Hier finden Sie eine Übersicht unserer aktuellsten Veröffentlichungen.
Pressemeldungen, Fachbeiträge & Neuigkeiten
Einfach einsteigen
Aus gutem Grund nehmen Unternehmen Onboarding – also das Eingewöhnen neuer Mitarbeiter – immer wichtiger und beginnen immer früher damit. Ist die Startphase aber zu perfekt, entstehen neue Probleme.
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ist in städtischer Hand. Trotzdem hat es die gleichen Probleme wie fast jeder Mittelständler zwischen Emden und Passau. Die Anzahl der Fachkräfte ist überschaubar, und anspruchsvoller werden sie auch. „Im Pflegebereich wird der Wettbewerb immer größer“, sagt Nicole Pantelmann, Abteilungsleiterin der Personalbetreuung am UKE. Ihr Arbeitgeber beschäftigt Ärzte, Pfleger, Physiotherapeuten, Kurierfahrer und Küchenhilfen, insgesamt mehr als 11.000 Menschen. Jeden Monat kommen schätzungsweise 100 neue Mitarbeiter hinzu. Manchmal kommen sie aber auch nicht. Es sei schon vorgekommen, erzählte Pantelmann kürzlich auf einem Personalmanagementkongress in Berlin, dass neue Mitarbeiter wieder abgesprungen seien, weil sie keine bezahlbare Wohnung in der Hansestadt gefunden hätten.
Für das Krankenhaus ein Grund, mit dem Onboarding früher zu beginnen als am ersten Arbeitstag der Neulinge. Das UKE fädelte eine Kooperation mit Wohnungsunternehmen ein. Sie schätzten die UKE-Leute sowieso schon: Ausgestattet mit unbefristeten Verträgen, gelten sie als zuverlässig und solvent. Hier setzte das Krankenhaus an. Dank der vereinbarten Zusammenarbeit würden die UKE-ler nun bei der Wohnungssuche bevorzugt behandelt, so Pantelmann, ganz ohne Makler und zusätzliche Kosten.
Onboarding vor Vertragsunterschrift
Die Unterstützung für neue Mitarbeiter fängt sogar schon vorher an. Noch vor der Vertragsunterzeichnung können sich Neuzugänge ins Intranet des Klinikums einloggen, haben dort Zugriff auf Interna. Das darf man als Vertrauensvorschuss verstehen – und als dezente Aufforderung, den Vertrag bitte auch zeitnah zu unterschreiben. Springt der Umworbene ab, wird der Zugang wieder gesperrt. Im Intranet gibt es mittlerweile eine Onboarding-Seite. Dort kann man sich vorab auf dem Klinikgelände orientieren, die ersten Arbeitstage durchspielen und künftige Kollegen kennenlernen.
Bei der Akklimatisierung an die neue Umgebung gilt es offenbar, keine Zeit zu verlieren. Laut aktueller Studie der Jobbörse Stepstone beginnt der gesamte Prozess des Onboardings „mit der Vertragsunterzeichnung des neuen Mitarbeiters und ist frühestens am Ende der Probezeit, spätestens aber nach einem Jahr, abgeschlossen.“ Auch Software-Spezialist Haufe sagt anlässlich seiner Umfrage, dass „Onboarding optimalerweise direkt nach dem Vertragsabschluss beginnt“, Vielleicht müssen beide ihre Definitionen bald überdenken. Denn immer mehr Unternehmen wollen noch früher andocken, so früh wie möglich, um ihre frischen Kräfte zu binden. Der Gedanke, dass um die Ecke vielleicht doch noch eine schönere Braut wartet, soll erst gar nicht aufkommen.
Tatsächlich hat es laut Haufe-Umfrage mehr als ein Viertel der befragten Unternehmen schon erlebt, dass neu eingestellte Mitarbeiter vor dem ersten Arbeitstag einen Rückzieher machten. Das ist nicht nicht nur ärgerlich, sondern auch kostspielig. 60 Prozent der Befragten glauben folgerichtig, dass die Fluktuation im ersten Jahr durch Onboarding-Maßnahmen verringert werden kann.
Auch Autovermieter Sixt drückt aufs Gaspedal. Sixt stellte eigens zwei Feelgood-Manager ein, um die Neuen abzuholen. Vor allem IT-Fachkräfte, von denen viele aus dem Ausland kommen. Die Feelgood-Fachkräfte fahren mit ihnen zur Wohnungssuche, zur Anmeldung des Nachwuchses im Kindergarten oder zur Bank, um ein Konto zu eröffnen. Auf dem Amt werden Arbeits- oder Aufenthaltserlaubnis gemeinsam geklärt. „Durch all diese Aktivitäten konnte Sixt sich im vergangenen Jahr einen Namen in der Tech-Szene machen“, schrieb Sixt triumphierend in seinem letzten Geschäftsbericht.
Videobotschaft vom Chef
Beim Medizintechniker Fresenius drückte man neuen Mitarbeitern früher einen unpersönlichen USB-Stick in die Hand. Darauf befand sich ein PDF-Dokument mit den wichtigsten Infos. Manchmal druckte man es auch aus und übergab es als Handbuch. „Das war nicht mehr zeitgemäß“, sagt Christian Meser, Manager für Employer Branding bei Fresenius. USB-Stick und Handbuch gibt es nicht mehr, dafür eine schicke neue Onboarding-Plattform.
Denn fast alle Kandidaten bewerben sich bei Fresenius heute online über das Karriereportal. Wer hier eine Bewerbung anlegt, kann sich hinterher immer wieder einloggen, um den aktuellen Status zu prüfen. Setzt nun ein Bewerber seine finale Unterschrift unter den Vertrag, ändert sich der Status in „Einstellung“. Das wiederum löst eine E-Mail aus. Die teilt dem Empfänger mit, dass im Karriereportal jetzt die neue, integrierte Onboarding-Plattform auf seinen Besuch wartet. Dabei handelt es sich um einen sogenannten Onepager: Alle wichtigen Infos sind auf einer Seite, die man immer weiter nach unten scrollen kann, zusammengefasst. Ganz oben begrüßt Fresenius-Vorstand Stephan Sturm die Neuen mit einer Grußbotschaft. Das Video ist für alle gleich, danach aber erscheinen variable Inhalte, je nachdem, ob sich ein Praktikant, Azubi oder Berufseinsteiger angemeldet hat, an welchem Standort und in welchem Unternehmensbereich er oder sie arbeitet. Wie laufen meine ersten Arbeitstage ab? Wo gibt es Parkplätze für mich? Was ist abends eigentlich so los in Bad Homburg?
Die Eingewöhnung individueller machen
Die personalisierte Onboarding-Plattform von Fresenius ging im Februar 2019 live. „Es sind keine hochsensiblen Infos auf der Plattform“, betont Christian Meser. Das Risiko, zu früh zu viel preiszugeben, ist gering. Aber sie soll die Eingewöhnung individueller machen und digitaler – das sind Trends, die die Onboarding-Landschaft prinzipiell erfasst haben. So baut etwa Optik-Unternehmen Carl Zeiss seit einigen Jahren eine globale Plattform mit Trainingsinhalten auf. Die Lernphase neuer Servicetechniker wurde durch die Lernvideos angeblich schon eingedampft. Über 150 Wochen Trainingszeit konnte Carl Zeiss nach eigenen Angaben einsparen.
Versicherer Generali in Ungarn setzt auf Zuckerbrot und Peitsche. Die Onboarding-Plattform ist voll mit spielerischen Elementen und putzigen Grafiken, die Starthilfe geben sollen. Wer als Versicherungsverkäufer für Generali arbeiten will, muss in den ersten 100 Tagen zahlreiche Aufgaben am Bildschirm lösen. Den Vertrag gibt es frühestens zu Beginn des zweiten Monats. Nach Firmenangaben bleiben rund 71 Prozent aller Teilnehmer nach 100 Tagen Onboarding im Unternehmen.
Das Einmaleins des Onboardings
Auf Papier verzichten will man in der Hamburger Uniklinik nicht. Die Arbeitsverträge versenden die UKE-Personaler in einer hochwertigen Mappe. „Eine einfache und kostengünstige Sache, die unheimlich gut ankommt“, so Nicole Pantelmann. „Wir sind ein Krankenhaus, wir haben nicht viel Geld.“ Ihr Arbeitgeber hat das kleine Einmaleins des Onboardings verinnerlicht. Es gibt feste Ansprechpartner für die neuen Kollegen, ein nettes Begrüßungspaket mit Kaffeetasse und Schlüsselanhänger. Zum Monatsanfang werden Einführungstage durchgeführt, bei denen die Neuen stets von einem Vorstandsmitglied freundlich begrüßt werden. Zwei bis drei Monate später können sie über einen anonymen Fragebogen Feedback geben.
Auf diese Weise hat die Klinik ihr Onboarding Schritt für Schritt ausgebaut, ohne großen Masterplan in der Schublade. Und dennoch gibt es da ein kleines Problem. Je kuscheliger das Wohlfühlpaket für die Neuen ist, desto unwohler fühlen sich die Alten, die zum Einstand möglicherweise noch mit einem festen Händedruck abgespeist worden sind. Eine Gerechtigkeitslücke, die Otto Normalverbraucher von Telefon- oder Pay-TV-Anbietern kennen. Die neuen Kunden werden umworben, die alten ignoriert. Das ist die Krux: Das Onboarding kann noch so genial sein. Es gibt immer einen, dem es sauer aufstößt.
Damit hebt sich Ihr Onboarding ab
Zu den klassischen Onboarding-Maßnahmen zählen Einführungsveranstaltungen, ein Gespräch mit dem Vorgesetzten oder die berühmte Willkommensmappe.
Diese Onboarding-Maßnahmen werden dagegen (noch) eher selten genutzt:
- Mitarbeiterevents (z.B. Stammtisch)
- Coaching
- Stationen in anderen Abteilungen
- Pate/Mentor/Buddy
- Unterstützung bei der Vernetzung
- Onboarding-App
Quelle: Haufe-Lexware, 2. Onboarding-Umfrage 2018
Quelle: Magazin „Creditreform"
Text: Sebastian Wolking