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Ein deutscher Riese wankt

Das war den Medien schon eine Eilmeldung wert: VW will mindestens drei Werke schließen, womit Zehntausende von Arbeitsplätzen beim Autobauer gefährdet sind.

VW ist der zweitgrößte Automobilhersteller der Welt und allein in Deutschland werden 120.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Betroffen wären zehn Standorte in Deutschland. Zum ersten Eklat war es bereits im September gekommen, als das Unternehmen eine seit drei Jahrzehnten gültige Beschäftigungsgarantie aufkündigte. Das war aber noch nicht alles an Belastungen für die Belegschaft: Auch die Übernahmegarantie für Auszubildende oder Regelungen für Leiharbeit wurden ausgesetzt. Das Unternehmen ist schon seit einiger Zeit in der Krise – eine schwierige Wirtschaftslage, wie es sie mit anderen deutschen Autobauern teilt.

Stillstand auf der Autobahn

Deutschland wird gerne als „Auto-Land“ bezeichnet. Tatsächlich ist die Automobilindustrie in ihrer Bedeutung seit Mitte der 90er-Jahre weitergewachsen. Zwischen 1997 und 2016 stieg ihr Anteil am gesamten Bruttoinlandsprodukt von 2,9 auf 4,7 Prozent. Jetzt aber erschallt einmal mehr auch an dieser Stelle der Ruf nach staatlicher Hilfe. Tatsächlich ist es bereits zu Gesprächen mit der Bundesregierung gekommen, doch Unterstützung ist angesichts der desolaten Situation in der Ampelkoalition wohl zunächst nicht zu erwarten. Auch wenn es kurzfristig zu Umsatzsteigerungen in diesem Jahr kam, so überwiegen doch die Krisenzeichen: Wie das Institut der deutschen Wirtschaft in einer Studie aufzeigt, kam es zwar zwischen 2000 und 2017 zu einer Produktionssteigerung, doch das änderte sich 2018. Im Jahr 2023 lag die Gesamtproduktion von Pkw am Standort Deutschland ungefähr auf dem Niveau von 1985 und der Export auf dem Niveau von 1998. Da nutzt es auch nichts, darauf zu verweisen, dass im Durchschnitt des Jahres 2023 bei rund 780.000 Beschäftigten noch ein Plus von 0,7 Prozent erreicht worden war. Und die Jahresumsatzzahl der Automobilbauer von 564 Mrd. Euro für 2023 macht angesichts der akuten Gefährdung von Absatz und Beschäftigung eher Angst bei dem Gedanken, was auf dem Spiel steht.

Es heißt vielfach, dass Deutschlands Autobauer den Wechsel auf die E-Mobilität zu spät in Gang gesetzt hätten. Dabei ist allerdings festzuhalten, dass Deutschland nach China und vor den USA in diesem Zukunftssegment führend ist. Aber dies ist nicht das einzige Zukunftssegment, es geht auch um den Antrieb mit Wasserstoff, es geht um autonomes Fahren. Für alle diese Perspektiven gilt, dass sie eine Menge Geld erfordern. Deutschlands Autoindustrie hat bis in die jüngste Vergangenheit gut vom Premiumsegment gelebt, darüber hinaus aber auch von internationaler Produktion und vor allem internationalem Absatz. VW, BMW und Mercedes haben an ihren Marken auch als Statussymbol gut verdient und sich auf diesem Erfolg wohl zu sehr ausgeruht. Der Personalaufwand, nicht nur bei VW, ist zu hoch. Die Werke waren nur zu gut zwei Dritteln ausgelastet, Es wurden mit mehr Personal weniger Autos gebaut. Eine solche Unproduktivität kann auf Dauer nicht gehalten werden. So ist unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten der Personalabbau, wie er bei VW droht, unabwendbar. Auch die Zulieferer sind entsprechend gefährdet. So will ZF 14.000 Stellen streichen.

China schiebt sich an die Spitze

Eine besondere Rolle in der aktuellen Krisensituation kommt Asien, insbesondere China zu. Rund 75 Prozent der in Deutschland hergestellten Fahrzeuge werden exportiert. Dabei geht es nicht nur um den Export. Bereits 2018 löste China Deutschland als Produktionsstandort für deutsche Fahrzeuge ab. Die Herstellung ist aufgrund der deutlich geringeren Arbeitskosten in China billiger. Welche enormen Beschleunigungen die Automobilproduktion in China genommen hat, zeigt sich darin, dass im Jahr 2000 nur rund zwei Millionen Fahrzeuge dort produziert wurden, in 2023 waren es dreißig Millionen. Die Situation wird für die deutschen Hersteller aktuell noch ungünstiger durch die errichteten Zollbarrieren. Europa will sich gegenüber den staatlich geförderten chinesischen Autos abschirmen und China antwortete darauf ebenso mit einer erhöhten Zollgebühr. China erweist sich aber auch als vorbildlich, wenn es um die Modellpolitik geht. Dabei ist gerade das auch auf dem heimischen Markt zu spüren – Elektroautos sind zu teuer und sie agieren vielfach in einem Oberklasse-Segment, das es schwermacht, von einem Elektro-Volkswagen sprechen zu können. Chinas erfolgreiche Autobauer wie BYD oder CATL kommen von der Elektroindustrie. So produzieren sie teilweise ausschließlich diese Modelle und verhindern damit, sich (wie in Deutschland) in der Modellpolitik zu verzetteln.

Käfer wird gebraucht

Deutschland hat am Standort, aber auch in den ausländischen Produktionsstätten den Vorteil langer Erfahrung und eines breiten technischen Know-hows. Hinzu kommt ein (noch) hervorragendes Image für Automobile „Made in Germany“. Jetzt kommt es darauf an, die Herstellung und die Fahrzeugtypen den Erfordernissen zukünftiger Antriebsformen anzupassen. Es kann nicht mehr darum gehen, alleine auf ein Premiumsegment zu setzen. Die Historie zeigt, dass ein kleines und einfaches Fahrzeug, wie es der VW Käfer war, gerade auch in Märkten wie den USA sehr erfolgreich werden konnte. Vielleicht erinnert sich VW angesichts der aktuellen Verwerfungen an diese Geschichte vor über einem halben Jahrhundert und kreiert ein ähnliches Modell für einen ähnlichen internationalen Erfolg.

Quellen: IW, Tagespresse



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