Blick nach Brüssel
Ob EU-Parlament, Europäische Kommission oder Rat der EU: Europapolitik beeinflusst maßgeblich die deutsche Gesetzgebung – und damit auch den Handlungsrahmen für die Wirtschaft. Aktuell diskutieren die Gremien in Brüssel und Straßburg über ein Entlastungspaket für kleine und mittlere Unternehmen.
99 von 100 Unternehmen in der EU sind KMU. Als solche definiert die Europäische Union Betriebe, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen und einen Jahresumsatz von bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr erwirtschaften. Sie stellen zwei Drittel aller Arbeitsplätze in der EU und machen den Großteil der europäischen Wirtschaft aus. Gleichwohl leiden sie deutlich stärker unter den Krisen der vergangenen Jahre. Viele haben etwa noch nicht wieder die gleiche Leistungsfähigkeit wie vor der Corona-Pandemie erreicht. Inflationsbereinigt liege die Wertschöpfung von KMU im Jahr 2023 voraussichtlich 3,6 Prozent unter dem Niveau von 2019, berichtet die EU-Kommission. Deshalb müssen sie entlastet werden, versprach EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, als er Mitte September den Vorschlag für ein KMU-Paket vorstellte. Insgesamt 19 Maßnahmen sollen kleine und mittlere Unternehmen widerstandsfähiger machen und ihnen helfen, schwierige Zeiten zu überstehen. Unter anderem sollen sie den Zugang zu Finanzmitteln vereinfachen, sie bei bürokratischen Prozessen entlasten und die allgemeinen Rahmenbedingungen, etwa bei der Personalsuche, verbessern. Zwei Gesetzesvorschläge stechen besonders hervor:
Verordnung gegen Zahlungsverzug
Zum einen schlagen Breton und seine Kollegen vor, die Vorschriften zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr zu verschärfen. Derzeit sind nicht rechtzeitig bezahlte Rechnungen laut EU-Kommission die Ursache für gut ein Viertel aller Insolvenzen in Europa. Deshalb soll die bestehende Richtlinie über den Zahlungsverzug aus dem Jahr 2011 durch eine Verordnung ersetzt werden, die eine verbindliche Zahlungsfrist von maximal 30 Tagen für Geschäftsvorgänge vorschreibt. Wird diese Frist überschritten, können Unternehmen automatisch Entschädigungsgebühren und Zinsen einfordern. Zudem soll es für sie einfacher werden, ihre Rechte beim Forderungseinzug geltend zu machen.
Vereinfachung im Steuerrecht
Als zweiter größerer Wurf gilt eine Änderung im Steuerrecht. Es betrifft KMU, die in mehreren EU-Ländern aktiv sind. Für sie soll ein hauptsitzbasiertes Steuersystem eingeführt werden, mit der Option, nur noch mit einer einzigen Steuerbehörde zu arbeiten – nämlich derjenigen, die für den Hauptsitz des Unternehmens zuständig ist. „Dieser Vorschlag wird die Rechtssicherheit im Steuerbereich verbessern“, begründet die Kommission. „Zugleich wird das Risiko von Doppel- und Überbesteuerung und Besteuerungsstreitigkeiten auf ein Minimum reduziert.“ Sie erwartet, dass dadurch die sogenannten Befolgungskosten für KMU sinken und diese einfacher grenzüberschreitend in der EU investieren und expandieren können.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Christian Raschke
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