Schließungen 2022 - Deutliche Zunahme im Verarbeitenden Gewerbe und bei innovativen Branchen
Für das Jahr 2022 liegen nun neben den Zahlen zu den Gründungen, die Creditreform und das ZEW bereits im Mai veröffentlicht haben, auch die der Schließungen von Unternehmen vor.
Das letzte Jahr war bestimmt von der Wirtschaftskrise, die durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde. Das führte dazu, dass die Gründungsinitiativen deutlich abnahmen. Jetzt zeigt sich: Auch die Schließungen haben zugenommen – allerdings nur leicht um 0,3 Prozent. Bemerkenswert für die Unternehmenslandschaft in Deutschland und deren zukünftige Entwicklung ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass zum ersten Mal seit dem Vorkrisenjahr 2019 wieder die Anzahl der Unternehmensschließungen die der Gründungen übersteigt. Damit ist der Unternehmensbestand kleiner geworden – die Sterberate von Unternehmen lag 2022 bei rund 154.000 Fällen, die Zahl der Neugründungen bei 148.000 Einheiten. Insgesamt sind aktuell rund 3.047.000 Unternehmen in Deutschland tätig.
Industrie leidet unter hohen Energiepreisen
Die verschiedenen Wirtschaftsbereiche zeigen ein unterschiedliches Schließungsverhalten bezogen auf die Zahl der existierenden Betriebe der Branche. Per Saldo erlebte das Verarbeitende Gewerbe den stärksten Rückgang, weil hier relativ viele Schließungen einem dürftigen Gründungsgeschehen gegenüberstanden. Über 9.000 Industrieunternehmen sind geschlossen worden. Das betrifft vor allem energieintensive Bereiche wie die Metallerzeugung und -verarbeitung oder die Chemie und den Maschinenbau. Hier haben die enormen Preissteigerungen beim Bezug von Gas und Elektrizität wohl eine Rolle bei der Aufgabe gespielt. Entsprechend gering war der Mut, sich in diesem Bereich angesichts der prekären Situation unternehmerisch selbstständig zu machen. Im Zusammenhang mit den Energiepreisen ist auch der starke Anstieg bei den Schließungen von Energieversorgern im Jahr 2021 zu sehen. Es ist wohl davon auszugehen, dass sich nicht nur bei den Energieversorgern die Zahl der Aufgaben wieder verringert, wenn endlich Klarheit besteht, sondern auch in der Industrie insgesamt durch Energie-Subventionen Erleichterungen geschaffen werden. Das gesamtwirtschaftliche Probleme noch nicht zu Schließungen führen müssen, zeigen die Entwicklungen bei den Fahrzeugbauern und in der Bauwirtschaft. Der Fahrzeugbau kann auf rückläufige Schließungszahlen verweisen, der Bau zeigt sich bisher noch unverdrossen, trotz der manifesten Probleme durch die hohen Kreditzinsen, die Kosten im Einkauf und die fallende Zahl von Baugenehmigungen. Insgesamt schwankt die Schließungsrate 2022 zwischen 2,4 und 5,0 Prozent des jeweiligen Wirtschaftsbereiches.
Für die Zukunft der Wirtschaft in Deutschland sind hohe Gründungszahlen bei entsprechend geringen Schließungen besonders wichtig in den forschungs- und wissensintensiven Bereichen. Seit 2003 aber hat die Wirtschaft gerade hier an Dynamik verloren. Kontinuierlich sinken Gründungs- und Schließungszahlen. Sorgen machen dabei die innovativen Sektoren etwa in der Chemie oder in der Pharmaindustrie sowie in der Elektrotechnik und im Maschinenbau. Deutschland war gerade in diesen Branchen international mit führend. Durch ein „Ausdünnen, wenn die Schließungen die Gründungen überwiegen, werden die Spitzenplätze nicht zu halten sein.
Der Ausschlag war in der Finanzkrise geringer
ZEW und Creditreform vergleichen die aktuellen Schließungszahlen mit der Situation im Jahr 2009, als sich ebenfalls eine weltweite Wirtschaftskrise im Bestand und in der Erneuerung der Unternehmenslandschaft manifestierte. Dabei zeigen sich markante Unterschiede. Den 0,3 Prozent Schließungen im Jahr 2021/2022 stehen 2008/2009 Steigerungen von 13 Prozent gegenüber. Während aber in der aktuellen Krise manche Sektoren sogar eine Abnahme bei den Schließungen vorweisen können – wie gezeigt etwa der Fahrzeugbau oder die Energieversorger – waren damals gerade zukunftsentscheidende Wirtschaftsbereiche besonders von Schließungen betroffen. Der Hightech-Bereich des Verarbeitenden Gewerbes mit 22 Prozent, aber auch technologieintensive Dienstleistungen mit 16 Prozent gaben auf. Die Zahlen liegen aktuell bei 7,2 bzw. 2,7 Prozent.
Was bedeutet „Schließung“?
Für die Untersuchung wurden drei Formen der Schließung identifiziert: zunächst Insolvenzen, dann Geschäftsaufgaben im Zusammenhang mit Abmeldungen (etwa der Löschung im Handelsregister) und schließlich die Einstellung der wirtschaftlichen Aktivität. Letzteres ist Aufgabe von Creditreform, die im Zuge der Recherche für Bonitätsauskünfte auch kleineren Unternehmen oder Freiberuflern nachgeht. Ein Unternehmen gilt dann als nicht mehr wirtschaftsaktiv, wenn in einem Zeitraum von drei Jahren kein Geschäftsverkehr mehr stattgefunden hat. Dabei bleibt allerdings festzuhalten, dass gerade Mikrobetriebe durchaus – und dies gerade in der aktuellen Krise – ihre Aktivitäten nur zeitweilig aufgeben und sie später wieder aufnehmen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass im längeren Zeitraum von 2009 bis 2023 die Schließungen durch eine Insolvenzanmeldung stärker gesunken sind als die mehr oder weniger freiwilligen Aufgaben der unternehmerischen Tätigkeit. Zwischen 2017 und 2022 betrug der Anteil der Insolvenzen an den Schließungen noch 13 Prozent, über den längerfristigen Abschnitt von 2009 bis 2023 rund 20 Prozent. Mit dieser Veränderung ist davon auszugehen, dass eben nicht nur wirtschaftliche Gründe, wie sie im Extremfall bis zur Insolvenz führen, eine Rolle spielen, sondern eben auch eher private, etwa die vergebliche Suche nach einem Nachfolger, sich bei den Schließungen niederschlagen.
Es ist sicher nicht falsch, wenn der Blick auf das Gründungs- und eben auch aktuelle Schließungsgeschehen nahelegt, dass es in Deutschlands Wirtschaft an Dynamik fehlt. Einer Vielzahl von Neugründungen stehen oft auch hohe Zahlen von Schließungen und Insolvenzen gegenüber – immer dann, wenn die Wirtschaft in Bewegung ist. Geringe Gründungszahlen und wenige Schließungen weisen auf einen Stillstand hin. Ein Stillstand, der sich durch größere Krisen verfestigt.
Quelle: Mannheimer Unternehmenspanel, Creditreform und ZEW