliche Ausweitung an Pflichten, an Bürokratie, an Hausaufgaben, wie ich es eben ansprach.
Tanja Könemann [00:03:42] Und haben Sie dazu ein Beispiel, wie weit das in einem konkreten Fall gehen kann, wenn wir über Lieferanten und Subunternehmer und was weiß ich noch alles sprechen? Haben Sie mal ein Beispiel, wie das Ganze richtig Arbeit machen kann?
Benjamin Spallek [00:03:57] Das kann an ganz, ganz vielen Stellen Arbeit machen oder wird es Arbeit machen. Beispiele aus der Praxis sind, wenn ich dann im außereuropäischen Ausland beispielsweise vielleicht sogar in Hochrisikosektoren wie etwa der Textilindustrie, dann meine Dienstleister mit Fragebögen bombardieren soll. Da mir aber gar keine Antworten zurückgeliefert werden und wenn, dann kann ich sie vielleicht weder lesen, noch treffen sie den Kern des Gesetzes. Und das sind erst die Anfänge der – na, ich nenne es mal Probleme. Ich würde eher sagen Herausforderungen dieses Gesetzes. Und das geht dann natürlich weiter.
Tanja Könemann [00:04:30] Die EU-Richtlinie ist ja milder ausgefallen als der ursprüngliche Vorschlag. Sie sollte erst für Unternehmen mit mindestens 500 Beschäftigten und einem Umsatz von mehr als 150 Millionen € pro Jahr gelten. Die Grenzen sind jetzt deutlich höher: 1000 Beschäftigte und 450 Millionen €. Ist damit alles gut für den Mittelstand?
Benjamin Spallek [00:04:53] Wenn man jetzt einen Mittelständler fragen würde, dann dürfte diese Frage relativ eindeutig mit Nein zu beantworten sein. Geht man jetzt rein nach den Schwellenwerten, dann ist hier zwar eine Gleichsamkeit zu der Regelung des deutschen Lieferkettengesetzes zu sehen, denn seit dem 1.1. 2024 gilt das Gesetz auch hier für Unternehmen mit mehr als 1000 Beschäftigten. So gleichzeitig ist aber zu sagen, um auch wieder auf das Thema Lieferkette und Wertschöpfungskette abzustellen, das ja die Prüfpflicht an sich schon mal viel weiter geht.
Tanja Könemann [00:05:25] Und wie komme ich an diese Informationen?
Benjamin Spallek [00:05:28] Auch das stellt in der Praxis durchaus eine Herausforderung dar. Das geht über die Verwendung von Fragebögen wirklich auch über konkrete Ansprache der entsprechenden Fachabteilungen mündlich, persönlich, telefonisch. Was man sich da nur vorstellen kann. Und in der Tat, was Ihre Frage auch vermuten lässt. Es ist alles andere als einfach immer an die richtigen Informationen zu kommen und vor allem schnell an diese Informationen zu kommen. Gerade deshalb rate auch ich immer den Unternehmen dazu, wenn sie, wenn sie unmittelbar in die Pflicht genommen werden, sowieso, aber auch wenn sie nur mittelbar verpflichtet sein sollten. Man sollte sich frühzeitig mit diesen gesetzlichen Regelungen auseinandersetzen.
Tanja Könemann [00:06:06] Das macht Sinn. Das klingt nach einer riesigen Herausforderung. Das war jetzt ein Pain Point. Gibt es noch mehr was? Was wir hier heute besprechen sollten? Weitere Herausforderung oder Kernpunkte der Richtlinie?
Benjamin Spallek [00:06:19] Ja, es gibt definitiv zahlreiche weitere Pflichten. Und einige kann ich Ihnen gerne nennen. Welche da jetzt welcher Mittelständler als am schmerzvollsten empfindet? Das kann man natürlich nicht sagen. Aber ein Beispiel ist auch, dass die Unternehmen jetzt wieder darauf verpflichtet werden, zu reporten, wie sie auch in ihrer Unternehmensphilosophie und Strategie das 1,5 Grad Ziel der EU verankern. Also wie die Unternehmen mit ihrer Geschäftstätigkeit darauf einzahlen, dass die Erderwärmung dieses 1,5 Grad sie nicht überschreitet. Das wäre ein Beispiel und das muss eben auch transparent dann in Form von Reports usw. dargelegt w erden und auch der entsprechenden Behörde gegebenenfalls auf Anfrage vorgelegt werden.
Tanja Könemann [00:07:01] Juristen sprechen von einer erheblichen Sprengkraft der neuen Haftungspflichten. Was ist denn so bemerkenswert daran?
Benjamin Spallek [00:07:08] Bemerkenswert ist daran insbesondere die Tatsache, dass nun nach der EU Richtlinie auch eine zivilrechtliche Haftung denkbar ist, was das Lieferketten Sorgfaltspflichten Gesetz national so noch nicht vorgesehen hat. Und das ist eine ganz erhebliche Änderung.
Tanja Könemann [00:07:23] Was genau droht den Unternehmen da?
Benjamin Spallek [00:07:25] Den Unternehmen können einerseits Geldstrafen von bis zu 5 % des weltweiten Nettoumsatzes des Unternehmens drohen und gleichzeitig natürlich und das wiegt oftmals deutlich schwerer das Thema Reputationsverlust. Im Neudeutschen sagt man immer so schön naming and shaming. Das heißt, sie werden durch die zuständige Aufsichtsbehörde Missstände aufgedeckt, dann wird dies auch publik gemacht und das kann je nachdem. Denkt man jetzt etwa an eine Aktiengesellschaft nicht nur den Kurs, sondern auch nachhaltig wirklich die Reputation beeinträchtigen.
Tanja Könemann [00:07:55] Über welchen zeitlichen Rahmen sprechen wir?
Benjamin Spallek [00:08:02] Die CS Triple D tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung in Kraft, also so etwa im Mai Juni 2024, also jetzt sehr zeitnah. Dann ist sie aber wiederum mit einer Übergangsfrist von zwei Jahren versehen, das heißt scharf geschaltet sozusagen wird sie dann im Mai Juni 2026 werden. Und so lange wird den EU Staaten Zeit gegeben, die EU Richtlinie mit einem sogenannten Umsetzungsgesetz in nationales Recht umzusetzen. Hier ziehe ich immer gerne eine Analogie zur Datenschutzgrundverordnung. Ich komme inhaltlich aus dem Datenschutz und da war es sehr ähnlich. Wobei die DSGVO ist ja eine Verordnung, sie bedarf also gar keines weiteren Umsetzungsaktes. Aber auch die wurde ist erst in Kraft getreten. Dann hatten die Unternehmen in dem Fall Zeit zwei Jahre sich darauf vorzubereiten und dann wurde sie 2018. War es damals wirksam? Wir haben ja von Scharfschaltung gesprochen. Hier brauchen wir jetzt noch ein Umsetzungsgesetz, aber an sich ist der Vorgang ähnlich.
Tanja Könemann [00:09:55] Doch noch bevor wir jetzt alle abwinken und sagen“Ich mache jetzt erst mal was anderes“ – wir haben schon darüber gesprochen. Es macht auf jeden Fall Sinn, mit der Vorbereitung zu beginnen. Was machen Unternehmen denn jetzt am besten?
Benjamin Spallek [00:10:09] Es macht aus meiner Sicht für Unternehmen sehr viel Sinn, sich frühzeitig mit der Thematik auseinanderzusetzen. Das heißt erst mal Wissensbeschaffung. Das bedeutet, kostenlose Seminare zu besuchen, vielleicht auch mal in den anderen Podcast reinzuhören oder aber auch mit dem Berater seines Vertrauens dazu zu sprechen, wie mit dem eigenen Hausjuristen und sich mal die Karten zu legen. Falle ich denn in den Anwendungsbereich? Wenn ja, ab wann? Und dann sich auch mit den entsprechenden und damit verbundenen Pflichten frühzeitig auseinanderzusetzen?
Tanja Könemann [00:10:43] Unternehmen stört nicht nur der Zeit und Kostenaufwand. In der Studie von Creditreform und Handelsblatt Research Institute nannten die Befragten die Beschaffung der notwendigen Lieferanteninformationen und die Kommunikation mit den Lieferanten als Schwierigkeit. Darüber haben wir, Herr Spallek, ja auch schon gesprochen. Klar, Sie müssten ja bei jedem abfragen, wie er es mit den Sorgfaltspflichten hält. Ich frage jetzt nicht ganz uneigennützig: Gibt es dafür vielleicht auch schon Dienstleister oder Softwaretools am Markt?
Benjamin Spallek [00:11:15] Das ist eindeutig mit Ja zu beantworten. Und so bieten auch wir bei Creditreform einerseits die Beratung an, hier ganz speziell aus unserem Hause der Kredite von Compliance Service GmbH. Genau darauf sind wir in der Tat spezialisiert. Aber auch die Gruppe insgesamt bietet durchaus digitale Lösungsansätze für diese Thematik an und von daher kann man uns, aber das muss man ja auch ganz transparent sagen, durchaus auch andere Anbieter am Markt dazu schon ansprechen. Wenn man da mal eine kleine Googlesuche einleitet, findet man Stand heute durchaus einiges an Angeboten, sowohl digital als auch einfach die klassische händische Unternehmensberatung.
Tanja Könemann [00:11:54] Also Herr Spallek, wir haben gelernt, es ergibt tatsächlich Sinn, jetzt schon loszulaufen, sich zu informieren und auch sich Hilfe an die Hand zu holen. Bei der EU-Lieferkettenrichtlinie. Das war ein gutes Schlusswort. Herr Spallek, wir haben uns sehr gefreut, dass Sie bei uns waren. Herzlichen Dank und hoffentlich auf bald!
Benjamin Spallek [00:12:14] Vielen Dank! Hat mich ebenfalls sehr gefreut. Und bis zum nächsten Mal.
Tanja Könemann [00:12:18] Auch Ihnen, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer vielen Dank fürs Zuhören. Falls Sie Fragen haben, schreiben Sie uns gern in die Kommentare oder über LinkedIn. Die Studie, über die wir gesprochen haben, ist in den Shownotes verlinkt. Bis zum nächsten Mal bei ...
Jingle [00:13:37] Gute Geschäfte. Businesswissen in zehn Minuten. Der Creditreform Podcast.