Neugründer verzweifelt gesucht
Deutschland in der Krise – das ist nicht nur der Pandemie und dem Krieg in der Ukraine geschuldet. Was fehlt, sind Unternehmergeist und Innovationen.
Der Pionier, der Erfindungen macht, auf dieser Basis ein Unternehmen gründet und mit Hilfe seiner Mitarbeiter Ideen vermarktet, ist selten geworden. Ein gutes Beispiel dafür ist das erfolgreiche Unternehmen BioNTech mit den Gründern Sahin/Türeci, das den ersten Impfstoff in der Covid-19-Epidemie entwickelte (in Zusammenarbeit mit Pfizer). Das war 2020. Unternehmensgründungen sind aber nicht nur für Innovationen wichtig, sie schaffen überhaupt erst den Mittelstand, die Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen, die die Unternehmenslandschaft bestimmen und mit ihrer Flexibilität für Stabilität des ökonomischen Geschehens sorgen. Doch es sieht nicht gut aus mit dem Gründungsgeschehen in Deutschland. Echte Neugründungen sind selten geworden. Seit einem Höhepunkt zu Anfang des Jahrtausends mit fast anderthalb Millionen Existenzgründungen hat sich deren Anzahl im Jahr 2022 mit 550.000 auf ein Drittel des Wertes vor zwei Jahrzehnten reduziert. Dabei ist ein Sinkflug seit dieser Zeit offenkundig. In den letzten fünf Jahren, also bereits seit 2017 (557.000), stagniert das Geschehen auf niedrigem Niveau. Bemerkenswert ist eher, dass sich diese Zahl in den Krisen der 20er-Jahre nicht weiter reduziert hat. Dabei gilt die Abnahme bei den Gründungen nicht nur für „echte Neugründungen“, sondern auch für Betriebe, die bereits bestehen und übernommen werden (oder auch nicht). Hier kam es zu einer Halbierung der Zahlen. Mittlerweile ist der Anteil der Übernahmen am gesamten Gründungsgeschehen auf 14 Prozent geschrumpft.
Risikoscheu nicht nur im Alter
Unumstritten ist in der Forschung, dass die demografische Entwicklung in Deutschland eine entscheidende Rolle beim Gründungsgeschehen spielt. Verkürzt heißt das: Ältere gründen seltener. Nun ist es sicher eine Option für Mitarbeiter, den Betrieb, in dem sie bereits tätig sind, selbstständig zu übernehmen. Die KfW hat im Zusammenhang mit ihrem Gründungsmonitor gefragt, warum es nicht häufiger zu solchen Szenarien kommt. Dabei ist vorauszuschicken, dass gerade jüngere Gründer eher als ältere (unter bzw. über 30 Jahre) eine Übernahme oder Beteiligung in Betracht ziehen. Immerhin ein Viertel der potenziellen Neugründer hat eine sogenannte „derivative Gründung“, also eine Nachfolge, zumindest in Betracht gezogen. Von denen gaben 29 Prozent an, dass dieses Projekt scheiterte, weil kein Unternehmen gefunden wurde, das den Gründungsideen entsprach. Aber selbst wenn das Unternehmen interessant erschien, kam es nicht zu einer Übernahme, weil der Kaufpreis in den meisten Fällen (33 Prozent) zu hoch war. Außerdem führten ein Übermaß an Bürokratie, eine erfolglose Detailprüfung, keine Finanzierungsperspektiven und schließlich zu komplexe Verhandlungen zu einem Scheitern der Übernahme. Drei Viertel der potenziellen Gründer aber haben die Option einer Übernahme nicht einmal in Betracht gezogen. Die Gründe liegen auf der Hand: Es sind vor allem die etablierten Strukturen, von denen man in Zukunft nicht abhängig bleiben will, aber auch die Tatsache, dass der existierende Betrieb nicht zum Gründungsmotiv passen wollte. Schließlich gaben 27 Prozent an, dass sie Bedenken im Hinblick auf die adäquate Finanzierung hegten.
Die KfW benennt das Dilemma, das die Überalterung der Bevölkerung im Hinblick auf das Gründungsgeschehen und auch besonders auf Übernahmen sowie Beteiligungen darstellt. Nur 10 Prozent der tätigen Unternehmensinhaber sind jünger als 40 Jahre. Sie müssen sich Gedanken über die Nachfolge und das Überleben des Betriebes machen. Auf der anderen Seite stehen die potenziellen Übernehmer, die ebenfalls immer älter werden und damit weniger Neigung zu einer selbstständigen Existenz besitzen. Mit einem Wort: Die Inhaber brauchen dringend einen Nachfolger, wenn sie älter werden. Die Nachfolger aber selbst altern ebenso und sind wenig motiviert, eine Existenzgründung – und sei es auch als Nachfolger – zu riskieren.
Innovationen für mehr Energieunabhängigkeit
Auch das ZEW untersucht zusammen mit dem IAB (Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit) und Creditreform kontinuierlich das Gründungsgeschehen. Ein wenig überraschend waren die Gründungen in ihrer Anzahl nur unwesentlich vom Ausbruch des Krieges zwischen Russland und der Ukraine tangiert. Interessant für die Forscher aus Mannheim und Neuss war nun, wie das Kriegsgeschehen junge Unternehmen in ihrer unternehmerischen Tätigkeit berührt. An erster Stelle wurden die Probleme beim Bezug von Vorleistungen genannt (41 Prozent). Gut ein Viertel der Befragten gab an, dass die Nachfrage nachgelassen habe. Bei den weiteren Problemen folgen die Liquiditätsengpässe, die sich durch die massiv steigenden Energiekosten ergeben haben (20 Prozent) und schließlich die logistischen Probleme beim Absatz der eigenen Produkte im Zuge des Krieges sowie den daraus folgenden Sanktionen. Dem ZEW geht es bei seinem Monitoring besonders um junge Unternehmen aus dem Hightech-Bereich, die forschungsintensiv arbeiten und hochinnovativ sind. Insofern ist zu hoffen, dass die Schwierigkeiten etwa im Energiebereich gerade bei jungen Unternehmen zu neuen Ideen und mehr Resilienz führen. Sie wären damit führend, wenn es darum geht, gerade Deutschland mit seinen Energieabhängigkeiten aus der Krise und auf neue Wege zu bringen.
Quellen: KfW, ZEW