Schwache Konjunktur. Alles nur eine Phase?
Leider nicht. Die deutsche Wirtschaft muss für einen Aufschwung nicht kurzfristige Trends, sondern strukturelle Probleme bewältigen. Das wird schwierig, aber nicht unmöglich.
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Fast fünf Jahre ist es her, dass die Corona-Pandemie die Welt in Unordnung gebracht hat. Seitdem ist viel passiert: Aus dem ersten Pandemiejahr wurde erst ein zweites und dann ein drittes, Russland brach einen Angriffskrieg vom Zaun und stellte uns das Gas ab – kurzum: Es gab mehr als genug Gründe, um die Hoffnung auf den Aufschwung stets aufs nächste Jahr zu verschieben. Wenn die Impfung da ist, wird alles besser. Wurde es nicht. Wenn die Gaspreise runtergehen, geht die Konjunktur wieder hoch. Ging sie nicht.
In Wahrheit liegen die wirtschaftlichen Probleme in diesem Land viel tiefer. Der Sinkflug der deutschen Industrie begann schon zwei Jahre vor Beginn der Pandemie: Schon seit 2018 geht die Produktion in der Industrie Jahr für Jahr zurück, dort sind wir bald schon im achten Jahr der Rezession. Allein durch externe Schocks ist das nicht zu erklären. Deutschland befindet sich in einer handfesten Strukturkrise. Auch deshalb ist es längst zur traurigen Gewohnheit geworden, was unsere IW-Konjunkturprognose für das gerade begonnene Jahr zeigt: Um mikroskopische 0,1 Prozent wird die deutsche Wirtschaft 2025 wachsen. Die Probleme, die wir dort benennen, tragen wir schon seit Jahren vor.
Der Standort hat Probleme
Deutschland kann immer weniger mit den Preisen der ausländischen Konkurrenz mithalten. Arbeit, Bürokratie, Energie: All das ist hierzulande viel teurer, als es sein müsste.
Dazu kommt, dass der Staat seinen Teil der Aufgabenteilung nicht erfüllt. Beispiel Infrastruktur: Schon seit einem Vierteljahrhundert investieren wir knapp zwei Prozent weniger in unsere Verkehrswege als unsere Nachbarn. Die Folgen merken wir jeden Tag.
All das trägt nicht zum Vertrauen der Unternehmen in den Standort bei. Wo die Menschen mit den Füßen abstimmen, erledigen Unternehmen das mit dem Portemonnaie: Die Ausfälle bei den Bruttoanlageinvestitionen belaufen sich seit Pandemiebeginn schon auf rund 210 Milliarden Euro, vier von zehn Unternehmen wollen 2025 noch weniger investieren.
Es wird also nicht besser, zumindest in der kurzen Frist – und nicht, solange sich nach der Bundestagswahl nichts Grundlegendes ändert. Aber ich bleibe überzeugt: Wenn es uns gelingt, die Struktur neu zu denken, haben wir alle Voraussetzungen, um wieder Erfolgsgeschichten zu schreiben.
Zur Person
Prof. Dr. Michael Hüther leitet seit 2004 als Direktor und Mitglied des Präsidiums das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Mit seinem Team forscht und veröffentlicht er zu Themen wie dem aktuellen Strukturwandel, Ordnungspolitik, aktuellen und vergangenen Wirtschaftskrisen wie auch zur Regulierung der Kapitalmärkte.
Quelle: Magazin "Creditreform"
Text: Prof. Dr. Michael Hüther
Bildnachweis: Hüther