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Prinzip Hoffnung
Jetzt gehen die Ansichten auseinander: Gerade hat der Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck den Jahreswirtschaftsbericht 2023 unter dem Titel „Wohlstand erneuern“ vorgestellt, da kommt die Meldung, dass das Bruttoinlandsprodukt im letzten Quartal 2022 um 0,2 Prozent geschrumpft sei.
Sollte sich auch noch das erste Quartal 2023 ebenfalls mit einem Minus präsentieren, dann befindet sich Deutschland technisch gesehen in einer Rezession. Eine Enttäuschung, hatten doch Fachleute zumindest noch mit einem Nullwachstum gerechnet.
Politik gibt sich zuversichtlich
Der Wirtschaftsminister verweist in seiner Darstellung auf ein konsequentes Handeln in der Krise, welche die deutsche Wirtschaft widerstandsfähig gemacht habe. Er gibt sich optimistisch und glaubt in seiner Projektion für das Jahr 2023 an ein BIP von 0,2 Prozent. Im folgenden Jahr würde dann sogar wieder ein Wachstum in Höhe von 1,8 Prozent möglich sein.
Habeck verweist darauf, dass die Bundesregierung 95 Mrd. Euro mit drei Entlastungspaketen zur Verfügung gestellt habe und darüber hinaus noch einmal 200 Mrd. Euro für einen Abwehrschirm, mit dem die exorbitant hohen Energiepreise abgemildert wurden. „Die Inflation geht langsam zurück“, heißt es im Jahreswirtschaftsbericht, der für das Gesamtjahr 2023 eine Steigerung bei den Verbraucherpreisen von 6 Prozent sieht – ausgehend von der historischen Inflationsrate für das Gesamtjahr 2022 in Höhe von 7,9 Prozent. Dabei verschweigt er allerdings nicht, dass die Inflationsraten im Herbst sogar zweistellig waren.
Nun hat die Inflation die Kaufkraft der Bürger deutlich verringert. Hinzu kommt die Angst weiterer Verluste via Geldentwertung, die dafür sorgen, dass der Konsum – eine wichtige Stütze der Konjunktur – weiter zurückgegangen ist. Dennoch setzt der Minister darauf, dass die Verbraucher wieder optimistischer werden, wenn nach seinen Berechnungen eine Steigerung der verfügbaren Einkommen um 4,9 Prozent möglich ist. „Ab 2024 sollen die verfügbaren Einkommen wieder über der Inflationsrate liegen.“
Ökologischer Wandel
Habeck ist auch Klimaminister und hebt hervor, wie wichtig der Umbau zu einer stärker ökologischen Marktwirtschaft ist. Tatsächlich hat die Energiekrise gezeigt, wie weit der Weg zu einer Versorgung der Bürger und Unternehmen aus erneuerbaren Ressourcen noch ist. Und schließlich wird im aktuellen Jahreswirtschaftsbericht auch das Problem des Fachkräftemangels angesprochen. Aktuell sind zwei gesetzgeberische Maßnahmen auf dem Weg: Ein Fachkräfte- Einwanderungsgesetz und ein Weiterbildungsgesetz. Momentan sind 800.000 Stellen unbesetzt und die zunehmende Verrentung sorgt für Probleme nicht nur direkt bei den offenen Stellen, sondern auf lange Sicht bei der Innovation oder der Selbstständigkeit hierzulande. Sicher ist es Aufgabe des Vizekanzlers, Optimismus zu verbreiten und die Zuversicht zu geben, die nötig ist, um die Probleme zu bewältigen. Tatsächlich zeigt der Bericht bei den Zahlen ein sehr viel nüchterneres Bild. So werden die Konsumausgaben der privaten Haushalte 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich zurückgehen – und für 2024 ist ein weiterer Rückgang zu befürchten. Einen Rückgang zeigen auch die Bruttoanlageinvestitionen, die nach Einschätzung des Ministeriums dann 2024 wieder leicht ansteigen. Bei allen wichtigen Parametern im Zusammenhang mit dem BIP des nächsten Jahres steht, aller vorgetragenen Hoffnungen zum Trotz, ein Minus.
Eine andere Sicht
Nun haben die wichtigsten deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute sehr verhaltene Einschätzungen zur weiteren ökonomischen Entwicklung abgegeben. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das Institut für Weltwirtschaft, das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung und das Ifo-Institut sprechen nun gemeinsam davon, dass der deutschen Wirtschaft eine jahrelange Schwächephase bevorstehe. Die Wissenschaftler sehen ein Wachstum, das unter einem Prozent liegt. So spricht man von einem Jahrzehnt mit einem BIP-Zuwachs von weniger als 1,0 Prozent. Da ist die Annahme des Ministers von 1,8 Prozent für 2024 schon sehr optimistisch.
In den Gründen stimmen die Wissenschaftler mit dem Wirtschaftsministerium überein: Sie sehen den Rückgang der Beschäftigung durch die Überalterung und den Fachkräftemangel verursacht. Während die Politik die Krisenlage vor allem an der Corona-Pandemie und ihren Folgen sowie am Krieg in der Ukraine festmacht, spricht das Gutachten der Institute davon, dass die Ursache die „bisher gescheiterte ökologische Transformation, die dazu geführt hat, dass Deutschland viel zu abhängig von fossilen sowie sehr teuren Energie-Importen ist und die technologische Transformation zu nachhaltigen und innovativen Technologien verschlafen hat“, ist. Der Staat hat zu wenig investiert. Dazu kommen eine übermächtige Bürokratie und Besitzstandswahrung, die Innovationen und Investitionen verhindern. Auf den Punkt gebracht: Der deutsche Staat lebt seit längerem von der Substanz. Und sollte tatsächlich – trotz des Fachkräftemangels und dürftiger Produktion – der Konsum einigermaßen stabil bleiben, so ist das bestenfalls den Ersparnissen der Babyboomer geschuldet, die in der Rente mehr ausgeben.
Quelle: Jahreswirtschaftsbericht 2023, DIW, Ifo, IfW, RWI